Spielerischer Glanz und neue Konstanz begeistern. Stanislawski: “Es sind nur noch Kleinigkeiten zu verbessern.“

Hamburg. Man muss sich langsam daran gewöhnen. Seit drei Wochen, seit dem 4:0-Auswärtssieg am 28. August beim Karlsruher SC, steht der FC St. Pauli mittlerweile an der Tabellenspitze der Zweiten Liga. Die Momentaufnahme, die vor 19 Tagen im Wildparkstadion von allen Beteiligten ausgemacht wurde, ist in die Verlängerung gegangen.

Die Bilanz liest sich eindrucksvoll: 13 Punkte und 16:5 Tore nach den ersten fünf Spieltagen, an denen die Hamburger dreimal auswärts anzutreten hatten. Herausragende Zahlen, die Rekordwerte bedeuten: Keine andere Profimannschaft startete besser in die Saison, keine schoss mehr Tore. Mit drei Auswärtssiegen in Folge wurde ein neuer Vereinsrekord aufgestellt, und die schon legendären 5:0- und 4:0-Triumphe bei den ersten Auswärtsspielen der Saison in Aachen und Karlsruhe bedeuten eine Allzeit-Bestmarke im Profifußball. Spitzenwerte eines Spitzenreiters, der bei der staunenden Konkurrenz längst auch als Spitzenteam der Liga gilt.

Nun, nach dem 3:2-Sieg am Sonntag beim FSV Frankfurt, hat sich auch das Selbstverständnis bei den Braun-Weißen verändert. Erstmals in dieser Saison sprach Trainer Holger Stanislawski nicht mehr von drei gewonnenen Punkten im Abstiegskampf. Weil die Mannschaft den möglichen Einbruch verhinderte, unbeirrt und unabhängig vom Spielstand ihre Marschroute verfolgte und den Gegner im Stile eines Top-Teams mit fußballerischen Mitteln ausspielte. St. Pauli wies Konstanz und ein schier grenzenloses Vertrauen in die eigene Stärke nach. "Wir haben uns in der Halbzeit gesagt: Wenn wir wirklich eine gute Mannschaft sein wollen, dann biegen wir den 1:2-Rückstand noch um", erinnert sich Rechtsverteidiger Carsten Rothenbach, der zu dem Schluss gekommen ist, "sicher zu den besseren Mannschaften der Liga" zu gehören.

Frankfurt war ein wichtiges Etappenziel auf dem Zeitstrahl der steten Entwicklung, die seit Stanislawskis Dienstantritt im November 2006 erkennbar ist. "Wir haben jedes Jahr einen Schritt nach vorn gemacht. Doch diesmal haben wir einen ganz großen geschafft. Weil wir konstant geworden sind und trotz des Rückstands an unserem Plan festgehalten haben. Das war für mich ganz wichtig zu sehen", sagt der Chefcoach, der einen seiner Leitsätze derart inflationär benutzt, dass die Spieler ihren Trainer mittlerweile stets nach dem ersten Wort unterbrechen und im Chor vollenden: "Stillstand - ist Rückschritt!"

Stanislawski selbst vermeidet Begriffe wie "Aufstieg" oder "Top-Team", will in der Öffentlichkeit nichts von einer Favoritenrolle wissen, sagt aber auch: "Wir sind eine gute Mannschaft, können jeden schlagen und wären ohne den Platzverweis auch gegen Duisburg nicht zu stoppen gewesen." Das 2:2 gegen den MSV als kleiner Fleck in der ansonsten makellosen Bilanz, die in den kommenden zehn Tagen harten Prüfungen unterzogen wird. Am Sonntag kommt der ebenfalls noch ungeschlagene Tabellendritte aus Kaiserslautern, drei Tage später geht es in der zweiten Runde des DFB-Pokals zum Titelverteidiger Werder Bremen, und am folgenden Sonnabend wartet das schwere Auswärtsspiel bei Bundesliga-Absteiger Arminia Bielefeld (5.).

"Es gibt jetzt nur noch Kleinigkeiten zu verbessern", weiß Stanislawski. Und so geht es nun darum, das Erreichte zu bewahren, das hohe Niveau zu halten, die Spielkultur weiter zu pflegen. Das neue Motto: Stillstand ist Fortschritt. Weil die Mannschaft bereits am Leistungslimit spielt. "Wir müssen uns an unsere Stärken immer wieder neu erinnern, dürfen sie aber nicht voraussetzen", mahnt der Trainer und arbeitet in dieser Woche wieder ausgiebig an den Lauf- und Passwegen, "es ist ein schmaler Grat zwischen Selbstvertrauen und Selbstüberschätzung. Aber wenn wir uns nicht selbst im Weg stehen, dann werden wir in dieser Saison sicherlich unter den ersten Sechs mitspielen."

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