Beim Trainingsauftakt des HSV fehlen an diesem Montag 14 Nationalspieler, ein Hoffnungsträger im Sturm und die drei suspendierten „Waldläufer“

Hamburg. Thorsten Finks letzter freier Sonntag hätte besser anfangen können. Direkt nach dem Frühstück musste sich der HSV-Trainer erst mal über seinen Wagen ärgern, der ausgerechnet am letzten Urlaubstag vor dem Trainingsauftakt an diesem Montag nicht anspringen wollte. Die Batterie, die blöde. Irgendwann klappte es dann aber doch – und Fink nutzte sein nicht mehr erwartetes Glück zu einer Spritztour ins Hotel Grand Elysée. Gespräche mit Neu-Sportchef Oliver Kreuzer, Co-Trainer Patrick Rahmen und Neuzugang Johan Djourou standen dort am Nachmittag auf dem Programm, erholt habe er sich in den vergangenen Wochen ohnehin mehr als genug. „Nach einer so langen Pause wurde es ja schon so richtig langweilig“, sagt Fink, „Fußball ist doch unser Leben.“

Um Punkt 10 Uhr an diesem Montag ist es vorerst mit der Langeweile vorbei. Als vorletzter Club der Bundesliga – nur Borussia Dortmund ist mit dem Auftakt am Mittwoch noch später dran – startet der HSV in die Vorbereitung. Doch ähnlich wie Finks Auto stottert auch der HSV-Motor zum Trainingsstart noch gewaltig. Bei der ersten Einheit der neuen Saison darf der Coach lediglich eine sehr übersichtliche Gruppe von Fußballern begrüßen, von denen kaum einer für die erste Elf vorgesehen ist. Zwölf Nationalspieler – darunter auch Neuzugang Jacques Zoua aus Basel – haben noch ein paar Tage Sonderurlaub, Torhüter René Adler fällt mit Knieproblemen drei Wochen lang aus, Djourou muss zum obligatorischen Medizincheck, Hoffnungsträger Hakan Calhanoglu spielt mit dem türkischen U20-Nationalteam am Dienstagabend um den Einzug ins WM-Viertelfinale, und der erhoffte neue Sturmstar lässt auch noch auf sich warten.

Bis Mittwoch will sich Roque Santa Cruz entschieden haben, ob er in Málaga bleiben will, zurück nach England zu Stoke City wechselt oder doch dem Lockruf seines früheren Bayern-Kumpels Fink erhört. „Ich werde noch mal mit Roque sprechen. Es geht jetzt nicht mehr um Geld, sondern nur noch darum, was aus seiner Sicht das beste für seine Familie ist“, sagt Fink, der genau wie Sportchef Kreuzer die Hoffnung auf ein Jawort des Südamerikaners nicht aufgegeben hat. „Mein Gefühl ist immer noch bei 50 zu 50“, sagt Kreuzer, der am Freitag zuletzt mit Santa-Cruz-Berater Jan van Baal telefoniert hatte.

Auch ohne neuen Star zum Trainingsstart ist der neue Sportchef mit seinen bisherigen Aktivitäten auf dem Transfermarkt durchaus zufrieden. Der von Arsenal ausgeliehene Djourou darf noch einige persönliche Dinge am Dienstag in London klären, ehe er am Mittwoch einsteigt, Offensivallrounder Zoua fliegt am Freitag ein, und auch die Gespräche mit Dortmunds Lasse Sobiech sind nach wie verheißungsvoll. „Es bleibt dabei, dass wir unabhängig von zu verkaufenden Spielern Lasse auf jeden Fall verpflichten wollen“, sagt Kreuzer, der dem Gerücht widerspricht, er müsse nach ersten Erfolgen als Einkäufer nun zunächst sein Können als Verkäufer unter Beweis stellen.

Doch genau an dieser Stelle hakt es beim HSV noch ganz gewaltig, was Kreuzer in Absprache mit Fink zu einer eher ungewöhnlichen und in der Bundesliga viel diskutierten Entscheidung hat verleiten lassen. Denn obwohl am Montag zwei Drittel des Kaders aus unterschiedlichen Gründen fehlen, verzichten Fink und Kreuzer mit Marcus Berg, Gojko Kacar und Robert Tesche gleich auf drei Profis ganz freiwillig. Das Trio darf nicht mit der Mannschaft trainieren, soll mit Athletiktrainer Markus Günther separat arbeiten und sich um einen neuen Verein bemühen.

Eine drastische Maßnahme – die zumindest fragwürdig erscheint. „Die geltende Rechtsprechung sagt, dass Fußballprofis einen Anspruch auf Mannschaftstraining haben“, sagt Frank Rybak, seit 2001 Justiziar der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV). „Doch diese Problematik taucht ja immer mal wieder auf und wird meistens einfach praktiziert.“ Die Lage würde sich unter Umständen anders darstellen, wenn ein solcher Ausschluss gleich auf zwölf Profis zutreffen würde, da mit einer größeren Anzahl an Fußballern ein separates Mannschaftstraining möglich wäre. So hätten die Profis, die hinter vorgehaltener Hand im Verein als „die Waldläufer“ bezeichnet werden, jedoch gute Chancen, sich ins Teamtraining einzuklagen.

So ganz neu ist das Phänomen von aussortierten Fußballprofis in Hamburg allerdings nicht. In den Jahren 2010 und 2011 gab es unter den Ex-Trainern Armin Veh und Michael Oenning ähnliche Fälle, als die in Ungnade gefallenen Guy Demel und Mickael Tavares ausgemustert und ins Regionalligateam abgeschoben wurden. Dort konnten sie immerhin mit einer Mannschaft trainieren. Und eine Klausel im Musterarbeitsvertrag für Fußballprofis soll die Vereine auch genau für solche Situationen absichern. So heißt es in Paragraf 2a: „Der Spieler ist bei entsprechender Anweisung auch verpflichtet, an Spielen oder am Training der zweiten Mannschaft des Clubs teilzunehmen, falls diese in der Oberliga oder einer höheren Spielklasse spielt.“

Diese Maßnahme will sich auch der HSV vorbehalten, sollte einer der Ausgemusterten darauf bestehen, mit einem Team zu trainieren. Doch Rybak hält auch diesen Passus für unwirksam. „Wenn eine solche Klausel den Arbeitnehmer, also in diesem Fall den Spieler, in unangemessener Form benachteiligt, ist sie vor Gericht nur schwer zu halten. Zum Vergleich: Man kann einem führenden Angestellten in einem Betrieb auch nicht vorschreiben, plötzlich als Pförtner arbeiten zu müssen“, erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht.

HSV-Vorstand Joachim Hilke ist sich hingegen sicher, dass sich sein Club mit der Teilsuspendierung korrekt verhält. „In der Bundesliga leben wir in der ultimativen Leistungsgesellschaft. Es werden sehr hohe Gehälter gezahlt, mit denen dann auch manche unangenehme Entscheidungen ein Stück weit abgedeckt werden“, sagt Hilke, der den Rahmen des Erlaubten ausreizen will: „Wir werden uns selbstverständlich arbeitsrechtlich korrekt verhalten.“

Tatsächlich haben die Verantwortlichen des HSV berechtigten Grund zur Hoffnung, dass sich das Problem mehr oder weniger geräuschlos lösen lässt. So wird Berg griechischen Medien zufolge von Panathinaikos Athen umworben, Tesche steht in Augsburg und Mainz auf dem Wunschzettel. Nur für Kacar, dessen Gehalt sich vertraglich ab dem 1. Juli von 1,5 Millionen Euro auf 1,8 Millionen Euro erhöht, will sich noch kein Interessent finden lassen.

Wie gut das Team auch ohne die Suspendierten ist, wird sich wohl erst bei der Abreise ins Zillertal-Trainingslager am Freitag zeigen. Dann sind neben den Nationalspielern auch die Neuzugänge Zoua, Djourou und im Optimalfall sogar Santa Cruz mit dabei. Und mit der Langeweile, da kann sich Thorsten Fink sicher sein, ist es dann endgültig vorbei.