HSV-Chef Carl Jarchow spricht über die Aufbereitung von HSVPlus, das Plädoyer seines Kollegen Joachim Hilke, Fernwahlen und seine Zukunft in einer AG.

Hamburg. Die Spuren der Rekord-Mitgliederversammlung vom Sonntag sind auch am Montag noch im Büro von HSV-Chef Carl Jarchow sichtbar: auf dem Schreibtisch liegt das aufgeschlagene Abendblatt, in dem die Überschrift „Rieckhoffs Erdrutschsieg für HSVPlus“ sofort ins Auge springt.

Hamburger Abendblatt: Herr Jarchow, waren Sie nach der Mammut-Mitgliederversammlung am Sonntagabend noch auf der Siegerparty von HSVPlus?

Carl Jarchow: Nein. Ich bin gegen 22.30 Uhr nach Hause, habe mir meine beiden Hunde geschnappt und bin noch mal lange an der frischen Luft spazieren gegangen. Und danach bin ich auch nur noch ins Bett gegangen.

Was bedeuten diese beeindruckenden 79,4 Prozent für HSVPlus nach einer Nacht des Drüberschlafens?

Jarchow: Es war die größte Mitgliederversammlung der HSV-Geschichte und eine überwältigende Mehrheit der Mitglieder von 79,4 Prozent hat sich für ein Konzept entschieden, das wir als Vorstand nun umzusetzen haben. Das ist ein sehr demokratischer Vorgang, den ich natürlich auch begrüße.

Es gab viele Gewinner, aber auch lautstarke Verlierer. Gibt es nicht doch eine Zerrissenheit im Verein?

Jarchow: Einen wirklichen Riss kann ich nicht erkennen. Es gehört zur Demokratie, dass es auch Unterlegene gibt. Und es ist doch ganz klar, dass es auf deren Seite auch Enttäuschungen und Befürchtungen gibt. Deswegen empfinde ich es auch als eine meiner Aufgaben, diese Enttäuschten auf unserem weiteren Weg mitzunehmen.

Wie sieht dieser Weg aus?

Jarchow: Selbstverständlich werden wir uns nun zeitnah darum kümmern, die entsprechenden Fachleute mit der Aufbereitung von HSVPlus zu beauftragen. Zunächst geht es nur um die Erststellung der Ausgliederungsdokumentation. Das ist kein Hexenwerk, aber man muss das Schritt für Schritt abarbeiten.

Müssen Sie HSVPlus nun eigentlich eins zu eins umsetzen?

Jarchow: Das Konzept von HSVPlus hat klar den Rahmen vorgegeben, aber ob alles eins zu eins umsetzbar ist, müssen wir eben noch prüfen lassen.

Wie sehen Sie Ihre persönliche Zukunft in der ab Sommer dann wahrscheinlich gegründeten HSV Fußball AG?

Jarchow: Meine zukünftige Rolle finde ich gar nicht so wichtig. Wir wollen als Gesamtvorstand den Mitgliederwillen umsetzen und HSVPlus auf den Weg bringen. Personelle Überlegungen finde ich zu diesem Zeitpunkt überflüssig.

Ihr Vertrag läuft Mitte Mai 2015 aus. Bei Fußballmannschaften ist es Usus, dass ein Jahr vor Vertragsende über eine Verlängerung entschieden wird.

Jarchow: Ich habe keine Sorge, was aus mir wird. Mein Vertrag läuft ja tatsächlich noch fast anderthalb Jahre, und wir werden uns sicherlich irgendwann mal zusammensetzen. Bei all den wichtigen Fragen rund um HSVPlus spielt die Frage um meine persönliche Zukunft keine entscheidende Rolle.

Vor der Mitgliederversammlung haben Sie sich verabredungsgemäß nicht positioniert. Können Sie uns jetzt erklären, warum HSVPlus die richtige Entscheidung für den Verein wäre?

Jarchow: Ich habe ja bereits auf der Versammlung gesagt, dass ich der festen Überzeugung bin, dass Ausgliederungen im Profifußball früher oder später den Regelfall bedeuten werden – auch aufgrund der steuerlichen Problematik, die sich bei eingetragenen Vereinen durch die Gemeinnützigkeit ergibt. Im Übrigen habe ich noch gesagt, dass ich mich der Argumentation meines Vorstandskollegen Joachim Hilke anschließe, der sich ja sehr deutlich auf der Mitgliederversammlung geäußert hat.

War das vorbereitete Plädoyer von Herrn Hilke mit Ihnen abgesprochen?

Jarchow: Nein.

Viele Mitglieder haben das sehr lange und sehr deutliche Statement von Herrn Hilke, das man eher von einem Vorstandsvorsitzenden erwartet hätte, als Affront Ihnen gegenüber interpretiert.

Jarchow: Das habe ich nicht so empfunden. Herr Hein hat Herrn Hilke direkt angesprochen – und er hat geantwortet. Ich habe dann nur dem Versammlungsleiter Andreas Peters signalisiert, dass ich auch gerne kurz etwas dazu sagen würde, was ich dann auch getan habe. Der Gesamtvorstand ist nun für die Aufbereitung von HSVPlus verantwortlich. Als Vorstandsvorsitzender empfinde ich es aber als meine Aufgabe, immer den Gesamtverein im Auge zu behalten. Weil ich eine Verantwortung habe, möglichst viele Leute mit ins Boot zu nehmen, versuche ich mich dementsprechend zu äußern. Ich habe aber auch mitbekommen, dass nicht alle Aufsichtsräte mit diesem Vorgehen einverstanden waren.

Die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, in dem sich mehrere Kontrolleure öffentlich gegen HSVPlus positioniert haben, dürfte nicht gerade einfacher werden.

Jarchow: Ich bin mir sicher, dass auch alle Aufsichtsräte das Votum der Versammlung respektieren. Der Aufsichtsrat wird sich in der kommenden Woche neu konstituieren – und dann werden wir weiter vernünftig mit dem Gremium zusammenarbeiten. Ich sehe da keine Probleme.

Die Hoffnung, die man mit HSVPlus verbindet, ist ein neuer, vertrauensvoller Umgang miteinander. Teilen Sie die?

Jarchow: Vertrauensvolle Zusammenarbeit hängt immer von den handelnden Personen und nie von einer Struktur ab. Das wird sich auch mit HSVPlus nicht ändern.

Beim HSV gab es zumindest in den vergangenen Jahren ein eher ungewöhnlich enges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Vereinsspitze und den Ultras. Ist dieses gute Verhältnis nun gefährdet?

Jarchow: Das hoffe ich nicht. Natürlich wird es nun eine große Aufgabe für alle sein, auch weiter den engen Austausch mit allen Gruppierungen im Verein zu pflegen. Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen. Bei so einer Grundsatzentscheidung gibt es immer Sieger und Verlierer. Und die Verlierer müssen ihre Niederlage erst mal verdauen, das hat man auch am Sonntagabend gemerkt. Aber die Gewinner sollten auch nicht übermütig werden. Am Ende des Tages stehen wir alle für denselben Verein ein.

Größter Gewinner des Sonntags war Otto Rieckhoff. Ist seine Aufgabe nun erfüllt, oder spielt er bei der Aufbereitung von HSVPlus noch eine Rolle?

Jarchow: Nein. Es ist doch klar, dass nun der Vorstand mit der Aufbereitung des Konzepts beauftragt ist. Otto Rieckhoff hat doch selbst immer betont, dass der Ball nun beim Vorstand liegt. Bis Sommer werden wir dann alles in die Wege leiten – und dann liegt der Ball wieder bei der Mitgliedschaft.

Wird es bis zur kommenden Mitgliederversammlung, auf der dann endgültig über HSVPlus abgestimmt wird, ein Schattenkabinett geben?

Jarchow: Von uns als Vorstand wird es kein Schattenkabinett für irgendwelche Posten geben – und von anderer Seite kann ich mir das auch nicht vorstellen.

Der Antrag auf Fernwahl verfehlte am Sonntag die erforderliche Dreiviertelmehrheit. Bedauern Sie das?

Jarchow: Ich bin kein großer Anhänger von Fernwahlen. Im Prinzip war ich immer gegen Fernwahl, weil ich immer der Meinung war, dass ein Verein wie der HSV wichtige Entscheidungen in der Mitgliederversammlung verabschieden sollte. Das Einzige, was ich mir hätte vorstellen können, wäre bei einzelnen, sehr wichtigen Entscheidungen eine Briefwahl ähnlich wie bei der Bundestagswahl einzuführen.

Ohne das Instrument der Fernwahl gibt es für die Gegner von HSVPlus noch immer eine sehr realistische Chance, um das Konzept doch noch zu verhindern. Befürchten Sie nun von dieser Minderheit eine Verhinderungstaktik?

Jarchow: Ich bin mir sicher, dass die Mitglieder, die sich nicht von HSVPlus überzeugen ließen, sich auch weiter kritisch damit auseinandersetzen werden. Diese Mitglieder haben ja auch die Möglichkeit, auf der kommenden Versammlung entsprechende Abänderungsanträge zu stellen – und von diesem Recht wird sicherlich auch der eine oder andere Gebrauch machen.

Zentraler Kritikpunkt vieler HSVPlus-Gegner ist und bleibt die Beteiligung von Investoren. Rieckhoff hat zuletzt immer wieder betont, dass neben Klaus-Michael Kühne auch Unternehmen als strategische Partner bereitstehen würden. Waren Sie an diesen Gesprächen beteiligt?

Jarchow: Nein. Von unserer Seite wurden noch keine Gespräche geführt.