Ein Erlebnisbericht von Norman Raap

Früher war auch nicht alles besser in Alsterdorf. Aber anders. Wer zum Hallenturnier wollte, musste sich schon immer entscheiden: für die Fans des FC St. Pauli auf der Ost- oder die des HSV und VfB Lübeck auf der Westseite. Dazwischen verlief eine Grenze quer durch das Foyer über das WC bis an den Spielfeldrand, gesichert mit Gittern, Ordnern und Polizei. Man frotzelte, aber man respektierte sich. So war es stets ein familiäres und ein spielerisch mehr oder weniger aufregendes Fußballturnier, bei dem ich mich sicher fühlte. Auch - und ganz besonders - im St.-Pauli-Block.

Es war ein trügerisches Gefühl, das ist seit Freitag klar. Nachdem erste "Lübecker" beim Einlass Ordner angreifen, aber noch ihre Plätze einnehmen dürfen, muss auch ich mich an Dutzenden Polizisten auf der Treppe vorbeischlängeln, um zum Platz zu kommen. Wir sind eingekesselt. Zu unserer Sicherheit. Das ist neu.

Dann rollt endlich der Ball. St. Pauli II holt ein 0:3 gegen Lübeck auf. Endstand: 3:3. Jubel. Applaus. Es ist 19 Uhr und die Stimmung gut, bis Provokateure von gegenüber eine Sicherheitslücke nutzen. Plötzlich beginnt in der eben noch mit St.-Pauli-Bannern behängten Westecke der Südtribüne eine Schlägerei. Während unten Beamter an Beamter steht, prügeln auf dem Rang "Fans" aufeinander ein, bis nach einer quälend langen Minute endlich ein Polizist dazwischengeht. Mir zittern die Knie. Es kommt noch schlimmer. Einer mit St.-Pauli-Schal fordert die anderen im Block auf: "Alle raus hier!" Ein anderer raunt: "Warum? Weil wir uns draußen besser mit den Lübeckern prügeln können?"

Als die ersten Familien mit Kindern die Halle verlassen, prallt der Mob in Flur und Foyer aufeinander, es gibt kein Entkommen. Nur Schreie, Scherben, Blut und Tränen. Alle, die bleiben, sind schockiert, sehen aber noch, wie St. Paulis "Erste" einen 0:5-Rückstand gegen Lyngby aufholt. Endstand: 5:5. Es ist 22.20 Uhr - Abpfiff nach 25 Jahren. Vor der Halle knallen Böller. Es ist mehr kaputt gegangen als ein Traditionsturnier.