In Heimspielen gegen vermeintliche Außenseiter enttäuscht der HSV seit Jahren. Am Sonnabend kommt Paderborn

Größer können die Gegensätze in Sachen Bundesliga-Geschichte ja nicht sein: An diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) spielt in der Imtech-Arena der langjährigste Bundesliga-Club gegen den allerneuesten. 1731 Spiele in der höchsten deutschen Liga treffen auf genau eines, Gründungsmitglied Hamburger SV gegen den SC Paderborn, den 53. Verein, der seit 1963 in der höchsten deutschen Klasse mitspielen darf. Ein Exot? „Paderborn hat einen klaren und eindeutigen Plan“, sagt HSV-Trainer Mirko Slomka, „Das ist nicht der Viererbob von Jamaika, das ist eine richtig gute Mannschaft.“

Ernst nehmen, vorbereiten, seriös arbeiten. Den Gegner keinesfalls unterschätzen – und wirke er auch noch so klein. Slomka gibt vor der Heimpremiere der neuen Saison größte Ernsthaftigkeit vor. „Wir gehen in jedes Spiel, als sei es ein Finale, egal ob gegen Bayern oder Paderborn“, erklärt Slomka, „nur so bekommen wir Sicherheit und Souveränität zurück.“

Der Fußballlehrer ist zwar erst seit dem 17. Februar beim HSV tätig, die schwache Heimbilanz gegen tatsächlich und vermeintlich kleine Clubs in den letzten Jahren kennt er aber natürlich. In unschöner Regelmäßigkeit haben sich die Hamburger Kicker durch enttäuschende Ergebnisse die Möglichkeit zu einem besseren Abschneiden verbaut und die Geduld ihrer Fans auf harte Proben gestellt.

In der vergangenen Fast-Abstiegssaison gab es insgesamt nur fünf Heimsiege, davon zwei Überraschungen gegen Dortmund und Leverkusen und tatsächlich die beiden überlebenswichtigen Dreier gegen die direkten Absteiger Nürnberg und Braunschweig. Dagegen standen sieglose Heimspiele gegen Clubs wie Bremen, Augsburg, Hertha BSC, Mainz, Frankfurt und Freiburg. Alles Mannschaften, mit denen der HSV personell und substanziell mithalten können müsste.

„Wir sind gut beraten, jeden Gegner so ernst zu nehmen, als ob es gegen Bayern München geht“, sagte Marcell Jansen nun vor dem Paderbornspiel und spricht damit indirekt ein Mentalitätsproblem an, dass hoffentlich in der nun begonnen Saison überwunden wird. Doch ob das von jetzt auf gleich geht, erscheint zumindest zweifelhaft. In den vergangenen vier Jahren haben einschließlich Slomka fünf Cheftrainer bei Heimspielen auf der Bank gesessen, dazu zweimal Interimscoach Rodolfo Cardoso, doch die Bilanz gegen „schlagbare“ Gegner war stets armselig.

2010/11 gab es Pleiten gegen Nürnberg, St. Pauli, Mainz und Freiburg sowie ein Unentschieden gegen Nürnberg. In der Saison 2011/12 wurde zu Hause gegen Berlin, Köln, Kaiserslautern, Augsburg, Bremen und Mainz nicht gewonnen. 2012/13 verspielte der Verein in der Rückrunde eine mögliche Teilnahme an der Europa League durch Heimniederlagen gegen Frankfurt, Augsburg und Freiburg sowie ein Unentschieden gegen Fürth. Besonders auffällig: In diesen vier Jahren konnte der HSV gegen Freiburg vor eigenem Publikum gar nicht gewinnen, gegen Mainz nur einmal und Augsburg hat in seinen drei Jahren Bundesliga nie in Hamburg verloren.

Und jetzt kommt Paderborn. Der krasse Außenseiter

Slomka ließ am Donnerstag im Trainingsspiel seine A-Mannschaft gegen die Reservisten antreten. Immer wieder unterbrach er allerdings den Spielfluss, war unzufrieden mit den Angriffsbemühungen. „Du musst hinter die Viererkette kommen“, pfiff er Ivo Ilicevic an, als der wieder einmal ein Querabspiel aus dem Halbfeld versuchte, statt den Weg zur Grundlinie zu gehen. „Wir müssen temporeich nach vorne spielen, bessere Lösungsmöglichkeiten im Angriff finden“, fordert der HSV-Trainer, „in Köln haben wir gute Ansätze gehabt, aber gesehen, dass die Möglichkeiten in der Offensive begrenzt waren.“ Es ist also nicht auszuschließen, dass deshalb Artjoms Rudnevs als zweite Spitze neben Pierre-Michel Lasogga einen Chance bekommt. „Rudi brennt auf seinen Einsatz, er hat sehr gut trainiert“, sagt Slomka.

Als „größter Außenseiter der Bundesligageschichte“ hat Paderborns Trainer Andé Breitenreiter selbst sein Team im Abendblatt-Interview bezeichnet. Doch er hat aus seinem Mini-Etat von 15 Millionen Euro eine funktionierende Einheit geschaffen, die beim 2:2 gegen Mainz vor ihrem ersten Bundesligasieg stand. „Ich erwarte einen Gegner, der sehr verbissen antreten wird. Die Mannschaft ist sehr griffig, spielt selten einen Pass rückwärts“, hat der HSV-Trainer beobachtet: „Es war ein guter Einstand von Paderborn, wir sind gewarnt.“

Slomka hat das Team von André Breitenreiter übrigens schon zum Ende der letzten Saison intensiv beobachten lassen, als die Möglichkeit bestand, dass beide Teams in der Relegation aufeinander treffen würden. Gegner im Kampf um die Bundesliga aber wurde schließlich Greuther Fürth – einen Heimsieg gab es auch da nicht.