Dortmunds Kerem Demirbay wechselt im Sommer nach Hamburg. Anders als Öztunali darf er die Saison ganz normal zu Ende spielen.

Hamburg. Selten musste sich HSV-Sportchef Frank Arnesen nach dem Transfer eines Nachwuchsspielers so sehr rechtfertigen wie zuletzt nach dem emotional belasteten Wechsel von Seeler-Enkel Levin Öztunali, 16, zu Bayer Leverkusen. "Ich finde es normal, dass die anderen Nachwuchsspieler, die sich gerne von uns ausbilden lassen, nun Vorrang haben", verteidigte der Däne die Rückstufung des Talents von der für seine Förderung am besten geeigneten U19 in die U17.

Dass es auch anders geht, beweist der kommende HSV-Gegner (Sonnabend, 15.30 Uhr hier im Liveticker) Borussia Dortmund. Denn dort entschied sich Nachwuchsspieler Kerem Demirbay unlängst, im Sommer nach Hamburg zu wechseln. An den Einsatzzeiten des 19-Jährigen soll sich in der Rückrunde deshalb jedoch nichts ändern. "Das ist eine Geschichte, die jeder Verein für sich selbst entscheiden muss. Bei uns läuft das aber anders als beim HSV", erklärt David Wagner, Demirbays Trainer in der Drittligamannschaft. "Wenn Kerem weiter Vollgas gibt, wird er auch künftig bei mir auflaufen. Wir haben das auch bei anderen Spielern in der Vergangenheit so gehandhabt. Der Wechsel unseres Top-Scorers Terence Boyd zu Rapid Wien oder des Mittelfeldspielers Mario Vrancic nach Paderborn stand auch während der Saison fest, dennoch haben sie weiter regelmäßig gespielt."

Die Fälle sind freilich nicht eins zu eins miteinander zu vergleichen. Während die zweite Mannschaft des BVB im Kampf um den Klassenerhalt das bestmögliche Team aufbieten will, ist es für den HSV untergeordnet, ob die U19 nun Dritter oder Elfter wird. "Die einzige Mannschaft, bei der es ausschließlich um das Ergebnis geht, ist bei uns die Profimannschaft", erklärt Arnesen.

Demirbay selbst hat die Aufregung um den HSV-Nachwuchs auch aus Dortmund mitbekommen. Unabhängig davon ist er sich sicher, mit dem Wechsel nach Hamburg die richtige Entscheidung getroffen zu haben. "Mein Bauchgefühl war ausschlaggebend", sagt der Deutschtürke. "Außerdem ist die Borussia auf meiner Position im Mittelfeld extrem stark besetzt, da wäre es schwer, in absehbarer Zeit bei den Profis zu spielen."

Und genau das sei das primäre Ziel für ihn in der kommenden Saison. Gefragt, was ihn denn auszeichne, verzichtet Demirbay zunächst auf fußballerische Attribute: "Mein Charakter. Ich bin ein bodenständiger Typ. Überhaupt glaube ich, dass dieses 'südländische' Temperament, was uns Deutschtürken immer wieder nachgesagt wird, nur ein Gerücht ist." Sein derzeitiger Trainer kann den guten Charakter Demirbays bestätigen, ist vom Durchbruch des Technikers aber noch nicht gänzlich überzeugt. "Kerem ist ein talentierter Spieler, der aber noch richtig viele Baustellen hat. Das Potenzial für einen Bundesligaspieler ist vorhanden, die Qualität aber noch nicht", sagt Wagner.

Deutliche Worte, die Demirbay selbst in Teilen bestätigt. "Natürlich muss ich mich in allen Bereichen verbessern, vor allem körperlich zulegen. Dennoch denke ich, dass ich mich sowohl technisch als auch im Zweikampfverhalten nicht verstecken muss." Wenn Demirbay diese Qualitäten vom Sommer an beim HSV zeigt, wird sich Arnesen für diesen Transfer zumindest nicht rechtfertigen müssen.