Gerade hat sich Charles Takyi einen Traum erfüllt: Er war für Ghana bei Afrika-Cup. Zurück bei St. Pauli weiß er nicht, wie es weitergeht.

Hamburg. Charles Takyi wirkt entspannt. Er trinkt eine heiße Schokolade, ohne Sahne versteht sich, er lächelt viel, ist angenehm höflich. Alles wie immer. Takyi, ein sensibler Mensch mit einem stark ausgeprägten Glauben, versucht stets, das Positive in den Vordergrund zu stellen. Nach dem Regen scheint irgendwann auch wieder die Sonne - das hat ihm schon seine Mutter eingeimpft. Der 27-Jährige hat viel erlebt im vergangenen Jahr, sportlich und privat, Höhen und Tiefen. Irgendwo dazwischen hat sich der FC-St.-Pauli-Profi eingerichtet, in einem Gefühlszustand aus Freude und Enttäuschung, Euphorie und Ratlosigkeit.

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Anfang Mai verlor er seinen Vater und fast gleichzeitig brachte seine Freundin eine Tochter zur Welt. Er hat sich einen Traum erfüllt, wurde ghanaischer Nationalspieler und durfte am Afrika-Cup teilnehmen. Und das, obwohl er derzeit beim FC St. Pauli kaum noch eine Rolle spielt. Zu Beginn der Saison redete Trainer André Schubert den Mittelfeldspieler stark, setzte ihn von Beginn an ein. Wenig überzeugende Leistungen und ein Riss der Peroneus-Sehne im Fuß warfen ihn jedoch zurück, im November plagten ihn Knieprobleme. Dann kam die Einladung zum Afrika-Cup und Takyi verpasste die Rückrundenvorbereitung mit der Mannschaft. Derzeit hat er erst fünf Spiele auf seinem Konto, keins davon über 90 Minuten, das letzte im Oktober 2011. Zu wenig für einen Nationalspieler.

Diese Woche hat er eine weitere Reise mit den "Black Stars" abgesagt, um sich auf den Verein zu konzentrieren. "Ich will mich anbieten und hoffe, der Mannschaft noch helfen zu können, wenn ich gebraucht werde", sagt Takyi. Es sei momentan schwer, jemanden aus dem Kader zu verdrängen, erklärt Schubert, der es begrüßte, dass der Mittelfeldspieler nicht zur Nationalmannschaft reiste. "Es liegt an Charles, sich so zu präsentieren, dass wir nicht an ihm vorbeikommen."

Eine Erklärung dafür, dass er als frischgebackener Nationalspieler bei St. Pauli ins Hintertreffen geraten ist, hat Takyi nicht. Nur vage Vermutungen. "Für mich war ein ganz wichtiger Punkt, dass ich in der Nationalmannschaft geschätzt wurde, dass mir das Gefühl gegeben wurde, gebraucht zu werden, auch wenn ich nicht jedes Spiel gemacht habe. Die Gespräche mit dem Nationaltrainer sind für mich ganz wichtig."

Diese Wertschätzung kannte Takyi über Jahre auch von St. Pauli. Bis zum Ende der Bundesligasaison, als es Ärger um eine Vertragsklausel und um Wechselgerüchte gab. Nun sagt er: "Momentan weiß ich nicht genau, woran ich bin." Seit er wieder in Hamburg ist, gab es noch kein Gespräch über seine derzeitige Situation, darüber, was der Trainer von ihm verlangt. Doch Takyi hat viel gelernt im vergangenen Jahr, ist persönlich gereift, lässt nicht mehr alles so nah an sich heran und sieht sich sportlich auf einem guten Weg - dank des Selbstvertrauens, das er bei der Nationalmannschaft getankt hat. "Ich weiß, dass ich mich selber auf die Bahn bringen kann und muss, um zu spielen", sagt er.

Sein Vertrag läuft im Sommer aus. Wenn sich die Situation nicht wesentlich ändert, wird es seine vorerst letzte Saison in Hamburg gewesen sein. "Es wird wieder die Zeit kommen, in der ich eine wichtigere Rolle spiele", sagt er. Wo das sein könnte, lässt er offen. Es klingt ein wenig nach einem leisen Abschied, fast schon resigniert. Noch hat er sich mit dem Gedanken aber nicht abgefunden. Dafür ist ihm der Verein zu wichtig, dafür ist er den Fans, der Mannschaft zu viel schuldig, wie er betont. Er wird alles daransetzen, noch einen Beitrag zum Aufstieg zu leisten. Auch wenn in Afrika häufiger die Sonne scheint als in Hamburg.