Die Braun-Weißen offenbaren in dieser Zweitligasaison ein neues Gesicht. In fremden Stadien sind sie jetzt kein gern gesehener Gast mehr.

Hamburg. Versucht hatten sie vieles. Die chronische Auswärtsschwäche des FC St. Pauli trieb in der Vergangenheit mitunter seltsame Blüten. Schon zu Regionalligazeiten hatten die Verantwortlichen vor einem kniffligen Rätsel gestanden, die erhoffte Lösung aber nicht gefunden. Abläufe waren verändert, Abfahrtszeiten vorgezogen worden, sogar die Zusammenarbeit mit Psychologen wurde ernsthaft diskutiert. Zudem hätten die Spieler problemlos einem Nebenjob als Filmkritiker nachgehen können, als es am Vorabend des Auswärtsspiels stets mit der gesamten Mannschaft ins Kino ging.

Der Erfolg stellte sich allenfalls kurzfristig ein, nachhaltig veränderte sich durch die Maßnahmen nichts. Während das Team am heimischen Millerntor mit breiter Brust den Gegnern das Fürchten lehrte, fiel das dominante Kollektiv eine Woche später als fragiles Gebilde regelmäßig in sich zusammen. Wer in der Mannschaft nach den Gründen fragte, erhielt lediglich ein entschuldigendes Achselzucken als Antwort.

Auch in dieser Saison gehen die Schultern auf und ab - allerdings nach veränderter Fragestellung. Die lautet nun, wie sich die fast makellose Bilanz auf des Gegners Platz erklärt. 5:0 in Aachen, 4:0 in Karlsruhe, 3:2 beim FSV Frankfurt, und nach der unnötigen 0:1-Niederlage beim Tabellenführer Arminia Bielefeld nun ein 3:1-Sieg in Oberhausen. Der FC St. Pauli ist die Auswärtsmannschaft der Saison. Zwölf Punkte sind nach neun Spieltagen Liga-Spitzenwert und gleichzeitig Vereinsrekord. Herausragende Werte, die vor dem Hintergrund der vergangenen Jahre (siehe Tabelle rechts) eine wahre Leistungsexplosion dokumentieren. Die Auswärtsstatistik hat sich im Vergleich zum Vorjahr verkehrt: Vier Siege statt vier Niederlagen, 15:4 statt 5:15 Tore. Die Braun-Weißen haben schon jetzt mehr Zähler auf dem Konto als am Ende der beiden letzten Spielzeiten. St. Pauli ist in der Fremde heimisch geworden.

"Wir spielen immer auf Sieg. Egal gegen wen, egal wo", impfte Trainer Holger Stanislawski seit dem Sommer immer wieder ein. Eine Vorgabe, die die Mannschaft mittlerweile tatsächlich verinnerlicht hat, wie sich bei den hoch gehandelten Aachenern und Karlsruhern, vor allem aber nach den Rückständen in Frankfurt (1:2) und Oberhausen (0:1), die für echte Aha-Erlebnisse sorgten, zeigte. Die Mannschaft lässt sich nicht mehr verunsichern, vertraut ihrer Art Fußball zu spielen. Allenfalls der Spaßfaktor ist am Millerntor noch höher, die auswärts gezeigten Leistungen fallen nicht mehr ab.

Entscheidenden Anteil am Wandel vom Punktelieferanten zum -garanten hat auch die Personalpolitik. Mit Filip Trojan und Alexander Ludwig verließen zwei Spieler den Verein, die in ihren Leistungen stark schwankten und sich ihre Kunstpausen vornehmlich auswärts nahmen. Matthias Lehmann oder auch Charles Takyi stehen dagegen für Konstanz und Verlässlichkeit.

Clevere Transfers und gesteigertes Selbstvertrauen - zwei Maßnahmen, die letztlich mehr bewirkten als Kinobesuche.

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