Nur körperliche Fitness reicht nicht, um am Sonnabend beim 1. FC Köln erfolgreich in die 52. Bundesliga-Saison zu starten

Das wäre traumhaft. Und auch eine faustdicke Überraschung. Wenn der HSV zum Auftakt der 52. Saison der Fußball-Bundesliga einmal schneidig, couragiert und furios loslegen würde. So wie zuletzt Pokalgegner Energie Cottbus. Oder nach besser: Wie Bayer Leverkusen in der Champions-League-Qualifikation in Kopenhagen am Mittwoch mit dem überragenden ehemaligen Hamburger Hakan Calhanoglu. Haben Sie dieses Spiel gesehen? Da müssen Sie beeindruckt gewesen sein von dem, was die Westdeutschen 90 Minuten lang spielten. Spielten? Nein, sie liefen wie die Wiesel. 90 Minuten plus Nachspielzeit. Sie attackierten jeden dänischen Spieler, der egal wo mit dem Ball unterwegs war. Sie attackierten zu zweit, zu dritt und zu viert. Ein Traum.

Damit verbunden ist dann auch gleich Frage zwei: Wann haben Sie den HSV zuletzt so lauffreudig, kampfeslustig und willensstark erlebt oder gesehen? In diesem Jahrtausend? Eher nicht. Man muss schon sehr weit zurückblicken, und dann stößt man auf Spiele, die zu glorreichen Happel-Zeiten stattfanden und unter dem Motto „Pressing“ abliefen. In der jüngeren Vergangenheit jedoch spielte der HSV mit einer anderen Taktik: Abwartend, verhalten, erst einmal sehen, was der Gegner so macht. Wie zuletzt in Cottbus. Bei einem Drittliga-Club.

Die Auswärtshürde an diesem Sonnabend aber liegt noch ein wenig höher. Der 1. FC Köln wird vor ausverkauftem Haus, mit euphorischen Fans im Rücken und mit dem Elan eines Aufsteigers, mächtig zur Sache gehen. Unter solchen Umständen würde sich wahrscheinlich auch fast jede andere Mannschaft schwer tun. Doch gerade deshalb wäre es toll, wenn sich der HSV tatsächlich einmal zu einer Lauf-Leistung, wie sie Leverkusen in Dänemark voller Hingabe gebracht hat, hinreißen ließe.

Das wäre ein Traum!

Die Realität aber nährt eine solche Hoffnung kaum. Der HSV hielt in Cottbus zwar dank einer langen und harten Saison-Vorbereitung bis zehn Minuten vor Schluss der Verlängerung mit, was an sich schon als großer Erfolg zu werten ist, aber 90 Minuten attackieren, dazu reicht es dann doch noch nicht. Ein ganzes Spiel im Höchsttempo laufen, vorne, hinten und überall zu sein, blitzartig umschalten, wenn man im Ballbesitz ist – das erfordert auch ein harmonisches Miteinander. Dazu müsste sich das Team einig sein, dazu müsste jeder Profi Willens sein, dem Nebenmann die nötige Unterstützung zu gewähren. Ein wunder Punkt, an dem es beim HSV schon seit Jahren mangelt. Nur gemeinsam ist man stark – das muss sich nach langer Abstinenz erst wieder finden.

Bislang hat der Club mit Stieber, Ostrzolek, Müller, Behrami und Cleber fünf neue Spieler unter Vertrag genommen, eventuell könnte noch eine weitere Verstärkung (oder sogar zwei?) bis zum Ablauf der Transferperiode am 2. September um zwölf Uhr hinzukommen. „Unser wahres Leistungsvermögen können wir alle noch gar nicht richtig einschätzen, da blicken wir erst im Winter sicher besser durch“, sagte HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer in einem Interview auf der Vereinshomepage. Ich bin überzeugt davon, dass er und seine Mitstreiter in der HSV-AG es richten werden, auch wenn dazu noch viel Geduld aufgebracht werden muss.

In 14 Saison-Auftaktspielen hat der HSV in diesem Jahrtausend vier Siege (zweimal Hannover sowie gegen Nürnberg und Schalke) einfahren können, in fünf Begegnungen gab es eine Punkteteilung, fünf Partien gingen verloren. Eine höchst mittelmäßige Statistik. Und fußballerisch überzeugt hat der HSV dabei höchst selten. Diesmal aber scheinen die körperlichen Voraussetzungen verbessert, auch wenn diese Mannschaft noch lange nicht und schon gar nicht 90 Minuten attackieren kann. Wenn Slomkas Mannschaft aber mental darauf eingestellt ist, dass dieses Spiel natürlich noch einmal deutlich schwerer wird als die Cottbus-Partie, dann müsste dieser HSV eigentlich in der Lage sein, besser dagegenzuhalten als zuletzt. Und vielleicht gibt es dann in Köln ja doch – aus Hamburger Sicht – eine positive Überraschung.