Mit Peter Knäbels Amtsantritt als Direktor Profifußball soll das letzte Mosaikstück für eine verheißungsvolle HSV-Zukunft gefunden sein. Sorgen macht aber noch die Gegenwart.

Hamburg. Es ist schon erstaunlich, wie viele Wörter man für ein und dasselbe gebrauchen kann. Ein Dreigestirn hätte der HSV jetzt, sagte Dietmar Beiersdorfer am Mittwochnachmittag. Von einem Trio sprach Peter Knäbel, der zwei Plätze neben dem Vorstandsvorsitzenden auf dem Pressepodest im ersten Stock der Imtech Arena Platz genommen hatte. Und als sich die beiden HSV-Verantwortlichen wenig später symbolträchtig gemeinsam mit Bernhard Peters im Innenraum des Stadions fotografieren ließen, wurde auch noch wahlweise von einer Troika oder gar etwas pathetisch vom neuen HSV-Triumvirat gesprochen.

Sei’s drum. Mit Peter Knäbels Amtsantritt am Mittwoch, einen Tag vor seinem 48. Geburtstag, ist auf den Tag mit dreimonatiger Verspätung Hamburgs neue Führungsspitze komplett. Es ist das erste Mal in der HSV-Geschichte, dass gleich drei Fußballexperten die operativen Entscheidungen treffen: Beiersdorfer (Clubchef), Knäbel (Direktor Profifußball) und Peters (Direktor Sport). „Es geht ja auch immer um Konstellationen. Wir haben versucht, eine Konstellation zu schaffen, die ein Dreigestirn vorsieht“, erklärte Beiersdorfer, der mit der Verpflichtung Knäbels für 100.000 Euro vom Schweizer Verband das „Set-up“ der neuen HSV AG für vollständig erklärte: „Von Anfang an war es unser Ziel, den Fokus auf den Sport zu legen.“

Der frühere St. Paulianer Knäbel, der zwischen 1988 und 1993 fünf Jahre am Millerntor spielte, wollte bei seiner Präsentation gar nicht verhehlen, dass es ganz und gar nicht Liebe auf dem ersten Blick war. Eher im Gegenteil. Bernd Hoffmann war der Erste gewesen, der Knäbel bereits 2009 zum HSV lotsen wollte – als Nachfolger Beiersdorfers. Auch Frank Arnesen hatte mal angefragt und zuletzt Vorgänger Oliver Kreuzer. Klick habe es aber erst gemacht, als eben Beiersdorfer anklopfte und dem Fußballfachmann einen Wechsel in „meine absolute Lieblingsstadt“ (O-Ton Knäbel) mit der speziellen Dreierkonstellation schmackhaft machte. Aller guten Dinge sind drei – oder in diesem Fall sogar vier.

„Die Kombination aus Beiersdorfer, Knäbel und Peters ist genau das, was der HSV gebraucht hat“, sagt auch Helmut Schulte, der Peter Knäbel wie kaum ein Zweiter kennt. Der frühere St.-Pauli-Manager und heutige Sportchef von Fortuna Düsseldorf war es, der Knäbel 1988 aus Bochum zum FC St. Pauli nach Hamburg lotste. „Peter war noch ein ganz junger Spieler. Aber man hatte schon damals das Gefühl, dass er einer ist, der über den Tellerrand des eigenen Spiels hinausschaut“, sagt Schulte, der sich bis heute „freundschaftlich verbunden“ mit seinem einstiegen Schützling fühlt. „Aus Peter hätte auch ein guter Trainer werden können“, sagt Schulte, der betont, dass er kein „Gefälligkeitsgutachten“ erstelle. Er habe tatsächlich eine hohe Meinung von Beiersdorfer, Peters und vor allem Knäbel, auf dem nun „eine Reihe von sehr, sehr schweren Entscheidungen warten“.

Kaum Zeit zur Eingewöhnung

Tatsächlich hat Knäbel durch den verspäteten Start kaum Zeit zur Eingewöhnung. Der bisherige Technische Direktor der Schweiz muss den Spagat schaffen, zum einen perspektivisch zu arbeiten und den zweiten Umbruch in Folge mit zwölf auslaufenden Verträgen vorzubereiten, sich zum anderen aber auch der brisanten aktuellen Situation zu widmen. Der HSV ist Tabellenletzter, hat nur zwei Punkte und lediglich ein Tor auf dem Konto. Knäbel soll nun ganz nah an der Mannschaft dran sein, so Beiersdorfer, sich die Trainingseinheiten anschauen, mit Trainer Josef Zinnbauer austauschen und so als eine Art „Kommunikator“ auftreten. Beim Spiel gegen Borussia Dortmund wird das bisherige „Superhirnli“ der Schweizer bereits neben Zinnbauer auf der Bank Platz nehmen. Die Eidgenossen hatte er seit 2009 zielstrebig in die Top Ten der Weltrangliste geführt. Im Fußball wohlgemerkt, nicht im Ski alpin.

Mit der Ruhe beim Schweizer Verband, wo Knäbel in den vergangenen fünf Jahren nach Belieben schalten konnte, ist es in Hamburg nun aber vorbei. „Peter wird sich das genau überlegt haben, ob er nach Hamburg geht“, sagt Schulte, der als früherer St.-Pauli-Macher über Jahre aus nächster Nähe das besondere Club-Umfeld des HSV beobachten konnte. Und dieses bleibt auch nach der Umwandlung in eine AG außergewöhnlich. So gesellt sich zum operativen Führungstrio noch das Aufsichtsratsduo mit dem mächtigen Chefkontrolleur Karl Gernandt und Vize Thomas von Heesen dazu. Beide waren zuletzt direkt an der Entlassung Slomkas beteiligt. „Ich habe bewusst die Komfortzone verlassen, um Neues zu lernen“, bleibt Knäbel unerschrocken.

Eine vergleichbare Führungsstruktur mit gleich fünf Persönlichkeiten an der Spitze sucht man in der Bundesliga aber vergeblich. Ähnlichkeiten findet man lediglich bei zwei Clubs: Beim FC Bayern mit dem Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, Sportdirektor Matthias Sammer, dem Technischen Direktor Michael Reschke und Aufsichtsratschef Herbert Hainer. Und bei Borussia Dortmund mit Präsident Reinhard Rauball, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportchef Michael Zorc. Der Hauptunterschied zum HSV: Mit Münchens Pep Guardiola und Dortmunds Jürgen Klopp komplettieren zwei mächtige Trainer die Führungszirkel der beiden Top-Clubs.

Spitze bewusst gewählt

Die vielköpfige HSV-Spitze ist jedoch beim HSV ganz bewusst gewählt. Denn in den vergangenen Jahren hat es seit Beiersdorfers Weggang als Sportchef 2009 nie wieder geballte Fußballkompetenz in den Führungsgremien des HSV gegeben. „Jetzt hat uns nur noch dieser letzte Baustein Knäbel gefehlt“, sagt Beiersdorfer, und erklärt: Peters sei grundsätzlich für den Bereich Struktur und Konzept verantwortlich, würde also horizontal eine einheitliche Linie im Club von den Kleinsten bis zum Bundesligakader vorgeben. Knäbel arbeite von nun vertikal, soll sich vorrangig um die Profis an der Spitze und die Schnittstelle zum U23-Team darunter kümmern.

Knäbel selbst legte auch direkt los. Vom Flughafen machte sich das gebürtige Ruhrpottkind, das erstmals in Dortmund als Balljunge Bundesligaluft schnuppern durfte, bereits am Dienstagabend auf den Weg zu Zinnbauer und dessen Assistent Patrick Rahmen. Am Mittwoch traf Knäbel zunächst Teammanager Marinus Bester, anschließend stellte er sich der Mannschaft vor.

„Der HSV ist wie ein Puzzle mit 1000 Teilen, das auf den Boden und auseinandergefallen ist“, sagt Knäbel, der ein Haus in Othmarschen oder Klein Flottbek sucht, „nun geht es darum, dieses Puzzle wieder zusammenzusetzen.“

Das HSV-Puzzle in der Führung ist seit Mittwoch schon mal komplett.