Mit einem GPS-System auf dem Rücken zur Kontrolle sollen die HSV-Profis in diesen Tagen körperliche Grenzerfahrungen sammeln

Stegersbach. Mirko Slomka war gut drauf. Als er nach der Vormittagseinheit auf das bereitgestellte Mountainbike stieg, um die drei Kilometer zum Mannschaftshotel zurückzuradeln, sagte er noch: „Mal sehen, ob die Bremsen funktionieren.“ Kurze Pause. „Aber egal. Wer bremst, verliert.“

Natürlich überstand der HSV-Trainer die kurze Tour unbeschadet, wie überhaupt die Vorbereitung bisher weitgehend reibungslos verläuft. Einzig Pierre-Michel Lasogga (schmerzhafte Kapselverletzung) konnte noch nicht auf den Platz, sondern absolvierte eine eineinhalbstündige Ausdauereinheit auf dem Fahrrad: „Er hat noch Nachholbedarf, weil er später eingestiegen ist“, sagte Slomka, der hofft, den Stürmer ab Mittwoch wieder ins normale Training integrieren zu können.

Wer bremst, verliert – so könnte auch das Motto für das Trainingslager in Österreich lauten, das Slomka auch als „Woche des Willens“ tituliert. Vollgas ist jetzt gefragt. „Während der Saison besteht die Kunst darin, die Spieler jedes Wochenende auf ein Top-Niveau zu bringen und das Training richtig zu dosieren, nicht zu wenig oder zu viel zu machen. Hier hingegen gilt es, die Spieler teilweise über die Grenzen hinaus zu bringen, den Willen zu schulen, damit sie sehen, was ihr Körper leisten kann.“ Der Wille und das Entwickeln von Selbstvertrauen, das sind zwei Punkte, die ganz oben auf seiner Agenda stehen. „Gegen Gladbach hat man gesehen, wie die Mannschaft nach einer Führung ganz anders aufgetreten ist.“

Das Muster von Slomkas Vorgehen in Stegersbach: Viele taktische Spielformen mit Sonderregeln für die einzelnen Mannschaftsteile in unterschiedlichen Intensitätsformen, um beispielsweise das Unterzahlspiel der Verteidiger zu üben. Jeden Tag versucht der HSV-Coach, zumindest einige Minuten „Elf gegen Elf“ spielen zu lassen, aber immer mit Dampf. „Tempo. Tempo!“, ist eines der Lieblingsworte Slomkas.

Am Nachmittag folgte dann die erste Grenzerfahrung für die Profis. 18-mal 200 Meter in 36 Sekunden, ein hammerharter Schlusspunkt der knapp zweistündigen Schicht. Am Vortag gab es schon Stabilisationsübungen mit Medizinbällen – die Erinnerung an einen früheren HSV-Trainer mit dem Spitznamen „Quälix“ wurde unweigerlich reaktiviert. So verschwitzt und keuchend hat man die HSV-Spieler in den vergangenen Jahren kaum gesehen.

Wie immer wird das Training von Analyst Sören Meier mit der Kamera aufgezeichnet. So kann Slomka mittels Videoschnitten – wie am Montagabend geschehen – den Spielern sofort Defizite aufzeigen. Am Dienstag kam auch erstmals ein GPS-System der Firma Adidas zum Einsatz: ein schwarzes Unterziehhemd mit integriertem Sender, das die Lauf- und Sprintwege jedes Spielers misst und von einem mit einer zwei Meter hohen Antenne ausgestatteten Kasten eingefangen werden.

Ausgewertet werden die Daten von Leistungsdiagnostiker Matthias Hoppe (Uni Wuppertal), der ebenfalls im Stab dabei ist und über wertvolles Vergleichsmaterial aus der Ära Slomka in Hannover verfügt. „Die Arbeit ist aufwendig, aber so können wir beispielsweise sehen, wie sich die Sechser im Mittelfeld bewegt haben – und wie viel.“ Die Technik soll künftig auch bei Testkicks zum Einsatz kommen. In Pflichtspielen ist sie noch verboten.

Der Eindruck, dass die Belastungen deutlich angezogen haben, wird von den Spielern bestätigt. „Ich bin schon etwas müde, vom Kopf und vom Körper her“, sagt Gojko Kacar und fügt grinsend hinzu: „Ich habe dem Trainer im ersten Gespräch nach meiner Rückkehr gesagt, dass ich mehr Training brauche, um wieder auf Bundesliga-Niveau zu kommen. Ich glaube, das hat er falsch verstanden. Das ist mit Abstand die längste Vorbereitung meiner Karriere ...“

Auch Johan Djourou, der nach der WM nur zwei Wochen urlaubte, bestätigt: „Der Trainer versucht alles, damit die Mannschaft bereit ist. Er macht es uns nicht einfach.“ Zugleich verspürt der Innenverteidiger eine Aufbruchstimmung in der Mannschaft: „Das Gute am Fußball ist, dass du in einer neuen Saison die Chance bekommst, es besser zu machen.“ Auch dem Schweizer ist nicht entgangen, dass während der Einheiten mehr miteinander geredet wird. „Das ist enorm wichtig, wir dürfen dabei auch kritisch sein. Aber wenn alle insgesamt positiv bleiben, ist das immer besser für eine Mannschaft.“

Denn: Es kracht auch mal im Training. Tolgay Arslan und Dennis Diekmeier gerieten aneinander, ein anderes Mal pöbelten sich Petr Jiracek und Jacques Zoua an wegen unterschiedlicher Ansichten über die Defensivarbeit. So willkommen die gewisse Aggressivität ist, die durch Kleinfeldspiele mit vielen Zweikämpfen gefördert werden kann, so gilt es wie bei den Belastungen, die richtige Mischung zu finden.