DFL will Verpflichtung, Nachwuchsteams zu melden, abschaffen. Talente könnten verliehen werden

Hamburg. Der vergangene Mittwoch war für die U23 des HSV endlich wieder ein Grund zum Feiern. Das Nachwuchsteam verschaffte sich durch ein glückliches 1:0 gegen den VfR Neumünster etwas Luft im Abstiegskampf der Regionalliga Nord. Jubelszenen nach solchen Erfolgen könnten künftig der Vergangenheit angehören. Nach Abendblatt-Informationen stellt die Chefetage des HSV derzeit die Zukunft der U23 auf den Prüfstand, auf Sicht ist eine Auflösung durchaus möglich.

Hintergrund sind die Bestrebungen mehrerer Profivereine, allen voran Bayer Leverkusen, die Statuten der Deutsche Fußball-Liga (DFL) zu ändern. Noch muss jeder Club aus Bundesliga und Zweiter Liga eine U23 anmelden. Bereits am Montag wird die DFL dies wohl mit großer Mehrheit auf freiwillige Basis umstellen. Dann kann jeder Club selbst entscheiden, ob er noch eine U23 unterhalten will. „Wir diskutieren schon lange den Sinn und Zweck der zweiten Mannschaft, ob man sie wirklich braucht“, sagt Bayer-Sportchef Rudi Völler. HSV-Vorstandschef Carl Jarchow wird am Montag bei der DFL-Versammlung Leverkusens Vorstoß unterstützen: „Eine freiwillige Lösung ist besser. Ob wir weiter eine U23 anmelden werden, werden wir in den nächsten Monaten genau analysieren. Da ist noch keine Entscheidung gefallen.“

Eine mögliche Abmeldung der zweiten Mannschaft scheint auf den ersten Blick dem immer stärkeren Streben nach dem Einbau eigener Talente zu widersprechen. Doch genau dank der besseren Ausbildung hat sich nicht nur nach Leverkusener Einschätzung das Hochleistungsalter deutlich nach vorn verschoben. Die Talente werden immer früher reif für die Bundesliga, die U19 gilt inzwischen in Deutschland als wichtigste Mannschaft im Unterbau der Lizenzspieler-Abteilung. Auch beim HSV hat Jonathan Tah bereits mit 17 mit Bravour seine ersten Profi-Einsätze in der Innenverteidigung absolviert, ehe ihn eine Verletzung und der öffentliche Streit zwischen Berater und Vater vorerst stoppten.

Die Entwicklung der U23 beim HSV sieht der Vorstand höchst kritisch. Der Aufwand – der Etat liegt nach Abendblatt-Informationen bei mehr als 1,5 Millionen Euro – stehe in keinem Verhältnis zum Ertrag. Höchst unwillig absolvierten bei den Profis zwischenzeitlich aussortierte Spieler wie Slobodan Rajkovic dort ihre Einsätze. Die jüngste Posse um Patrick Owomoyela – der ehemalige Dortmunder wurde aus dem Fußball-Ruhestand als Retter im Abstiegskampf verpflichtet, um dann wegen eines Einsatzes beim Bezahlsender Sky für das wichtige Spiel gegen Meppen (0:1) abzusagen – tut ein Übriges.

Intern denkt man beim HSV darüber nach, künftig einen anderen Weg zu gehen. Talente, die mit 18 oder 19 Jahren noch nicht gut genug sind, um sich beim HSV zu etablieren, könnten künftig an benachbarte Traditionsvereine verliehen werden, um sich in der Regionalliga oder gar in der Dritten Liga (zum Beispiel bei Nordclub Holstein Kiel) zu bewähren. Das Kalkül: Dort ist der Druck viel größer, die Talente wären mit einem Schlag Hoffnungsträger eines ganzen Vereins, statt medial nahezu unbeobachtet in der zweiten Mannschaft zu kicken. Entsprechend größer wäre dann die Chance, dass diese gestählten Nachwuchskräfte nach ein oder zwei Jahren als echte Verstärkungen zum HSV zurückkehren.

Unabhängig von der weiteren Zukunft der U23 wird sich der HSV im Nachwuchsbereich neu aufstellen. Trainer Rodolfo Cardoso, der derzeit seinen Trainerschein macht, wurde bereits signalisiert, dass er keine Zukunft beim Traditionsverein hat. Auch Michael Schröder, vor knapp zwei Jahren zum Leiter des Nachwuchszentrums befördert, wird diesen Job voraussichtlich verlieren.