Nach sechs Monaten Verletzungspause will Tolgay Arslan beim HSV neu angreifen. Im Sommer droht Konkurrenz vom Schweizer Granit Xhaka.

Marbella. Der kleinteilige Parcours, den Trainer Thorsten Fink gestern Vormittag auf den beiden kurz geschorenen Rasenplätzen des Marbella Football Centers aufbaute, verhieß nichts Gutes für die HSV-Profis. Während eine ganze Armada von Trainingshütchen drohend auf der einen Seite wartete, stellten Fink und seine Assistenten auf der anderen Seite Gewichte und ähnlich spaßfreie Fitness-Utensilien auf. Der Gesamtanblick ließ für die Fußballer, die um kurz nach 10 Uhr auf die Anlage mit dem Bus vorfuhren, lediglich einen Schluss zu: harte Arbeit.

Etwas mehr als zwei Stunden später nimmt Tolgay Arslan auf der kleinen Tribüne am Rande des Rasens Platz und wischt sich mit einem breiten Grinsen den Schweiß von der Stirn. "Das hat gutgetan", sagt der 21-jährige Deutsch-Türke, der die schweißtreibende Einheit offenbar richtig genossen hat. "Ich bin einfach nur wahnsinnig glücklich und dankbar, dass ich so eine Einheit endlich wieder ohne Schmerzen und ohne Probleme absolvieren kann", sagt Arslan, der dabei mit der rechten Hand über das linke Sprunggelenk streicht.

Töre will beim HSV verlängern

Rückblick: Es ist ziemlich genau sechs Monate her, als Arslans Welt von Wolfsburgs Ashkan Dejagah mit nur einem bösen Tritt völlig aus den Angeln gehoben wird. "Wir spielten ein Vorbereitungsspiel gegen den VfL, es stand 5:1 für Wolfsburg, und es waren nur noch zwei Minuten zu spielen", erinnert sich Arslan, "ich kann und will dieses Foul einfach nicht verstehen." Dass sich Dejagah nicht einmal persönlich für den Tritt entschuldigte, hat Arslan abgehakt. Die sechsmonatige Leidenszeit, die anschließend folgte, muss er dagegen noch immer verdauen.

"Am Anfang hieß es immer, dass ich in zwei bis drei Wochen wieder fit sei. Als es dann zwei Wochen später hieß, dass es weitere zwei bis drei Wochen dauert, habe ich mir schon angefangen, Sorgen zu machen", sagt der Mittelfeldmann, den Sportchef Frank Arnesen vor dessen Verletzung als "großes Juwel" bezeichnete. Schließlich wurden aus den Wochen Monate: "Irgendwann hatte ich dann große Angst um meine Karriere." Der gebürtige Paderborner konsultierte insgesamt acht Ärzte, von denen ihm aber keiner so recht helfen konnte. Erst als Bayern Münchens Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt erkannte, dass ein sogenannter Talus, ein Knochenbein im Sprunggelenk die Probleme bereitete, schöpfte der Hamburger Hoffnung. "Es war wirklich keine einfach Zeit für mich", sagt Arslan und schaut kurz auf, ob der Mannschaftsbus auf ihn wartet.

Der Bus wartet. Doch je länger man mit dem aufgeschlossenen Jungprofi spricht, desto mehr wird deutlich, dass die schwere Verletzung nicht nur am Fuß Spuren hinterlassen hat. "Immer, wenn ich nach dem Rehatraining nach Hause kam, fühlte ich mich irgendwie leer. Ich brauchte etwas für meinen Kopf", erzählt Arslan, der zur Zerstreuung sogar ein Fernstudium in Erwägung zog. Irgendwann sah er aber ein, dass ein bisschen Abwechslung nicht wirklich helfen würde. "Ich hatte schon mal in Aachen einen Mentaltrainer ausprobiert. Und obwohl ich zunächst sehr skeptisch war, hat er mir doch sehr geholfen", sagt der mehrfache Jugendnationalspieler, der sich diesmal professionellen Rat bei der Firma Pro Solution holte. Dort wurde Arslan von Thomas Kloth betreut, der dem sensiblen Fußballer auch mental auf die Beine half. "Ich fühle mich endlich wieder richtig gut", sagt Arslan, und meint damit Fuß und Kopf gleichermaßen.

Auch Trainer Fink ist glücklich, dass er nun einen Eindruck von seinem Dauerpatienten bekommt. Große Hoffnungen, die er eventuell wieder zerstören muss, will Fink dem Mittelfeldmann aber noch nicht machen. "Wir wollen die Vorbereitung erst mal abwarten. Sollte Tolgay dann keine realistische Chance auf Einsätze haben, müssen wir neu überlegen", sagt Fink, der in diesem Fall ein Leihgeschäft ins Auge fassen würde: "Das Wichtigste für junge Spieler ist und bleibt die Spielpraxis."

Arslan selbst ist überzeugt, dass er der Mannschaft in der Rückrunde helfen kann, sobald er zu einhundert Prozent fit ist. "Ich weiß, was ich kann", sagt der Hamburger, der sich am wohlsten im zentralen Mittelfeld fühlt. Die Gerüchte um eine baldige Verpflichtung des Schweizer Supertalents Granit Xhaka, 20, der sich auf der gleichen Position zu Hause fühlt, stören ihn nicht: "Mir ist nur wichtig, gesund zu bleiben."

Basel bestätigt HSV-Angebot für Granit Xhaka

Ob Arslan im Sommer überhaupt Xhakas Konkurrenz fürchten muss, ist weiterhin ungewiss. Zwar haben die Verantwortlichen des FC Basel in mehreren Schweizer Zeitungen eingeräumt, ein offizielles Angebot des HSV über sieben Millionen Euro erhalten zu haben, um aber im gleichen Atemzug das erste Angebot abzulehnen. "Wir haben dem HSV mitgeteilt, dass sein Angebot nicht interessant sei", sagte FCB-Vizepräsident Bernhard Heusler, "wir sehen keine Basis für Gespräche." So sollen mehrere internationale Top-Vereine ihr Interesse beim FCB hinterlegt haben, zudem weit über zehn Millionen Euro geboten haben. Dabei würde sich besonders das Trainingsgelände in Marbella ideal für weitere Verhandlungen eignen. Am Montag bezieht auch der FC Basel hier sein Trainingsquartier mit Xhaka, der gegenüber der Zeitung "Blick" bekundete: "In der Bundesliga zu spielen ist ein Traum für mich. Und der HSV ist ein toller Klub."

Tolgay Arslan hätte jedenfalls kein Problem damit, wenn Trainer Fink Xhaka zum Gedankenaustausch treffen würde. "Ich habe keine Angst vor Konkurrenz", sagt er. Angst hat man vor ganz anderen Dingen - das hat Arslan in den vergangenen Monaten gelernt.