Die Verletztenliste beim Bundesliga-Dino wird immer länger. Pierre-Michel Lasogga hat als eine der Ursachen auch die langen Flüge in Verdacht. Van Marwijk verzichtet auf Einheiten.

Abu Dhabi. Nach gut einer Stunde hatte Bert van Marwijk am Mittwochmorgen endgültig genug gesehen. Der HSV-Trainer beugte sich über den am Boden liegenden Kerem Demirbay, überlegte kurz und entschied schließlich, dass die gesamte Mannschaft nur noch zum kontaktlosen Lattenschießen anzutreten hatte. Demirbay hatte sich Minuten zuvor im Zweikampf mit Pierre-Michel Lasogga offenbar ernsthaft am Sprunggelenk verletzt und somit für den passenden Schlusspunkt eines durch und durch verkorksten Trainingslagers gesorgt.

„Ich hätte gern noch einmal trainiert, aber wir müssen realistisch sein“, sagte van Marwijk, der nach dem Vormittagstraining die Einheiten am Nachmittag und am Donnerstagmorgen nach Rücksprache mit der medizinischen Abteilung absagte.

„Die Verletzungen sind die negativen Seiten des Trainingslagers. Es gab viele Kleinigkeiten, die den Trainer natürlich genervt haben“, sagte Sportchef Oliver Kreuzer, wohl wissend, dass man zehn Tage vor dem Rückrundenstart gegen Schalke 04 kaum noch von „Kleinigkeiten“ sprechen kann. So fehlten beim Test am Dienstag gegen Quairat Almaty in der Startelf mit René Adler (Bänderriss), Johan Djourou (Wadenprobleme), Heiko Westermann (Aufbautraining nach Knieoperation), Jonathan Tah (grippaler Infekt), Tolgay Arslan (Adduktorenprobleme), Pierre-Michel Lasogga (muskuläre Probleme) und natürlich Maximilian Beister (Kreuzbandriss) gleich sieben Stammspieler. Zudem musste mit Dennis Diekmeier, den ebenfalls Adduktorenprobleme plagen, Profi Nummer acht für die Startelf gegen Schalke zur Halbzeit ausgewechselt werden. „Das war eine Vorsichtsmaßnahme, aber man weiß ja nie“, sagte van Marwijk, der bereits vor wenigen Tagen kritisiert hatte, dass der HSV mittlerweile wohl den „kleinsten Kader der Liga“ habe.

Tatsächlich konnte es in den insgesamt zwölf Tagen in Indonesien und in Abu Dhabi fast den Anschein haben, dass Hamburgs medizinische Abteilung mehr als der Trainerstab im Einsatz war. So musste sich auch Lasse Sobiech – aufgrund der Personalnot von Innenverteidiger Nummer vier bis hin zum unumstrittenen Abwehrchef befördert – am Mittwoch am Zeh behandeln lassen: „Und Lasse ist nicht der Einzige. Wir haben mehrere Profis, bei denen unsere Docs sagen, dass ihnen eine Trainingspause gut tun würde“, sagte van Marwijk. Die Vielzahl der Verletzen wollte er aber nicht in einen kausalen Zusammenhang mit der von ihm so kritisierten Indonesienreise setzen. „Ich glaube nicht, dass die Verletzungen mit der langen Reise zu tun haben. Wir haben nun mal großes Pech“, hatte der Niederländer einen Tag nach der schweren Knieverletzung Beisters am Freitag gesagt.

Lasogga klagt wegen langen Flügen

Alles also nur Pech? Obwohl mit Lasogga, Tah und möglicherweise auch Diekmeier gleich drei potenzielle Stammspieler bei der Generalprobe gegen den FC Basel am Sonnabend wieder einsatzbereit sein sollen, bleibt vor dem Rückflug nach Hamburg an diesem Donnerstagnachmittag der Eindruck haften, dass der 450.000-Euro-Trip ans andere Ende der Welt zumindest nicht förderlich war. Torjäger Lasogga erklärte seine Muskelprobleme beispielsweise mit den langen Flügen – und auch Adlers Miles-and-More-Konto dürfte bei der Genesung seines verletzten Fußes kaum geholfen haben.

Ohnehin ist es nur schwer zu verstehen, dass zunächst offiziell immer nur von einer Knöchelprellung gesprochen wurde und sich diese nach einer weiteren Untersuchung in München als Bänderriss herausstellte. Auch van Marwijk hatte in Indonesien angedeutet, dass es „unterschiedliche Meinungen“ über die tatsächliche Verletzung Adlers gegeben habe. Ebenfalls seltsam: Auch nach einer Ultraschalluntersuchung im Krankenhaus konnte noch immer nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob sich Djourou nun eine Zerrung oder sogar einen Muskelfaserriss in der Wade zugezogen hatte.

Beisters schwere Knieverletzung, die mit Sicherheit für den größten Schock des Trainingslagers gesorgt hatte, kann dagegen kaum mit den Reisestrapazen begründet werden. Für den Pechvogel, der Anfang kommender Woche in Augsburg von Kniespezialist Ulrich Boenisch an Kreuzband, Meniskus und Knorpel operiert wird, sucht Sportchef Kreuzer bereits fieberhaft einen Nachfolger. Kaum eine Minute vergeht, in der Kreuzer nicht mit einem seiner beiden Handys beschäftigt ist – wobei es zur Situation passen würde, wenn sich auch noch der Manager bei der Vieltelefoniererei verletzt und eine Sehnenscheideentzündung zuzieht. Ein blöder Scherz? Mitnichten! So hat sich doch tatsächlich ein Mitarbeiter der HSV-Pressestelle zunächst beim Beachfußball am einzigen Stein auf dem gesamten Hotelstrand verletzt, um wenig später auch noch beim Tischtennis unglücklich umzuknicken.