Dortmunds Watzke schlägt Alarm, nachdem Ex-HSV-Trainer vor Gericht zieht. Auch Streit mit dem entlassenen Sportchef Kreuzer eskaliert

Hamburg. Mirko Slomka weiß, was sich gehört. Nachdem der Trainer Mitte September beim HSV freigestellt wurde, ließ er es sich trotz zehn siegloser Spiele in Folge nicht nehmen, sich gebührend zu verabschieden. Die Mannschaft war als Erste in der Kabine an der Reihe. Ein paar Tage später machte der Coach auf der Geschäftsstelle die Runde und auch die HSV-Anhänger vergaß Slomka nicht. „Ich wollte etwas bewegen“, schrieb der Hannoveraner in einem offenen Brief an die Fans auf seiner Internetseite, den er mit „Euer Mirko Slomka“ unterschrieb.

Doch bewegt hat Slomka erst nach seiner Demission eine ganze Menge.

Denn neben ein paar netten Worten des Abschieds hatte der zuvor glücklose Fußballlehrer auch noch eine echte Überraschung für den Vorstand parat. Per Post wurde den HSV-Verantwortlichen ein brisantes Schreiben zugestellt, in dem Slomka lediglich schriftlich ankündigte, gegen seinen zuvor vertraglich geregelten Rauswurf und die damit verbundenen Einnahmeausfälle Klage beim Hamburger Arbeitsgericht einzureichen.

Ungewöhnlich war das aus zweierlei Gründen: Zum einen war Slomkas Entlassung in dessen Vertrag unter dem Punkt „Freistellungsregelung“ durch eine Klausel klar geregelt. Demnach sollten dem Coach vom Tag der Freistellung bis zum Vertragsende am 30. Juni 2016 noch die Hälfte seines Grundgehalts sowie etwaige Erfolgsprämien zugestanden haben. Nach Abendblatt-Informationen wären das rund 1,4 Millionen Euro gewesen, die Slomka direkt ausbezahlt bekommen sollte. Der Trainer pocht nun aber auf die vollständige Höhe seiner Vergütung. Zum anderen soll Slomka die übliche Klausel bei Vertragsunterzeichnung befürwortet haben, da diese ihm den sofortigen und komplikationslosen Trainer-Wiedereinstieg ermöglicht hätte.

Ob Slomka noch immer zeitnah einen neuen Job als Bundesligatrainer findet, muss nach seinem Schritt vor Gericht nun aber bezweifelt werden. Der Grund: Da die Freistellungsklausel, gegen die Slomka gemeinsam mit dem Frankfurter Anwalt Horst Kletke gerichtlich vorgeht, in einem Großteil aller Verträge von Bundesligatrainern verankert ist, verfolgt mittlerweile die ganze Liga seinen juristischen Streit mit dem HSV aufmerksam. Sollte Slomka Recht bekommen, könnte dies als Präzedenzfallurteil gewertet werden. Die Befürchtung von vielen Clubchefs: Verträge für Trainer mit einer langen Vertragslaufzeit, die bislang meist durch eine Freistellungsklausel abgesichert waren, wären kaum noch darstellbar. Das finanzielle Risiko für die Clubs wäre im Falle einer vorzeitigen Entlassung schlicht untragbar.

Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke will sich gegenüber dem Abendblatt zum konkreten Fall Slomka mit Verweis auf das laufende Verfahren zwar nicht äußern, sagt aber ganz allgemein: „Grundsätzlich muss aus meiner Sicht das Arbeitsrecht im Profifußball überdacht werden. Spieler und Trainer verdienen im Profifußball zum Teil Millionen, da kann es nicht sein, dass diese hoch bezahlten Akteure normalen Angestellten gleichgesetzt werden.“ Watzke plädiert dafür, über Änderungen nachzudenken: „Das Arbeitsrecht soll den Schwächeren schützen, das ist in der Regel der Arbeitnehmer. Im Profifußball ist der Schwächere aber oft genug der Verein, der geschützt werden müsste. Wir brauchen da eine ganz andere juristische Bewertung.“

Bis zu einer juristischen Bewertung im Fall Slomka kann es aber noch eine ganze Weile dauern. So sieht Paragraf 27 der DFB-Ausbildungsverordnung vor, dass die „staatlichen Gerichte erst dann angerufen werden dürfen, wenn der Versuch zur gütlichen Beilegung des Streits (...) erfolglos geblieben ist“. Im Streitfall zwischen Slomka und dem HSV wurde mittlerweile der ehemalige DFB-Chef-Justiziar Götz Eilers mit dem Fall betreut. Einen Kompromissvorschlag hat es aber noch nicht gegeben. Ohnehin hat der HSV intern längst entschieden, dass der Club – anders als beispielsweise bei Ex-Sportchef Oliver Kreuzer, mit dem man sich zunächst auf eine außergerichtliche Lösung einigen konnte – wegen der möglichen Signalwirkung hart bleiben will. Öffentlich äußern wollten sich der HSV und Slomka-Anwalt Kletke auf Abendblatt-Nachfrage nicht, Slomka selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Neben Slomka haben mithilfe von dem in der Branche bekannten Anwalt Kletke auch die ebenso entlassenen Co-Trainer Nestor el Maestro, Athletiktrainer Nicola Vidovic und eben Kreuzer den HSV vor dem Arbeitsgericht Hamburg verklagt. Lediglich die geschassten Torwarttrainer Ronny Teuber und Assistent Zlatan Bajramovic haben sich gegen eine Klage entschieden. Teuber bekommt sein Gehalt bis zum Vertragsende im Sommer weiterhin ausbezahlt, bei Bajramovic wird noch um eine außergerichtliche Einigung gerungen. Das Angebot des HSV, wieder in den Nachwuchsbereich zurückzukehren, hat Bajramovic bislang abgelehnt.

Vertrackt ist die Situation bei Kreuzer. Nachdem der Ex-Sportchef bereits direkt nach seiner Kündigung gegen diese juristisch vorgehen wollte, hat es kurz vor der Verhandlung zunächst eine außergerichtliche Einigung gegeben. Diese sah vor, dass Kreuzer weiterhin sein noch ausstehendes Gehalt bezieht (rund 800.000 Euro), zudem Handy und Tankkarte vom Verein behalten darf. Nach zwei mehr oder weniger kritischen Interviews mit dem Abendblatt und „Sky90“ hat der HSV allerdings Kreuzer mittlerweile fristlos entlassen. Geredet wird nun erst wieder vor Gericht: am übernächsten Montag ab 13 Uhr in Saal 315. Als kurios darf übrigens gewertet werden, dass es Kreuzer war, der die Freistellungsklausel in Slomkas Vertrag hat festschreiben lassen.

Als Erster in der langen Schlange von Klägern steht Fitnesscoach Vidovic. Seine Verhandlung vor dem Hamburger Arbeitsgericht ist bereits für diesen Freitag um 12.30 Uhr terminiert. Dabei ist Vidovic keinesfalls der erste HSV-Trainer, der gegen den Club klagt. Auch Ex-Interimstrainer Rodolfo Cardoso hatte in diesem Jahr bereits Klage eingereicht, ehe er sich außergerichtlich einigte und nun sogar wieder als Techniktrainer für den HSV arbeitet. Vorreiter für alle ist aber ein anderer: Felix Magath. Der einstige HSV-Held wagte bereits 1997 den Schritt vors Arbeitsgericht. Der damalige Lohn für den Tabubruch: 520.000 Mark.