Obwohl der HSV die Ladenhüter nicht loswird, möchte der Manager einen Stürmer holen. Legen die Kontrolleure ihr Veto ein, droht nach der turbulenten Vorwoche erneut ein weiterer Schwelbrand.

Hamburg. Oliver Kreuzer ist ein höflicher Mann, offen, sympathisch, vielleicht kann man ihn gar als charmant bezeichnen. Doch als der Sportchef des HSV am Sonntagabend im Fernsehen die Fußballsendung „Sky90“ sah, hätte der Badener seine gute Kinderstube für den Moment fast vergessen können. Annette Weber, die Chefredakteurin der „Instyle“, war zu Gast und hatte wohl so allerlei, natürlich nicht nur Nettes, zum HSV zu sagen. „So etwas geht einfach nicht“, echauffierte sich Kreuzer, einen Tag später noch immer sichtlich erregt. Er habe gleich zum Mobiltelefon gegriffen und Moderator Patrick Wasserziehr mal ein paar Worte, „ein paar deutliche Worte“, per Kurzmitteilung geschrieben.

Sein Handy legt der Manager des HSV in diesen Tagen ohnehin kaum aus der Hand. Nicht weil er sich ständig über irgendwelche Talkgäste beschweren wolle, sondern viel eher, weil es auf die Zielgerade der Transferfrist geht. Und da gebe es ja nun mal Redebedarf, besonders weil die Entscheidungswege beim HSV bekanntlich ein wenig länger als woanders sind. „Wir sollten uns in dieser Woche in gemeinsamen Gesprächen dazu bekennen, dass wir uns in der Offensive noch verstärken müssen“, sagte Kreuzer, der – unabhängig davon, ob er noch Spieler abgeben kann – seine Vorstandskollegen und den Aufsichtsrat um ein etwas risikoreicheres Vorgehen auf dem Transfermarkt bitten will.

„Wir sind in konstruktiven Gesprächen. Der Aufsichtsrat wird eventuelle Beschlussvorlagen des Vorstands wohlwollend prüfen“, sagt Chefkontrolleur Manfred Ertel, der am Wochenende und am Montag gleich mehrfach mit Kreuzer telefonierte. Dieser konnte dem Aufsichtsratschef immerhin versichern, dass es bei den Streichkandidaten zumindest hier und da positive Signale gebe, viel mehr aber auch nicht.

So liege Gojko Kacar ein unterschriftsreifer Vertrag des russischen Erstligaclubs Tom Tomsk vor, zudem zeigt ein deutscher Verein sehr reges Interesse an Robert Tesche. Michael Mancienne sei wechselwillig, habe aber noch immer kein Angebot. Nur Top-Verdiener Slobodan Rajkovic habe Kreuzer am Freitag mitgeteilt, dass er seinen gut dotierten Vertrag notfalls bei der U23 aussitzen wolle. „Es liegt an den Spielern selbst, was aus ihrer Karriere wird“, sagte Kreuzer, der in der Vorstandssitzung an diesem Dienstag dafür werben will, trotz fehlender Einnahmen ins finanzielle Risiko zu gehen.

„Wir gefährden unseren Erfolg, wenn wir jetzt nicht noch mal aktiv werden“, sagte Kreuzer, der nach dem verpatzten Saisonstart mehr denn je Handlungsbedarf im Sturm sieht. „Wenn wir jetzt keinen mehr holen, dann begeben wir uns in eine gefährliche Situation.“

Somit ist der HSV in einer nahezu identischen Situation wie vor einem Jahr. Schon damals war das Budget aufgebraucht, ehe der Verein aus der Not heraus kurz vor dem Ende der Transferfrist kräftig investierte. 17,5 Millionen Euro musste der HSV ausgeben (siehe Infokasten). Eine Größenordnung, die zwar in dieser Woche völlig unrealistisch ist, allerdings gilt es schon jetzt als sicher, dass – sofern der Aufsichtsrat tatsächlich zustimmt – der Club erneut ein erhebliches finanzielles Risiko eingeht. Zur Erinnerung: Der Vorstand hatte es sich zum Ziel gemacht, den Gehaltsetat auf unter 40 Millionen Euro zu verringern. Aktuell muss der Verein aber noch von Gehaltszahlungen von mehr als 46 Millionen Euro in dieser Saison ausgehen, obwohl bereits die Großverdiener Marcus Berg und Paul Scharner durch kräftige Abfindungszahlungen zum Gehen animiert wurden. Die Forderung der Kontrolleure, die in ihrer Sitzung am 1. Juli Einsparungen in allen Bereichen von rund zehn Millionen Euro beschlossen, dürfte bis zum Ende der Transferfrist am 2.September kaum umzusetzen sein.

Allerdings wäre es für Kreuzer nicht das erste Mal, die Vereinsgremien vor vollendete Tatsachen zu stellen. Bereits als Manager des KSC holte er nach dem holprigen Saisonstart sechs Tage vor dem Ende der Transferfrist Mittelfeldmann Dominic Peitz vom FC Augsburg, überzog dadurch den Lizenzspieleretat kräftig und handelte sich einigen Ärger mit dem Verwaltungsrat ein.

Nun ist es also ein Stürmer, der die Kontrolleure vor eine echte Gewissensfrage stellt. Segnet der Aufsichtsrat die erwartete Beschlussvorlage in den kommenden Tagen ab, dürfte die in diesem Jahr angestrebte schwarze Null schon jetzt kaum mehr zu erzielen sein. Legen die Kontrolleure aber ihr Veto ein, droht nach der turbulenten Vorwoche erneut ein weiterer Schwelbrand.

Gedanklich verabschieden dürfen sich die Aufsichtsräte von den zuletzt gehandelten Kandidaten Eren Derdiyok (1899 Hoffenheim), Mladen Petric (vereinslos), Patrick Helmes (VfL Wolfsburg), Peniel Mlapa (Borussia Mönchengladbach) und Julian Schieber (Borussia Dortmund). Über alle fünf Kandidaten hat sich Sportchef Kreuzer erkundigt, doch wirkliches Interesse hatte er nur am Schweizer Nationalspieler Derdiyok. Der Ex-Leverkusener soll sogar bereit gewesen sein, im Falle eines Wechsels zum HSV sein aktuelles Grundgehalt von 1,7 Millionen Euro um 500.000 Euro auf 1,2 Millionen Euro zu reduzieren. Doch nachdem Kreuzer am Wochenende noch immer zögerte, hat der Noch-Hoffenheimer am Montag bei einem anderen Verein zugesagt.

„Wir haben jetzt keine Zeit mehr zu verlieren“, sagt Kreuzer, der sich nun für einen anderen Stürmer entschieden hat, zunächst aber die Zustimmung aller Verantwortlichen braucht. Bekommt er diese, kann sich der Sportchef weitere SMS in dieser Woche sparen.