Hamburg. Aus einer dicht gedrängten Menschenmenge stürmen zwei junge Männer hervor. Ein kurzer aufgeregter Blick auf die Karten, eine innige Umarmung und dann ein lauter Freudenschrei: "Jawoll, Karten gegen den HSV. Wir verlieren zwar eh 3:0, aber das ist egal. Wen interessiert schon Fußball", amüsieren sich die beiden 20-Jährigen, Lukas und Christian, die später revidieren, dass man selbstverständlich "einen Sieg" bevorzuge.

Für viele St.-Pauli-Sympathisanten ist der Besuch des Millerntorstadions am Freitag ein Muss. Dabei stand kein Fußballspiel - das Team reiste am gleichen Tag zum DFB-Pokal-Auftakt nach Chemnitz -, sondern vielmehr der Ticketschalter im Fokus der Anhänger. Schließlich geht es um die letzten Karten für die ersten drei Heimspiele der Saison, und die Namen der Gegner sind äußerst klangvoll. Neben 1899 Hoffenheim und Borussia Dortmund gilt das Hauptaugenmerk vor allem dem Derby am vierten Spieltag gegen den HSV.

Bis sieben Uhr haben sich bereits mehrere Hundert Menschen versammelt und sich fast wie Erstklässler in Zweiergruppen zu einer riesigen Schlange aufgereiht. Um das Ausharren etwas bequemer zu gestalten, kampieren viele auf mitgebrachten Stühlen oder gar Sesseln, denn der Schalter, das zum Glück in Sichtweite liegende Ziel des Wartens, öffnet erst um zehn Uhr.

Immerhin hat der Verein für sieben Uhr morgens ein Frühstück organisiert. Auf der Speisekarte stehen Kaffee und belegte Brötchenhälften für einen Euro. Die Lachsbrötchen dagegen, die Gourmets für 1,50 Euro erwerben können, sollen zunächst nur dem elitären Kreis der Vereinsmitglieder zugänglich sein - schnell ist unter den Fans von einem "Lachsbrötchen-Skandal" die Rede. Später entspannt St.-Pauli-Organisationsleiter Sven Brux die Situation. Es sei "ein Scherz" gewesen, sodass nun jeder zuschlagen darf, zumindest solange der Vorrat - bestehend aus insgesamt 400 Brötchen - reicht. Besonders für eine fast 50-köpfige Gruppe der beharrlichsten Anhänger, die bereits am Donnerstag angereist ist, scheint der Snack notwendig. Sie haben bis zu 350 Kilometer lange Autofahrten auf sich genommen und dafür Urlaubsanträge gestellt.

Der erste hartgesottene Fan schafft es, am Donnerstag bereits um 17.45 Uhr am Ort des Geschehens zu sein. Der 28-jährige Tommy aus Wilhelmsburg zeigt sich etwas überrascht, als er seine Zelte direkt vor dem Ticketcenter aufschlagen kann: "Ich hatte eigentlich befürchtet, auf irgendwelchen Vorplätzen schlafen zu müssen, und ich dachte, ich wäre viel zu spät da. Dann habe ich mich aber umso mehr gefreut, weil ich mir fast schon sicher sein konnte, eine Karte zu bekommen." Und tatsächlich ist er es, der am Schalter glücklich die erste Karte in der Hand hält.

Auch der 19-jährige Marius reist schon am Vortag an und sichert sich ebenfalls gleich zu Beginn seine begehrten Tickets. Dass er so früh da ist, hat aber auch noch andere positive Seiten: "Die Nacht ging trotz der kurzen Schlafzeit relativ zügig vorbei. Wir haben viel gekniffelt und leckere Getränke dabei gehabt. Die Stimmung war also super." Nach dem kurzzeitigen Adrenalinschub durch den Erfolg bei der Ticket-Schlacht zeigen sich viele Fans im Besitz frischer Eintrittskarten zunächst euphorisch, räumen aber dann sichtbar erschöpft das Feld. Jetzt heißt es für die Anhänger erst einmal: Ausruhen und neue Kraft für die kommenden Aufgaben tanken. Schließlich will das Team von Trainer Holger Stanislawski zum Bundesligastart wieder schlagkräftig unterstützt werden.