HSV-Sportchef Peter Knäbel in seinem ersten Interview über soziale Netze, Trainertypen und Managerlehrgänge

Hamburg. Ein Langschläfer ist Peter Knäbel nun wahrlich nicht. Um 8.30 Uhr bat der Neu-Hamburger am Freitagmorgen zu seinem ersten Interview als neuer Direktor Profifußball des HSV. Sogar das Licht in der Arena musste da erst einmal angeknipst werden.

Hamburger Abendblatt:

Herr Knäbel, was haben Ihre Mannschaftskollegen aus St. Paulis Altliga gesagt, als Ihr Wechsel zum HSV verkündet wurde?

Peter Knäbel:

Die meisten haben sich einfach gefreut, dass ich wieder im Norden bin. Ich war ja sehr lange in der Schweiz, was man mitunter sogar noch hören kann. Ich ertappe mich immer wieder selbst dabei, wie ich beispielsweise auf Schwyzerdütsch sage: Der Entscheid war nicht gut. Die Entscheidung zurück nach Hamburg zu kommen, war aber auf jeden Fall richtig.

Sie hätten schon viel früher zurückkommen können. 2009 wollte Bernd Hoffmann Sie unbedingt als Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer zum HSV holen...

Knäbel:

...und er war tatsächlich nur eine Woche zu spät. Ich hatte gerade einen Vertrag beim Schweizer Verband unterschrieben, sonst wäre das sicherlich sehr reizvoll gewesen.

Warum steht auf Ihrer Visitenkarte Direktor Profifußball und nicht wie früher üblich Manager oder Sportchef?

Knäbel:

Über das Begriffswirrwarr im Fußball habe ich mich schon ein paar Mal gewundert. Im meinen Fall war uns nur wichtig, auch auf der Visitenkarte klar zu machen, dass meine Hauptaufgabe die Profimannschaft ist. Bernhard Peters ist für die langfristigen Strukturen verantwortlich, ich kümmere mich um das kurz- und mittelfristige Profigeschäft. Wichtig ist vor allem, dass wir eine Struktur schaffen wollen, die unabhängig von Einzelinteressen ist. Man muss den Laden nicht jedesmal umkrempeln, wenn beispielsweise ein Trainer mal ausgetauscht werden muss.

Das war in der Vergangenheit anders.

Knäbel:

Stimmt, aber es hat eben nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Ich finde es unverantwortlich, wenn bei jedem Trainerwechsel neun bis zehn Leute ausgetauscht werden. Man braucht in einem funktionierenden Fußballclub ein Mindestmaß an Stabilität.

Das bedeutet doch, dass man zukünftig nur noch auf einen bestimmten Trainertypen setzt. Alte Haudegen wie Felix Magath oder Huub Stevens werden sich kaum in ein Gerüst pressen lassen...

Knäbel:

Warum?

Weil gerade ein Magath den Anspruch hat, selbst zu entscheiden, welche Spieler und Assistenten ihm genehm sind.

Knäbel:

Also von mir aus würde ich einen bestimmten Trainertypen nie ausschließen. Klar ist aber auch, dass wir dahin kommen müssen, dass unsere Rahmenbedingungen akzeptiert und gelebt werden. Fällt das schwierig, dann passt es vielleicht eben mal nicht. Und ganz unabhängig davon haben wir ja mit Joe Zinnbauer gerade einen neuen Trainer, mit dem wir sehr zufrieden sind und der unseren Anspruch an einen modernen Trainer voll erfüllt.

Täuscht der Eindruck oder wird gerade verstärkt auf einen neuen Typus von Trainern gesetzt, der wie Hoffenheims Gisdol oder Zinnbauer nicht die Erfahrung von 100 Länderspielen vorweisen kann, dafür aber methodischer arbeitet?

Knäbel:

Diesen Eindruck habe ich auch. Früher war es doch so, dass immer Peter Neururer oder Jörg Berger da waren, wenn es gebrannt hat. Dieses ziemlich starre Trainerkarussell gibt es in dieser Form nicht mehr. Aktuell haben wir eine sehr spannende Trainergeneration, die sehr gut ausgebildet wurde.

Sie haben ja auch selbst einen Trainerschein. Könnten Sie sich einen Managerlehrgang nach Vorbild des Fußballlehrerlehrgangs vorstellen?

Knäbel:

Vorstellen kann ich mir das sehr gut. Das ist eine logische Frage, die allerdings von DFL und DFB beantwortet werden muss. Es geht ja schon lange nicht mehr darum, einfach nur den nächsten Spieler zu kaufen. Auf der anderen Seite wird uns die Arbeit ja auch immer mehr erleichtert. Wenn ich mich erinnere, was Helmut Schulte früher beim FC St. Pauli rumgurken musste, um sich Spieler anzuschauen. Heute kannst Du dank einer Cloud jedes Spiel der Welt auf dem Laptop schauen.

Letztendlich wird aber auch Ihr Erfolg daran gemessen, wie oft sie richtig auf dem Transfermarkt liegen.

Knäbel:

Die Erfolgsformel heißt: Vorbereitung trifft Gelegenheit. Die ist nicht von mir, aber ich finde sie gut. Nur wenn ich mich bestmöglich auf die nächste Transferperiode vorbereitet habe, kann ich eine günstige Gelegenheit wahrnehmen, wenn sie sich bietet.

Gibt es einen Zeitplan für die zehn Spieler, darunter Hochkaräter wie Rafael van der Vaart, Marcell Jansen oder Heiko Westermann, deren Verträge im kommenden Sommer auslaufen?

Knäbel:

Den werden wir aufstellen. Unabhängig von auslaufenden Verträgen will ich aber vorher mit jedem Spieler ein längeres Gespräch geführt haben. Ich will wissen, wie die Spieler fühlen, wie sie ticken, was sie denken. Mein erstes Gespräch war mit Rafael van der Vaart, zuletzt war Jaroslav Drobny dran. Wir sprechen viel, aber wir sprechen nicht über Verträge. Zumindest nicht in diesem Moment. Generell habe ich allen gesagt, dass es an Ihnen liegt, Werbung in eigener Sache zu machen.

Wollen die Spieler gar nicht Bescheid wissen über Ihre Zukunft?

Knäbel:

Wer Gesprächsbedarf hat, der darf jederzeit zu mir kommen. Natürlich haben wir einen Plan im Kopf. Dieser Plan sieht aber vor, dass wir die auslaufenden Verträge derzeit nicht angehen wollen.

Dürfen die Spieler Sie duzen?

Knäbel:

Ja. In der Schweiz habe ich gelernt, dass das keinesfalls etwas mit Autorität oder Respektlosigkeit zu tun hat.

Können Sie sich vorstellen, eine Wutrede zu halten, wenn es mal nicht so läuft?

Knäbel:

In der Kabine würde ich nur nach Absprache mit dem Trainer eine Rede halten. Aber in Krisensituation ist manchmal auch Härte erforderlich.

Haben Sie ein Beispiel für uns?

Knäbel:

Bei den olympischen Spielen in London musste ich mal einen Nationalspieler nach Hause schicken.

Wir erinnern uns. Der Schweizer Michael Morganella hatte nach einer knappen Niederlage gegen Südkorea übelste Beleidigungen getwittert...

Knäbel:

...die sogar fast zu diplomatischen Spannungen führten. Wir haben ein Krisenmanagement durchgezogen, ihn ins Flugzeug gesetzt und anschließend auf einer Pressekonferenz über die Gründe informiert. Der Vorfall hat bis in die Politik hohe Wellen geschlagen. Und all das wegen eines Tweets.

Gerade Fußballer lieben Twitter.

Knäbel:

Fußballprofis sollten heutzutage sehr genau wissen, was sie tun und lassen müssen, um ihre beste Leistung abzurufen. Da darf man dann schon mal darauf hinweisen, dass dieses ständige Gezwitscher vom Fokus ablenkt. Beim HSV ist das Twittern im Mannschaftsbus und in der Kabine verboten.

Nutzen Sie Twitter und Facebook?

Knäbel:

Nein. Für mich persönlich sind Twitter und Facebook ein riesiger Ablenkungsapparat. Ich nutze mein Handy zum mailen, surfen und ganz klassisch zum telefonieren.

Hat HSV-Investor Klaus-Michael Kühne, der Ihren Vorgänger Oliver Kreuzer direkt zum Start als Drittligamanager bezeichnete, schon bei Ihnen angerufen?

Knäbel:

Nein, es hat noch keinen Kontakt gegeben. Ich würde jetzt nicht vor Herrn Kühne davon laufen, ganz im Gegenteil. Ich habe ja großen Respekt vor seiner Lebensleistung und seinem Engagement für den HSV.

Früher oder später wird er auch Ihre Arbeit bewerten.

Knäbel:

Das mag sein, aber das macht mich nicht nervös. Ich hatte ja auch schon in Basel mit der Milliardärsgattin Gigi Oeri zu tun. Wenn Herr Kühne mich kennenlernen möchte, dann hätte ich überhaupt keine Berührungsängste.

Frank Arnesen wurde einst als Sportchef mit dem dicksten Adressbuch Europas beim HSV vorgestellt. Wie ist das bei Ihnen? Müssen Sie nach fünf Jahren als Verbandsangestellter zunächst mal wieder Kontakte auffrischen?

Knäbel:

Das muss ich, wobei die Kontaktpflege kein Hexenwerk ist. Wenn ich Ihnen zeigen würde, wer sich alles bei mir so meldet, dann muss ich sagen, dass die Kontaktaufnahme mit Spielerberatern ein Selbstläufer ist.

Haben Sie selbst einen Berater?

Knäbel:

Ich habe keinen und ich hatte auch nie einen. Und im Großen und Ganzen bin ich gut damit gefahren. Nur einmal hat mich der Präsident von Winterthur gefragt, ob ich eigentlich Schwarzgeld genommen hätte. Das konnte ich guten Gewissens verneinen.