Versteigerte Sitzplätze im Mannschaftsbus und legendäre Mottofahrten: Kuriose Auswärtsreisen haben bei den Fans des FC St. Pauli Tradition.

Hamburg. Die erste Auswärtsfahrt des FC St. Pauli liegt bald 100 Jahre zurück und führte Spieler und Anhang gleich ins Ausland. Im Jahr 1910 ging es für zwei Testspiele ins dänische Svendborg. Was der FC St. Pauli und seine Fans auf dem Weg zu fremden Plätzen seitdem an skurrilen Geschichten, kuriosen Begebenheiten, Merk- und Denkwürdigem erlebten, werden Michael Pahl und Christoph Nagel am Sonntag einmal mehr berichten. Die Autoren von "FC St. Pauli. Das Buch." (Hoffmann & Campe) haben für das Zweitligaspiel der Hamburger beim SC Paderborn (13.30 Uhr, Energieteam-Arena/Sky, Liveticker auf abendblatt.de) zur Fahrt mit dem Lesebus geladen und werden der Serie der kuriosen Auswärtsreisen somit ihr jüngstes Kapitel selbst hinzufügen. "Normalerweise können wir ja immer nur sehr kleine Ausschnitte aus dem Buch vorlesen. So eine Busreise von insgesamt über sechs Stunden bietet da schon ein bisschen mehr Spielraum. Es gibt also ordentlich was 'auf die Ohren', Texte aus dem Buch, Anekdoten rund ums Buch - bis die Leute uns an einer Raststätte aussetzen", freut sich Nagel.

Ausreichend Zeit also auch, um sich intensiv mit den Auswärtsreisen auseinanderzusetzen. Und so werden die beiden auch die Erinnerungen an die Mottofahrten wieder greifbar machen. 1994 organisierte der heutige Sicherheitschef und damalige Fanladen-Mitarbeiter Sven Brux die erste der insgesamt vier legendären Fanreisen. Unter dem Motto "VIPs on Tour" brach am Morgen des 26. November eine als Börsen-Yuppies verkleidete 60-köpfige Fangruppe zum Zweitligaspiel nach Zwickau auf. Mit Spielzeughandys am Ohr, Aktenkoffer an der Hand und der "Financial Times" unter dem Arm sorgten die Hamburger nicht nur in Sachsen für Irritationen und Verwechslungen. Positiv, dass die erwarteten Auseinandersetzungen durch gewaltbereite FSV-Anhänger ausblieben. Dumm nur, dass auch die Busfahrer die St. Paulianer in ihrer Verkleidung nicht erkannten und auf dem Heiligengeistfeld gleich zweimal an ihnen vorbeifuhren. Die Mottofahrt wurde trotz leicht verspäteter Abreise ein Erfolg, so dass weitere folgten: "Cowboys und Indianer", "Billigtouristen" und "Europa", als jeder Wagen des Sonderzugs nach Krefeld (Uerdingen) eine eigene Nation repräsentierte.

Eine Mottofahrt der unfreiwilligen Art hatte es bereits im Jahr 1979 gegeben. Das Thema: Lizenzspieler. Da der Verein nicht mehr genug Geld hatte, um die Reisen bezahlen zu können, wurden die freien Plätze im Mannschaftsbus meistbietend an Fans versteigert. "Ich weiß nicht, ob der Trainer irgendwann gesagt hat, geraucht wird hier nicht mehr", versucht sich Spieler Hansi Bargfrede zu erinnern, "aber spätestens auf der Rückfahrt hatten die einen in der Kiste, und da war Helau." Die angespannte Finanzsituation konnte die Maßnahme allerdings nicht verhindern. In den folgenden Jahren hatten die Verantwortlichen immer wieder Probleme, überhaupt ein taugliches Gefährt für die Mannschaft zu finden. Einmal strömte in einem Kleinbus Gas aus, so dass die Spieler leicht betäubt ankamen.

Es waren eben nicht nur die Fans, die bei ihren Auswärtstrips Geschichte und Geschichten erlebten. So wurde Spieler Walter Frosch 1979 bei der Abfahrt nach Nordhorn vergessen, weil er nach dem Durchzählen noch einmal ins Clubheim zur Toilette gegangen war. Der Versuch von Präsident Wolfgang Kreikenbohm, kurzerhand einen Bundeswehr-Hubschrauber für Frosch anzufordern, blieb vergeblich.

Ein derartiges Missgeschick wird am Sonntag nicht passieren, alle Plätze sind besetzt. "Von der Resonanz waren wir wirklich überwältigt: Der Fanladen, der die Busfahrt organisiert hat, war erst ein bisschen skeptisch. Aber schon nach einer Woche waren alle 50 Plätze im Bus weg", sagt Pahl, "und wir bieten natürlich auch ein kulinarisches Programm - nach dem Motto ,Gewürztee statt Cola-Korn'. Es wird auch selbstgebackene Plätzchen und einiges andere geben. Vielleicht ja auch Schmalzbrote. Das fänden wir jedenfalls perfekt."