Sportchef Oliver Kreuzer setzt in seinen ersten Tagen beim HSV nachhaltig Akzente und zeigt, wie er mit Trainer Thorsten Fink führen will. Knallharte und konsequente Personalplanung.

Mayrhofen. Ein Hauch von Garten Eden lag für einen Moment in der Luft, als es sich Oliver Kreuzer auf dem gepflegten Rasen in der Sitzgruppe bequem machte. Sanfte 23 Grad, ein traumhafter Blick in die Berge und eine himmlische Ruhe. Doch mit Wohlfühlatmosphäre hatte der neue Sportchef des HSV wenig im Sinn, als er im Mannschaftshotel Edenlehen noch einmal an das 0:2 vom Freitagabend gegen Wacker Innsbruck erinnert wurde.

„Eine unterirdische Leistung war das, ein Erstligaverein muss anders auftreten“, ärgerte sich Kreuzer noch immer, wohl wissend, dass die Ansetzung unglücklich gewesen war, da etliche Spieler ohne Trainingspraxis aufgelaufen waren. Doch der 47-Jährige nutzte die sich ihm bietende Chance sofort, um allen Beteiligten klar zu machen, was er künftig erwartet. „Wir sind der HSV, da können wir uns nirgendwo so blamieren. Der HSV muss immer gewinnen! So muss unser Anspruch sein.“

In der jüngeren Vergangenheit, wenn Gründe für ausbleibenden Erfolg gesucht wurden, dauerte es nie lange, bis die Rede auf die fehlende Siegermentalität unter den Profis kam. Die Gefahr, dass auch in Zukunft die Gier nach Erfolg fehlen könnte, sah Kreuzer offenbar und kritisierte prompt den lässigen, blutleeren Auftritt des Teams in einem eigentlich bedeutungslosen Vorbereitungsspiel. „Da fängt es an…“, sagte er vielsagend.

Wer Kreuzer in den ersten Tagen im Zillertal beobachtet, sieht einen Sportchef in Trainingsbekleidung, der zwar nicht an den Übungen der Spieler teilnimmt, aber auf dem Platz – mit dem Handy am Ohr – gefühlt genauso viele Kilometer zurücklegt. Transferzeit heißt Dauerstress für Manager, und ganz offensichtlich steckt Kreuzer voller Tatendrang, um Trainer Thorsten Fink den gewünschten Kader für die neue Saison zu verschaffen.

So soll Marcus Berg, der sich mit Panathinaikos Athen geeinigt hat, seinen Auflösungsvertrag unterzeichnen. Am Montagabend verschob der Stürmer die Unterschrift allerdings auf Dienstag. Berg, 2009 für zehn Millionen Euro und mit großen Hoffnungen verpflichtet, bringt keinen Cent Ablöse. Allerdings ist der HSV bei einem Weiterverkauf beteiligt und würde auch Prämien kassieren, sollten die Griechen bestimmte sportliche Ziele erreichen. Und, ganz wichtig: Zwei Millionen Euro Gehalt werden gespart.

Auch bei Robert Tesche ist Kreuzer zuversichtlich: „Ich bin mit seinem Berater im Austausch, da bewegt sich was. Er möchte wieder Fußball spielen und strebt einen Wechsel an.“ An Tesche, der vergangene Woche in Spanien weilte, soll ein Aufsteiger in die Primera Division interessiert sein. Noch allerdings gibt es keine offizielle Anfrage, genau wie beim ebenfalls aussortierten Gojko Kacar. Beim Serben, der von seinem Onkel Milan Kacar beraten wird, schaltete Kreuzer jetzt zusätzlich sein eigenes Netzwerk ein, um nach Abnehmern zu forschen. Proaktiv nennt man das.

In Österreich erinnerte Kreuzer daran, dass er selbst einmal als Spieler in der gleichen Situation war, als ihm bei den Bayern Giovanni Trapattoni eröffnete, dass er kaum noch spielen werde. Zwar blieb der frühere Verteidiger noch ein Jahr, wechselte dann aber in die Schweiz. Mit Trapattoni als Lehrmeister versucht der Sportchef nun, die „Spieler zu greifen, du musst sie bei der Ehre packen“. Das Profigeschäft sei zuweilen brutal hart, aber: „Ein Schuss Menschlichkeit gehört immer dazu.“

So geht Kreuzer mit einem Lächeln im Gesicht, aber dennoch knallhart und konsequent die Personalplanung an. Auch die Berater von Michael Mancienne, Slobodan Rajkovic und Paul Scharner wissen seit zwei Wochen, dass der Club sie abgeben will. Allerdings würde bei allen drei Profis eine Ablöse fällig: „Wir haben nichts zu verschenken.“

Auch wenn beispielsweise Scharner nach einem Treffen mit Kreuzer und Fink öffentlich erklärte, den HSV nicht verlassen zu wollen („Paul bleibt“), bleibt die sportliche Führung zuversichtlich, dass es bis zum Ende der Transferperiode noch zu einem Wechsel kommt. „Uns hat er nur gesagt, dass er sich die Entwicklung anschaut.“

Läuft alles glatt, wird Scharner in Hamburg neue Konkurrenz erwarten. Kreuzer hofft, den Transfer des Dortmunders Lasse Sobiech, 22, noch in dieser Woche für eine Ablöse in Höhe von 500.000 Euro perfekt machen zu können, vorausgesetzt, der Aufsichtsrat des HSV stimmt zu.

Damit hätte Kreuzer sich seinen Wunsch erfüllt, möglichst früh die Verteidigung bestückt zu haben, damit sie sich einspielen kann: „Wir müssen defensiv besser stehen, es ist wichtig, dass sich Automatismen bilden können.“ Etwas weniger Zeitdruck verspürt Kreuzer bei der Suche nach einem Stürmer, nach dem nach der Absage von Roque Santa Cruz noch immer geforscht wird. „Am Profil hat sich nichts geändert, wir suchen einen Spieler, der die Bälle festmachen und die Außenspieler mitnehmen kann.“

Trainer Thorsten Fink beobachtet den Arbeitseifer seines neuen Kompagnons mit erkennbar guter Laune: „Natürlich prasselt auf Oliver gerade viel herein. Aber er ist fix dabei und sehr kommunikativ, wir reden sehr viel miteinander und sind in ständigem Austausch.“ Auch wenn es dem HSV-Coach sicher fernlag, diese Aussage in Verbindung mit der Vergangenheit zu bringen, so sagen diese Sätze viel darüber aus, wie wenig fruchtbar letztlich die Verbindung zwischen Fink und Frank Arnesen war. Umso spürbarer ist die Hoffnung auf Besserung. Sollte dies in Hamburg endlich gelingen, wären das wirklich fast schon paradiesische Zustände.