Bei St. Paulis Gegner Aachen sucht Neuzugang Albert Streit seine letzte Chance. Der Skandalprofi spricht Klartext über die Branche.

Hamburg. Eigentlich hatte Albert Streit mit dem Fußball abgeschlossen. "Dann würde ich jetzt mit meiner Frau in der Sonne liegen", sagt der Bundesligaprofi, denn Pläne für die Zeit nach dem Sport hat er nicht. "Ich muss nicht unbedingt etwas machen", erzählt der Mann, der immer geradeaus sagt, was er denkt und deshalb in der Branche als überheblich gilt.

Wenn am Sonnabend (13 Uhr) auf dem Aachener Tivoli die Partie der Alemannia gegen den FC St. Pauli angepfiffen wird, steht Streit zum ersten Mal nach 994 Tagen wieder in einer Profibegegnung auf dem Platz. Sein früherer Trainer Friedhelm Funkel nahm ihn in der Winterpause beim abstiegsbedrohten Traditionsklub unter seine Fittiche. Dort erhält er eine letzte Chance: einen Halbjahresvertrag. Streit spielt auf Bewährung. Im Mai 2009 bestritt der heute 31-Jährige als Leihgabe für den HSV sein bisher letztes Bundesligaspiel. Davor und danach war Albert Streit für Fans und Verantwortliche des FC Schalke, wo er von 2008 bis 2011 unter Vertrag stand, ein rotes Tuch. Zu Saisonbeginn 2009 hatte Trainer Felix Magath Streit suspendiert, warf ihm Faulheit vor. Magaths Vorgänger Fred Rutten hatte den einstigen Edeltechniker ebenfalls aussortiert. In Frankfurt und Köln war er zuvor angeeckt.

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Streit landete schließlich in der Schalker Reserve, wurde bei seinem ersten Heimauftritt wüst beschimpft und vom eigenen Anhang bespuckt und angepinkelt. Fortan lief er in Absprache mit dem Verein nur noch auswärts auf. In knapp vier Jahren bestritt er nur 14 Bundesliga- und 26 Regionalliga-Partien, ehe das Arbeitsverhältnis im Herbst 2011 nach einem Gerichtsmarathon aufgelöst wurde. Natürlich gegen Zahlung einer Abfindung. Mit Sätzen wie "Ich habe den Vertrag meines Lebens unterschrieben. Warum sollte ich auf Geld verzichten?" hatte sich Streit, der auf Schalke rund zwei Millionen Euro pro Jahr kassierte, zunehmend ins Abseits gedribbelt. Mit dem Image des Söldners und ewigen Sündenbocks hat er sich heute längst abgefunden. "Wenn ich ein Kind aus dem Wasser retten würde, würden die Leute schreien: ,Mensch, es ist nass geworden'", klagt Streit. Dabei sei er doch der einzig ehrliche Profi. "Spieler erzählen, sie wechseln, weil die sportliche Perspektive so gut ist und die Fans so toll, da lache ich mich kaputt", sagt er. "Es geht ums Geld, alles andere ist Schwachsinn."

Die finanzielle Seite spielt für Streit in Aachen keine Rolle mehr. Er hat genug verdient und läuft nun für einen Bruchteil seines früheren Salärs auf. Streit will seine zweifelsohne vorhandene fußballerische Klasse noch einmal unter Beweis stellen. In Aachen sind sie angetan von ihrem rechten Mittelfeldspieler. In Testspielen zeigte er gute Ansätze, wurde von den neuen Kollegen häufig gesucht. "Ich war überrascht und natürlich erfreut über seine Leichtfüßigkeit", lobt Trainer Funkel. Sein Schützling gibt sich ausnahmsweise zurückhaltend. "Ich bin einfach froh über diese Chance. Wenn es gut läuft, spiele ich vielleicht noch weiter, aber ich plane nichts", sagt er. Das hat sich Albert Streit abgewöhnt. Zur Not steht ab dem Sommer eben das ausgiebige Sonnenbad an. Arbeiten will er nach dem Fußball nur, wenn er "an etwas Spaß findet". Der streitbare Aachener ist sich eben treu geblieben. Zumindest das kann man ihm nicht vorwerfen.