Der Brasilianer Cléber absolviert am Donnerstag den Medizincheck und soll rund drei Millionen Euro kosten

Das Internet-Lexikon Wikipedia war am Dienstagmorgen seiner Zeit mal wieder ein wenig voraus. Wer in dem digitalen Nachschlagewerk den zauberhaft klingenden Namen Cléber Janderson Pereira Reis eingab, der erfuhr nicht nur, dass der brasilianische Innenverteidiger ganz simpel auf den Namen Cléber hört, 24 Jahre alt ist und zuletzt für den brasilianischen Traditionsverein Corinthians São Paulo gespielt hat. Viel mehr hieß es in der Netz-Enzyklopädie determinativ, dass der Fußballer bereits bei einem neuen Verein unter Vertrag stehe: beim HSV.

Ganz so schnell dreht sich die analoge Welt dann doch nicht. Obwohl man beim HSV eilig versicherte, dass der umworbene Abwehrmann auch noch nicht in Hamburg sei, wie es von brasilianischen Medien berichtet wurde, wollte man das starke Interesse am 1,87 Meter großen Verteidiger auch nicht dementierten. Warum auch? Wie das Abendblatt erfuhr, landet Cléber bereits an diesem Mittwoch in Fuhlsbüttel, soll am Donnerstagmorgen seinen Medizincheck im UKE absolvieren, einen Vierjahresvertrag unterschreiben und ex post Wikipedia recht geben.

„Der HSV ist meine große Chance“, sagte Cléber dem Abendblatt, kurz bevor er sich auf die Reise nach Deutschland machte. Er habe sich ausführlich bei seinem Noch-Mitspieler Paolo Guerrero über die Stadt und den Verein informiert und freue sich nun sehr auf das Abenteuer Bundesliga. „Hamburg hatte in der vergangenen Saison Schwierigkeiten, aber der Club ist noch immer eine große Nummer.“ Alle Transferdetails seien besprochen, nach dem Medizincheck würden nur noch die Vertragsunterschriften fehlen.

Bleibt eine Frage: Wer ist eigentlich dieser Cléber, dessen Trainer Mano Menezes behauptet, dass er noch nicht reif sei für einen Wechsel nach Europa? „Da muss ich widersprechen“, sagt Ex-HSV-Profi Zé Roberto, der häufiger gegen Cléber gespielt hat und große Stücke auf den Abwehrmann hält. „Cléber ist ein Abwehrjuwel. Bei Corinthians spielt er eine überragende Saison. Er ist robust und wendig. Für mich ist es eine logische Entscheidung, nun den Schritt nach Europa zu wagen“, sagt Porto Alegres Zé Roberto, der zudem glaubt, dass sich Cléber in seiner neuen Heimat schnell einfinden wird: „Fußballerisch wird er keine Probleme haben. Nur an die Sprache und die neue Kultur muss er sich zunächst mal gewöhnen, aber das wird er sehr schnell schaffen.“

Tatsächlich konnte sich der gebürtige Bahianer in Brasilien erst vergangenes Jahr nach seinem Transfer von Ponte Preta zum Paolo-Guerrero-Club Corinthinas so richtig in den Fokus spielen. Nachdem Abwehrkonkurrent Paulo André zu Shanghai Shenhua gewechselt war, nutzte Cléber seine Chance und erkämpfte sich schnell einen Stammplatz. „Dank Cléber stellt Corinthians die beste Abwehr der Liga“, lobt Zé Roberto. Und wirklich: Mit Cléber kassierte Corinthians in der laufenden Saison gerade mal sieben Gegentore in 15 Spielen, was auch Brasilienliebhaber Dietmar Beiersdorfer nicht verborgen geblieben ist. Der HSV-Clubchef hatte schon in seiner Zeit als Sportchef versucht, mit den Transfers von Alex Silva und Thiago Neves einen Fuß in die Tür zum lukrativen brasilianischen Markt zu bekommen, was nur mäßig gelang. Silva und Neves floppten, das Interesse an Brasilien erlosch allerdings keineswegs. In seiner Zeit bei Zenit St.Petersburg holte Beiersdorfer etwa den Brasilianer Hulk für 55 Millionen Euro.

Ganz so viel muss der HSV für Cléber nicht ausgeben, ein Schnäppchen wird der Südamerikaner aber auch nicht. Rund drei Millionen Euro soll Beiersdorfers Wunschspieler kosten. Das Problem: Wie in Brasilien üblich, besitzen gleich mehrere Parteien Anteile an dem Abwehrmann. Zehn Prozent der Rechte soll der Spieler selbst halten, weitere zehn liegen bei Beto Rappa, 80 Prozent soll sich eine Gruppe um den Agenten Fernando Garcia gesichert haben, zu der auch Guilherme Miranda gehört. Zur Erinnerung: Miranda, ein Geschäftsmann der im brasilianischen Fußball umtriebigen Sonda-Gruppe, hatte auch den HSV-Transfer von Neves verhandelt.

Als Beiersdorfer nun erfuhr, dass Corinthians aus finanziellen Gründen nicht von der Option Gebrauch machte, sich bis Mitte April 20 Prozent der Rechte an Cléber zu sichern, wurde Hamburgs Vorstandsvorsitzender hellhörig. Unbemerkt reiste er vergangene Woche nach Brasilien, schaute sich das Derby Corinthians gegen Santos an und verhandelte anschließend die Details des Deals in São Paulo.

Überraschend ist der Zeitpunkt des Kaufs. Schließlich hatte noch vor einer Woche HSV-Trainer Mirko Slomka gesagt, dass der Club zunächst mal Spieler verkaufen müsste, ehe neue verpflichtet werden können. Da Beiersdorfer aber auch gute Gespräche mit potenziellen Interessenten für gleich mehrere abzugebende HSV-Profis hatte, entschloss sich der Verein zum Handeln. Eine gute Entscheidung, glaubt Zé Roberto: „Der HSV hatte zuletzt große Probleme in der Defensive, deswegen musste er auf dem Transfermarkt tätig werden.“

Spannend wird sein, wie sich der Transfer für die Innenverteidiger Heiko Westermann und Jonathan Tah auswirkt. Westermann hatte seinen verlorenen Stammplatz gerade erst zurückerobert und mit einem Tor in Cottbus untermauert, Nachwuchshoffnung Tah hatte auf einen frischen Neustart gehofft. Laut Wikipedia sind die beiden zwar noch immer beim HSV unter Vertrag. Ob das allerdings ein gutes Zeichen ist, dürfte spätestens seit diesem Dienstag fraglich sein.