Der Bundesligist und Vermarkter Sportfive verhandeln über weitere Zusammenarbeit. Ausstieg könnte für den klammen Club teuer werden.

Hamburg. Am Freitag hatten der HSV und Sportfive wieder einmal Grund zu feiern. Gemeinsam luden der Fußballbundesligaverein und sein Vermarkter zum traditionellen Neujahrsempfang in die repräsentativen Räumlichkeiten der Hanse Lounge am Neuen Wall. Direkt am Eingang wurde Sekt ausgeschenkt, als Häppchen wurden vegetarische Frühlingsrollen und Lachs gereicht. HSV-Vorstand Carl Jarchow richtete ein paar nette Grußworte an die Gäste, Emirates-Deutschland-Chef Volker Greiner ergriff das Mikrofon, und auch Michael Neumann, Senator für Inneres und Sport, wünschte dem HSV vor den zahlreichen Wirtschaftsvertretern viel Glück für das Nordderby gegen Werder Bremen. Harmonie unter Hanseaten.

Hinter den Kulissen zeichnete sich zuletzt dagegen ein etwas anderes Bild ab. Sportfive, das in Deutschland 14 Profifußballvereine vermarktet, und der HSV hatten Redebedarf, großen Redebedarf. Der Grund: Möglichst noch in diesem Jahr soll entschieden werden, ob sich Verein und sein zuletzt wenig hofierter Vermarkter eine Verlängerung der Zusammenarbeit über Sommer 2015 hinaus vorstellen können. "Wir befinden uns seit geraumer Zeit im Prozess der Entscheidungsvorbereitung", sagt Jarchow, "es ist unsere Aufgabe, sämtliche Optionen auszuloten."

Jährlich erhält Sportfive mehr als zehn Millionen Euro an Provisionen

Tatsächlich gilt das Bekenntnis für oder gegen eine Verlängerung mit dem Sportvermarkter, der für Stadionwerbung, Trikotsponsoring, Hospitality und der Vermarktung von Medienrechten jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag als Provision kassiert, als zentrale Zukunftsentscheidung innerhalb des Vereins. "Natürlich sind sich der Vorstand und auch der Aufsichtsrat der Bedeutung dieser Entscheidung vollauf bewusst", sagt Chefkontrolleur Manfred Ertel, der aber auf die Zuständigkeit des Vorstands hinweist: "Zunächst mal ist das im ersten Schritt klare operative Angelegenheit des Vorstands. Ich habe großes Vertrauen in unseren Vorstand, dass er uns die für den Verein beste Lösung vorschlagen wird, der Aufsichtsrat wird die dann unvoreingenommen prüfen."

Ganz andere Töne waren in dieser für den Verein zentralen Frage vor nicht mal drei Wochen zu vernehmen. So wurden sämtliche Aufsichtsratsanwärter auf der Mitgliederversammlung gebeten, sich vor der Wahl für oder gegen eine Verlängerung zu positionieren. Und von 14 Anwärtern fand sich wenig überraschend kein einziger, der sich für eine bei den Fans unpopuläre Verlängerung aussprach. Auch Kontrolleur Jürgen Hunke, der vor 15 Jahren für den HSV die Verhandlungskommission geleitet hat und seit Wochen sämtliche Sportfive-Verträge überprüfen lässt, gilt als überzeugter Gegner einer Verlängerung. Auf Nachfrage sagte Hunke, dass er zeitnah sämtliche Ergebnisse seiner Recherchen innerhalb des Gremiums kommunizieren wolle, öffentlich aber derzeit keine Stellung bezieht. Und selbst HSV-Chef Jarchow hatte noch Anfang Januar im Trainingslager in Abu Dhabi erklärt: "Unser Bestreben ist, dass wir ab 2015 den Hauptteil der Vermarktung selbst übernehmen."

Doch was ist nun richtig, was falsch? Was ist wahrscheinlich, was unmöglich? Längst hat der HSV sämtliche Möglichkeiten der Eigenvermarktung prüfen lassen, hat Konzepte durchgerechnet und eine Machbarkeitsstudie aufgestellt. Nach Abendblatt-Recherchen deutet überraschend aber alles auf eine Verlängerung des Vermarkterdeals, dem die Verantwortlichen des HSV zuletzt öffentlich immer überaus kritisch gegenüberstanden, hin.

Hauptgrund hierfür ist, dass neben dem bekannten 12,4-Millionen-Euro-Darlehen, das der HSV 1998 als Finanzspritze von Sportfive-Vorgänger Ufa Sport erhielt und dessen Rückzahlung bei Kündigung der Zusammenarbeit innerhalb des HSV-Vorstands unstrittig ist, nach Abendblatt-Informationen noch ein weiterer, bislang nicht öffentlicher, beträchtlicher Millionenbetrag zum Ende des Vertragsverhältnis fällig werden würde. Durch den sogenannten Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, der in Artikel §89b des Rechts der Handelsvertreter im Handelsgesetzbuch (HGB) zementiert ist, könnten auf den HSV weitere Zahlungen in Höhe zwischen sechs und achteinhalb Millionen Euro zukommen. Der Grund: Laut HGB müsste der HSV auch nach Ende des Vertragsverhältnisses Provisionen aus Sponsorenvereinbarungen, die durch Vermittlung von Sportfive zuvor abgeschlossen wurden, zeitlich begrenzt weiter auszahlen. Dies ist sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat bekannt; im schlimmsten Fall müsste der HSV nach Vertragsende wohl mit 8,5 Millionen Euro nachträglichen Provisionszahlungen rechnen, die zu dem ohnehin fälligen 12,4-Millionen-Euro-Darlehen addiert werden müssten. Somit drohen dem HSV Zahlungen von mehr als 20 Millionen Euro für den Fall einer Trennung von Sportfive.

"Eine Fortführung des Vertrages ist nur unter vollkommen veränderten Vorzeichen denkbar, dazu gehört natürlich auch, die TV-Rechte aus eigener Hand zu verwerten", sagt nun HSV-Chef Jarchow, der sich sehr wohl bewusst ist, dass der Verein in der aktuell angespannten Finanzsituation unmöglich um die 20 Millionen Euro an Sportfive zahlen könnte. Die Konsequenz: Eine Verlängerung der Zusammenarbeit unter neu verhandelten Bedingungen ist am wahrscheinlichsten.

Sportfive ist bereit, auf eine Beteiligung an den TV-Rechten zu verzichten

Auch Philipp Hasenbein, Geschäftsführer von Sportfive, scheint durchaus zu Kompromissen bereit: "In unserer Interpretation will der HSV den Vertrag in seiner jetzigen Form nicht fortführen. Das ist verständlich und der Grund, warum wir in letzter Zeit viele Gespräche geführt haben, um die Möglichkeiten einer zukünftigen Zusammenarbeit auszuloten." Gesprächsgrundlage dürften zwei zentrale Punkte sein. Erstens: Der HSV dürfte versuchen, einen Großteil des Darlehens in ein Handgeld für eine mögliche Vertragsverlängerung umzuwandeln. Und Zweitens: HSV und Sportfive, das bislang 20 Prozent aus der Beteiligung an den TV-Rechten erhält, dürften sich darauf einigen, die Vermarktung der lukrativen Fernsehrechte aus dem Gesamtdeal herauszulösen: "Die Zusammenarbeit ist selbstverständlich auch ohne eine Beteiligung an den TV-Rechten für beide Seiten absolut lohnend", sagt Hasenbein, für den der HSV neben Borussia Dortmund zu den wichtigsten Aushängeschildern im umfangreichen Sportfive-Portfolio zählt.

Die wirkliche Bedeutung der Partnerschaft zwischen HSV und Sportfive wird offensichtlich, wenn man Hasenbeins großzügiges Büro in der Firmenzentrale nahe der Außenalster besucht. An der Wand des gebürtigen Berliners, dessen Lieblingsclub Hertha BSC ist, hängt ein von allen Spielern unterschriebenes HSV-Trikot, in der Ecke steht ein Ruud van Nistelrooy aus Pappe. "Eine echte Erfolgsgeschichte" sei die Zusammenarbeit zwischen seiner Firma und dem Verein, die immerhin schon seit 1998 bestehe, sagt Hasenbein, der das gerahmte Sammlerstück an seiner Wand wohl nur ungern gegen ein unterschriebenes Trikot vom VfR Aalen austauschen würde. Viel mehr hofft er, dass es für Sportfive und den HSV schon bald wieder Grund zum Feiern gibt. Zum gemeinsamen Feiern.