HSV-Torwart René Adler spricht offen über das Ende seiner Karriere beim DFB und seine schlimmen Schmerzen

Hamburg. Nach dem erfolgreich absolvierten China-Trip dürfen die HSV-Spieler bis zum kommenden Sonnabend entspannen, wenn Teil zwei der zweimonatigen Vorbereitung beginnt. René Adler, der im zweiten Testspiel gegen Guangzhou R&F sein Comeback nach seiner Bandscheibenverletzung feiern konnte, wird indes häufiger bei der HSV-Arena anzutreffen sein. Der Torwart will die freie Zeit zum zusätzlichen Training nutzen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Adler, wie haben Sie die Spiele der Nationalmannschaft verfolgt?

René Adler:

Natürlich zwiegespalten. Bis vor wenigen Wochen war ich noch Nationalspieler. Schwebezustand, so könnte man das nennen, worin ich mich aktuell befinde. Wenn man diese Bilder und diese Eindrücke aus Brasilien sieht, tut es natürlich weh und macht mich traurig, das alles nicht miterleben zu dürfen. Das kann ich nicht verhehlen. Auf der anderen Seite habe ich meinen Kollegen natürlich das Beste gewünscht, ist doch klar.

Wie weit weg ist ein Comeback beim DFB derzeit für Sie?

Adler:

Wissen Sie, nach meiner schweren Knieverletzung war ich genau am selben Punkt, ich kenne diese Fragen. Sie waren die Nummer eins, wie schwer wird ein Comeback für Sie? Und so weiter. Es ist immer schwierig, aus einer Verletzung oder Degradierung zu kommen. Aber die heutige Situation ist mit der von damals nicht zu vergleichen.

Inwiefern?

Adler:

Ich bin kein Träumer, sondern kann die Situation realistisch einschätzen und setze mich nicht unter Druck. 2015 werde ich 30, viele junge Torhüter drängen nach. Wenn es das also für mich war, dann hatte ich eine schöne Zeit, auch wenn sicher mehr drin gewesen wäre. Ich bin da relativ entspannt.

Wohin gehen Ihre Ziele dann?

Adler:

Meine Prämisse lautet, mit Spaß Fußball zu spielen. Allen Beteiligten, ob Spielern, Verantwortlichen oder Fans, sitzt die vergangene Saison noch in den Knochen. Wieder zum Stadion zu fahren, über eine gute Leistung den Spaß am Beruf aufrechterhalten, das ist mir wichtig. Wenn darüber hinaus der DFB wieder anklopfen würde, wäre ich glücklich und dankbar. Aber wie gesagt, es ist nicht so, dass ich jetzt tagtäglich darauf ausgerichtet bin, auf dieses Ziel hinzuarbeiten.

Haben diese Aussagen auch mit Ihrem Bandscheibenvorfall zu tun?

Adler:

Wenn man keine 20 mehr ist, macht man sich natürlich so seine Gedanken. Es ist einfach ein schönes Gefühl, wieder schmerzfrei trainieren zu können. Wie man das vermisst während einer solchen Verletzung! Von den Schmerzen her war es sicherlich das Unangenehmste, was ich in meiner Karriere bisher erlebt habe.

Das klingt dramatisch.

Adler:

Bei einer Knie- oder Knöchelverletzung können Sie sich noch einigermaßen bewegen. Aber wenn man im Alltag weder richtig sitzen noch liegen kann, wird es bedenklich. Glücklicherweise ist alles wieder gut.

Ist die vergangene Saison für Sie schon komplett abgehakt? Welche Lehren haben Sie gezogen?

Adler:

Wenn es so einfach wäre, dass man nach drei Wochen Urlaub den Schalter umlegt und sagt: Okay, diese Erfahrungen waren absolut gewinnbringend. Vielleicht kann ich Ihnen etwas in der Art in zwei Jahren sagen. Stand heute sagt mir mein Gefühlsleben: Wir wissen, was war und dass wir das nicht mehr wollen. Und dass wir sehr viel dafür tun müssen.

Was ist für den HSV denn drin, unabhängig von Tabellenplätzen?

Adler:

Schaut man sich die Qualität jedes einzelnen Spielers an, haben wir uns absolut unter Wert verkauft. Nur dürfen wir nicht den Fehler begehen zu sagen: Ja klar, wir sind sowieso besser. Wichtig ist, die Leistung zum Zeitpunkt X abrufen zu können. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle wie ein stabiles Umfeld. Aber auch die Mannschaft muss sich in die Pflicht nehmen, sich abkapseln, quasi eine Blase bilden und ihr Ding durchziehen, egal, was ringsherum auch passiert.

Der Trainer legt viel Wert auf Teamspirit. Wie schätzen Sie diesen Faktor ein?

Adler:

Als sehr wichtig, damit meine ich aber nicht das Klischee mit den elf Freunden. Das wäre ein erstrebenswerter Idealzustand, der aber nur schwer herstellbar ist. Man hat Familienväter und Jüngere, die häufiger rausgehen. Für mich hat Teamspirit aber nicht nur etwas damit zu tun, zusammen um die Häuser zu ziehen, sondern respektvoll miteinander umzugehen, intern alle Dinge offen anzusprechen, auch wenn sie mal unangenehm sein sollten. Bei uns ist das eingeleitet, aber am Ende dieses Prozesses sind wir noch lange nicht.

Was kann man in diesem Zusammenhang von Joachim Löw und seinem Team lernen?

Adler:

Es ist Löws große Stärke, immer wieder eine Einheit zu formen, die für das große Ganze einsteht. Auch diesmal hat er sich gegen alle Widerstände und negative Äußerungen durchgesetzt. Er und sein Team sind ruhig geblieben, sie haben sich gesagt: Wir haben es immer geschafft. Also werden wir es auch dieses Mal schaffen. Eine Vision zu entwickeln und daran voller Überzeugung festzuhalten ist ein gutes Vorbild.