Nur mit magischen Kräften, so scheint es, ist dieses Team wieder nach oben zu führen. Mirko Slomka müsste eine Runderneuerung wagen

„Wir sind schockiert und müssen viele Dinge aufarbeiten.“ Hat HSV-Trainer Mirko Slomka vor sieben Tagen gesagt, nach der unfassbaren 0:3-Pleite gegen Paderborn. Und? Wie geht es Ihnen heute? Haben Sie diesen Schock schon verdaut? Um ehrlich zu sein, mir steckt er noch tief in den Knochen. Daran hat auch das 2:4 der weltmeisterlichen deutschen B-Vertretung gegen Argentinien nichts geändert. Der HSV hat vor einer Woche seine Anhänger aus allen Träumen gerissen; mit der Konsequenz, dass es nach diesem peinlichen Auftritt mehrheitlich Stimmen wie diese gab: „Das war noch grausamer als in der Vorsaison, obwohl doch alle glaubten, dass es in Sachen Horror-Fußball keine Steigerung mehr geben würde.“ Aber man lernt eben nie aus!

Da gab es beim HSV nicht nur die längste Saisonvorbereitung aller Zeiten, sondern auch die härteste seit Jahren. Und nach innen und außen schienen alle Beteiligten äußerst zufrieden zu sein. Endlich geht der HSV fit in die neue Spielzeit, alles schien bestens. Trainer Slomka setzte auf Tempo-Fußball, besonderes Markenzeichen: schnelles Umschalten. Doch nichts davon war bislang zu sehen. Im Gegenteil, das HSV-Spiel wirkt immer noch antiquiert und höchst langsam.

„Aus lahmen Ackergäulen sind eben keine Rennpferde zu machen“, schallt es den Verantwortlichen aus allen Ecken entgegen. Weil Slomka bis auf Neuzugang Valon Behrami genau jene Profis spielen ließ, die für den Fastabstieg im Sommer verantwortlich zeichneten. Die fehlende Fitness war es offenbar nicht allein, die den Traditionsclub von der Rothenbaumchaussee fast in den Abgrund geführt hätte. Es liegt auch an der Qualität des Teams, das wird sich jetzt auch der allergrößte HSV-Optimist eingestehen müssen.

„Ich kenne keinen Trainer auf der Welt, der dem HSV helfen könnte. Ein neuer Trainer müsste schon ein Zauberer sein. Ein normaler Mensch jedenfalls hätte kurzfristig keine Chance, den HSV wieder nach oben zu führen.“ Hat im September 2011 der Wahrsager Franz Beckenbauer vorhergesagt. Und liegt damit bis heute hundertprozentig richtig. Zaubern konnten sie alle nicht, und auch Slomka wird nicht noch kurzfristig auf einen neuen Beruf umsatteln. Dass er sich überhaupt schon zutraute, diesem HSV, dem „alten“ HSV, Tempo-Fußball zu verordnen, das nährte jene Vermutung, dass es Slomka dann doch mit Harry Potter, Merlin, Pan Tau, Catweazle, Hanussen oder dem Zauberer von Oz aufnehmen wollte.

Dieses Vorhaben scheint (wohl) gescheitert. Und wenn der HSV, saisonübergreifend seit neun Spielen sieglos, am Sonntag in einer Woche bei Hannover 96 um Bundesliga-Punkte kämpfen wird, sollte schon eine runderneuerte Hamburger Mannschaft auf dem Rasen stehen. Nur so nämlich hat der HSV (und sein Trainer) noch die Chance, die so sehnsüchtig erwartete Wende tatsächlich noch herbeizuführen. Das „alte“ Team jedenfalls hat alles verwirkt, was nach einer erneuten Chance der Bewährung aussehen könnte.

Deswegen sei allen Männern, die diese prekäre Situation jetzt für den HSV meistern sollen, noch einmal dringend empfohlen, alles nur Mögliche für den Umschwung zu tun. Alles. Und da ist nicht allein nur eine harte und noch härtere Vorbereitungszeit gefragt, da sollte auch akribisch, hart und emsig im Alltag gearbeitet werden. Am besten viel mehr als alle anderen.

„Wenn man einmal am Tag sehr gut trainiert, ist ein zweites Training nicht nötig.“ Diesen eminent wichtigen Lehrsatz für den Profifußballer von heute hat im Januar 2014 HSV-Coach Bert van Marwijk kreiert und damit viele neue Freunde für sich gewinnen können. Käme nun Mirko Slomka auf die Idee, tatsächlich zweimal am Tag trainieren zu lassen – und damit ist nicht nur die stumpfe Konditionsarbeit gemeint, sondern auch das Üben von Standards und das Beheben persönlicher Schwächen – dann würde sich der HSV-Trainer der Saison 2014/15 auch und tatsächlich neue Freunde machen. Eventuell sogar nur noch dann. Übrigens: An diesem Wochenende haben die HSV-Profis trainingsfrei.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab