Kapitän van der Vaart musste Konkurrent Holtby gegen Bayern den Vorzug lassen. Dies könnte zur Gewohnheit werden.

Hamburg. Es war eine überschaubare Gruppe, die am Donnerstagmorgen an der Imtech-Arena ein recht intensives Training durchzog. Eines hatten alle HSV-Profis, die dort mitmischten, gemeinsam: Sie waren am Abend zuvor gegen den FC Bayern entweder gar nicht oder nur kurz auf dem Platz. So wie Rafael van der Vaart. Der 31-Jährige durfte im Pokalspiel noch 20 Minuten seiner Arbeit nachgehen, als die Partie längst entschieden war. Nach dem Abpfiff wollte van der Vaart weder über das Spiel noch über seine Rolle in der Mannschaft etwas sagen, er rauschte als Erster wortlos in die Kabine. Trainer Joe Zinnbauer erklärte den Verzicht auf den Regisseur danach mit taktischen Überlegungen – van der Vaart sei besser geeignet, wenn sein Team mehr Ballbesitz habe als der Gegner.

Zinnbauer setzte stattdessen auf Lewis Holtby als Spielgestalter. Der Neuzugang durfte gegen die Bayern 90 Minuten auflaufen, anfangs recht ordentlich, später ging der 24-Jährige mit unter. Das tat seiner Laune jedoch keinen Abbruch. Kurz geschüttelt, versuchte Holtby schlechte Stimmung gleich im Keim zu ersticken und die positiven Dinge des Pokalabends zu sehen. „Es bringt doch nichts, jetzt zu fluchen, das kostest viel zu viel Energie, die wir für Sonnabend brauchen. Wir haben trotz des Rückstands immer weitergekämpft, die Bayern zu Fehlpässen gezwungen und bis zum Ende nach vorne gespielt. Sehen wir es doch mal so: In der zweiten Halbzeit geht das Spiel gegen die übermächtigen Bayern 1:1 aus. Das müssen wir mitnehmen.“

Doch auch Holtby wird aufgefallen sein, dass die zweite Halbzeit mit einem nicht ganz so starken Torwart auch schnell 1:5 oder 1:6 hätte ausgehen können. Und dass auch er sich wieder steigern muss, um seine Lieblingsrolle hinter der Spitze zu festigen. Beim 0:0 gegen die Bayern in der Bundesliga hatte der Coach die Variante ohne van der Vaart, dafür mit Holtby in der offensiven Zentrale, erstmals erfolgreich getestet. Von diesem Zeitpunkt an überzeugte der gebürtige Westfale auf dieser Position. Erst seit van der Vaart nach seiner hartnäckigen Wadenverletzung zurück im Team ist, zeigt die Formkurve Holtbys wieder nach unten. „Das hat nichts damit zu tun, dass wir Feinde sind oder so was“, beschwichtigt Holtby. „Ich verstehe mich gut mit Rafa, wir respektieren uns sehr.“

Holtby oder van der Vaart – es kann wohl nur einen geben. In dem derzeitigen HSV-System mit zwei defensiven Mittelfeldspielern und einem offensiven davor ist kein Platz für zwei Regisseure. Holtby sagt zwar selbst, dass er auch über die linke Seite kommen kann, doch in den bisherigen Partien überzeugte der ehemalige Schalker dort nicht. Van der Vaart war als Denker und Lenker des HSV-Spiels in seinen bisherigen vier Partien dieser Saison überfordert. Außer guten Ecken und Freistößen kamen von ihm kaum noch Akzente. Aktionen wie die, die zum Anschlusstreffer gegen die Bayern führte, als van der Vaart in die Tiefe ging und mit viel Übersicht für Lasogga auflegte, haben mittlerweile Seltenheitswert. Da stellt sich die Frage, ob der 109-fache Nationalspieler nicht wertvoller wäre, wenn er neben dem zweikampfstarken Valon Behrami aus dem defensiven Mittelfeld heraus das Spiel ordnet. Zinnbauer stärkt seinen Kapitän zwar immer wieder verbal, sprach unlängst davon, dass van der Vaart noch immer einer der Besten in Europa sei. Doch so langsam aber sicher deutet sich beim HSV eine Wachablösung an.

Das sieht auch ein Altbekannter so. „Die Diskussion um die Form von van der Vaart geht jedes Jahr wieder aufs Neue los, das sagt doch alles“, meint Sergej Barbarez, der von 2000 bis 2006 sechs Jahre lang das Aushängeschild der HSV-Offensive war. Doch auch von van der Vaarts designiertem Nachfolger ist der Bosnier bisher enttäuscht. „Von Holtby hatte ich mir mehr erwartet.“ Barbarez könne sich durchaus vorstellen, beide gemeinsam auf dem Platz zu haben, etwa in einer Viererkette im Mittelfeld nebeneinander. „Die beiden sind erfahren genug, dass sie sich nicht über die Füße laufen werden.“

Sollte Zinnbauer seine Aussage nach dem Bayern-Spiel zum Leitsatz nehmen, könnte van der Vaart gegen Leverkusen am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) erneut nur auf der Bank Platz nehmen. Denn auch gegen die spielstarke Bayer-Elf dürfte der HSV in Sachen Ballbesitz unterlegen sein. An die Möglichkeit, dass Leverkusen mit den 120 Pokalminuten gegen Magdeburg in den Beinen zunächst abwartend und defensiv auftritt, glaubt beim HSV niemand so recht. „120 Minuten gegen Magdeburg sind wie 90 Minuten gegen die Bayern“, sagt Angreifer Pierre-Michel Lasogga.