Der HSV verlor die letzten sechs Spiele in der Fremde, Trainer Slomka alle dieser Saison. In Hannover soll die Wende her.

Hamburg. Die Frage nach dem Warum nervt Mirko Slomka. Warum nur kann er auswärts nicht mehr gewinnen? Der HSV-Trainer ist der Frage überdrüssig, schlichtweg, weil er sie nicht beantworten kann. Slomka hat mit seinem früheren Club Hannover 96 und dem HSV seine letzten zwölf Auswärtspartien in der Bundesliga verloren. In dieser Saison durfte er in der Fremde kein einziges Mal jubeln. Würde Slomka den Grund dafür kennen, würde er sicherlich alles dafür tun, diese Serie endlich zu beenden. Doch er flüchtet sich in die üblichen Floskeln: „Wir müssen noch mehr laufen, noch mehr kämpfen, noch besser Fußball spielen als zuletzt“, sagte der Fußballlehrer auf die Frage, was sich nun auf des Gegners Platz ändern müsse.

Vielleicht ist es ja auch nur eine Fügung des Schicksals, dass sich der HSV in dieser Saison auf fremdem Geläuf so schwertut. Jörg Löhr glaubt nicht daran. „Das ist sicher kein Zufall“, meint der ehemalige Handball-Nationalspieler und heutige Persönlichkeits- und Managementtrainer, der auch dem FC Augsburg schon beratend zur Seite stand.

Auch unter Slomkas Vorgängern Bert van Marwijk und Thorsten Fink ist die Auswärtsbilanz wenig erbaulich gewesen (siehe Grafik). Nur neun Punkte aus 14 Spielen sind jedenfalls kaum bundesligatauglich, die letzten sechs Spiele endeten mit Niederlagen. „Auswärts muss ich selbstbewusst und mit breiter Brust auftreten, um die gegnerische Mannschaft vor ihrer heimischen Kulisse wirklich besiegen zu können. Und wirklich daran glauben“, erklärt Löhr. „Derartige Szenarien lassen sich aber in den Köpfen durchspielen. Das Interessante ist: Unser Unterbewusstsein kann nicht unterscheiden zwischen dem, was wir wirklich erlebt haben und dem, was wir uns sehr intensiv vorgestellt haben. Mit beidem können wir intensive Emotionen auslösen und das Selbstwertgefühl verbessern. Die Basis, um aus der Drucksituation – aus der wir laut Untersuchung nur bis zu 60 Prozent der Leistungsfähigkeit abrufen können – zur optimalen Performance zu gelangen.“ Das bedeutet: „Wir können unser Unterbewusstsein so mit positiven Bildern, mit Zielfotos füttern, dass wir den Teufelskreis von Misserfolgen auch durchbrechen können.

Es gäbe wohl kaum einen besseren Zeitpunkt als dieses Wochenende, um auswärts mal wieder 100 Prozent der Leistungsfähigkeit abzurufen. Mit einem Sieg beim Nordderby gegen seinen ehemaligen Club an diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky) könnte Slomka mit seinem HSV in der Tabelle an Hannover vorbeiziehen, sich Genugtuung für seine Entlassung zum Jahreswechsel verschaffen und die 100 vollmachen: 99 Spiele hat der 46-Jährige in seiner Karriere als Bundesliga-Trainer bislang gewonnen. Als 32. Trainer der Geschichte könnte er nun „doppelnullen“.

Die Voraussetzungen dafür sind mäßig: Zum einen fehlt dem HSV nach dem erneuten Ausfall von Pierre-Michel Lasogga geeignetes Personal, das Tore auch auf fremden Plätzen in Aussicht stellt. Zum anderen hat der „große“ HSV nur eins der letzten elf Gastspiele beim „kleinen“ HSV gewinnen können, im August 2007. „Wir müssen versuchen, unsere Schnelligkeit auszuspielen und durch Überraschungsmomente von Hakan Calhanoglu, Rafael van der Vaart und Jacques Zoua, oder wer da noch spielen wird, zum Erfolg zu kommen“, sagt Slomka, der vor allem vor Hannovers Stärken im Umschaltspiel warnt, zudem stünde 96 im Zentrum kompakt und eng zusammen.

Doch vor allem die gute Leistung aus dem Leverkusen-Spiel sowie das akute Schwächeln des Gegners lässt Hoffnung aufkeimen: Hannover gewann nur eine der letzten zehn Begegnungen, das Team wirkte in den vergangenen Wochen völlig verunsichert. Zudem fehlt mit Szabolcs Huszti einer der Aktivposten mit einer Gelbsperre. Die Verantwortlichen versuchten in dieser Woche, das Team im besinnlichen Ambiente des Klosters Marienfeld im ostwestfälischen Harsewinkel abzuschirmen. Bloß nicht verkrampfen, lautet die Devise vor dem Wiedersehen mit dem langjährigen Coach.

Verkrampfen will auch Slomka nicht. Er strahlt weiterhin Zuversicht aus und redet sein Team stark. Immerhin zeigt der Leistungstrend trotz der drei Auswärtsniederlagen mit dem HSV nach oben: In Bremen noch chancenlos, in Stuttgart lange Zeit ebenbürtig und bei den heimstarken Gladbachern über die gesamte Spieldauer gesehen die bessere Mannschaft. Das sieht auch Heiko Westermann ähnlich, der einfach so weitermachen will: „Das ist immer auch eine Sache von Pech und Glück, das uns auswärts vielleicht ein wenig gefehlt hat. Wir müssen nur die Bereitschaft mitbringen, dann bin ich mir sicher, dass wir das Spiel gewinnen.“ Und bei einem dreifachen Punktgewinn stellt auch garantiert niemand mehr die Frage nach dem Warum.