Neben erstklassigem Fußball gibt es drei Gründe für den Drang des Teams von Holger Stanislawski an die Tabellenspitze der zweiten Liga.

Hamburg. Diesmal war der zwölfte Mann weder der Schiedsrichter, noch das Kollektiv der wie ein Mann hinter der Mannschaft stehenden Fans. Diesmal war der zwölfte Mann ein 14-jähriger Junge, der das Spiel von der Seitenlinie aus verfolgte - und beeinflusste. In der 72. Minute - St. Pauli hatte gerade eine Großchance zugelassen, die Andreas Lambertz schwach abschloss und Mathias Hain dadurch die Möglichkeit gab, einen Konter einzuleiten - wurde Federico Bastek, der Balljunge vor der Haupttribüne, zum jüngsten Torvorbereiter der Zweiten Liga. Als der Gegenangriff schon unterbunden und der Ball ins Aus geklärt worden war, reagierte Federico vorbildlich und warf Carsten Rothenbach gedankenschnell den Ball zu. Der Außenverteidiger setzte die Idee des U 15-Spielers des FC St. Pauli sofort um und mit seinem Einwurf Florian Bruns ein, der nun freie Bahn hatte und ungestört in die Mitte passen konnte, wo Marius Ebbers den Ball geschickt durchließ und Rouwen Hennings freie Schussbahn ermöglichte. "Es waren fünf Leute an dem Tor beteiligt", sagte Florian Bruns, "jeder hat 20 Prozent Anteil."

Es sind unerwartete Aktionen wie diese, die den Erfolg des FC St. Pauli in dieser Saison begünstigen. Angefangen beim überraschenden Siegtor des jungen Nils Pichinot in der letzten Sekunde des ersten Saisonspiels gegen Ahlen über den Freistoß-Hammer von Matthias Lehmann in Rostock bis zum Auftritt des Balljungen beim 2:1-Sieg am vergangenen Freitag gegen Fortuna Düsseldorf. Die Mannschaft von Trainer Holger Stanislawski spielt unbestritten eine hervorragende Hinrunde, begeistert mit schnellem Kombinations- und Angriffsfußball, im Erfolgssystem St. Pauli spielen jedoch noch andere Komponenten eine gewichtige Rolle, die sich allesamt im Spiel gegen Fortuna Düsseldorf offenbarten. Ein wenig Glück, die große Euphorie der Fans, die sich auf die Mannschaft überträgt und der unbedingte Siegeswille.

Glück hatte St. Pauli diesmal vor allen Dingen bei den Entscheidungen des insgesamt schwachen Schiedsrichters Tobias Stieler, der in der ersten Hälfte mindestens einen, wenn nicht zwei Elfmeter mehr gegen die Hamburger hätte pfeifen müssen. Zudem profitierten die Braun-Weißen von der schlechten Chancenverwertung der Gäste. Fazit von Trainer Holger Stanislawski: "Ein Spiel mit offenem Visier und dem glücklicheren Ende für uns. Im entscheidenden Moment haben wir mehr Torgeilheit gezeigt." Beide Treffer seiner Mannschaft fielen praktisch im Gegenzug nach hochkarätigen Möglichkeiten für die starke Düsseldorfer Offensivreihe. Die zweite Erfolgkomponente hatte Florian Bruns parat: "Die Euphorie trägt uns", sagte der 30-Jährige. "Nach dem 1:1 hatten wir zehn Minuten, in denen nach vorne nicht viel ging. Dann wurden wir aber vom Publikum gepusht, und plötzlich kriegst du eine Ecke und merkst: Das Ding gewinnen wir." Bruns, in seiner vierten Saison am Millerntor, glaubt, dass es vor zwei Jahren anders gelaufen wäre. "Da hätten wir wahrscheinlich gesagt, wir nehmen den einen Punkt mit."

Doch genau das ist es, was den FC St. Pauli der Saison 2009/10 besonders auszeichnet. Die Mannschaft gibt sich eben nicht mehr mit einem Unentschieden zufrieden, die Ansprüche sind gestiegen. "Normal geht das Spiel unentschieden aus, aber wir haben den größeren Siegeswillen gezeigt und waren am Ende einen Tick überzeugender", erklärte Carsten Rothenbach den Sieg. Der Wille, Spiele zu gewinnen und sich nicht mit einer Punkteteilung zufrieden zu geben, offenbart sich in den offensiv ausgerichteten Einwechselungen des Trainers. Die Angreifer Rouwen Hennings (9), Max Kruse (5) und Morike Sako (6) brachte der Trainer am häufigsten, einzig Timo Schultz (7) kann da mithalten. Zudem gewannen die Hamburger fünf Spiele, in denen es bis zwanzig Minuten vor Schluss noch unentschieden stand oder die Mannschaft von Stanislawski gar zurück lag. Auch gegen Düsseldorf. "Vom Spielverlauf her wäre eine Punkteteilung okay gewesen, auch in Rostock musst du nicht gewinnen", sagte Stanislawski. "Aber die 26 Punkte haben wir zurecht. Bei Arminia Bielefeld und gegen den MSV Duisburg haben wir Punkte verschenkt."

Verschenkt hat Florian Bruns nach dem Spiel sein Trikot. An Federico Bastek, der Glück brachte, die Euphorie erhöhte und den Siegeswillen stärkte. Ein perfekter zwölfter Mann.

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