Gegen Hamburg feiert der neue Nürnberg-Trainer Wiesinger sein Bundesliga-Debüt. Bedanken kann er sich bei seinem HSV-Kollegen.

Hamburg/Nürnberg. Wenn Michael Wiesinger aufgeregt ist, dann rutscht ihm häufiger mal ein zeitfüllendes Ja zwischen seine Sätze. "Ich freue mich auf die neue Zusammenarbeit, ja", sagte Nürnbergs neuer Cheftrainer bei seiner Präsentation am 3. Januar und schaute etwas nervös vorbei an den zahlreichen Objektiven der Fotografen, "und ich freue mich, ja, dass ein so großer Andrang herrscht, ja. Das zeigt, dass großes Interesse besteht. Ja."

Knapp zwei Wochen nach seiner ersten Pressekonferenz als Bundesligatrainer ist von der anfänglichen Nervosität kaum etwas übrig geblieben. Im Gespräch mit dem Abendblatt wirkt der Nachfolger von Dieter Hecking vor seinem Debüt am Sonntag gegen den HSV (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) abgeklärt, souverän, fast ein bisschen langweilig. Ein Ja wird nur hier und da mal verwendet. Die "Etablierung in der Bundesliga" sei sein Ziel, "ja", und auch mittelfristig würde man in Nürnberg die Ziele nicht am Tabellenplatz festmachen. "In Nürnberg geht es darum, dass wir uns entwickeln und Talente herausbringen", sagt Wiesinger, der selbst als bestes Beispiel dienen könnte, das aber nicht sagt.

Wiesingers Werdegang scheint tatsächlich ein typischer Nürnberg-Werdegang zu sein. Bevor er 1993 zum Club kam, spielte er in der Jugend bei Vereinen wie dem SV Gendorf oder der SpVgg Starnberg. Sechs Jahre lang spielte der talentierte Mittelfeldmann dann Mitte der 90er-Jahre beim 1. FCN, ehe es den gebürtigen Bayern für zwei Jahre in die glitzernde Fußballwelt nach München zog. Beim großen FC Bayern lernte der gerade mal 1,68 Meter kleine Fußballer schließlich auch den heutigen HSV-Coach Thorsten Fink kennen, mit dem er schnell auf einer Wellenlänge war. "Gerade in unserer gemeinsamen Bayernzeit hatten wir einen sehr intensiven Kontakt. Wir wohnten damals in unmittelbarer Nachbarschaft, haben eine Fahrgemeinschaft zum Training gebildet", erzählt Wiesinger, der damals genau wie Fink in München-Grünwald wohnte, "mit unseren Frauen sind wir nach Italien in den Urlaub gefahren."

Über eine Anekdote, die Fink bereits vor einigen Tagen zum Besten gegeben hat, kann auch Wiesinger heute noch lachen. Nach dem gewonnenen Champions-League-Finale 2001 hatten Fink und er kurzentschlossen den Pokal nach Hause entführt. "Das war schon eine ziemlich coole Aktion. Alle Nachbarn wollten ein gemeinsames Foto mit dem Pokal machen. Auch unser Taxifahrer, ein italienischer Fußballfan, konnte sein Glück nicht fassen", sagt Wiesinger, der sich auch über die wenig erfreute Reaktion von Bayerns Verantwortlichen erinnert: "Münchens Vereinsführung war nicht ganz so begeistert, aber nach all den Jahren ohne Champions-League-Trophäe hat keiner was gesagt."

Es muss wohl in dieser Zeit gewesen sein, als aus den Kollegen Freunde fürs Leben wurden. So war es nur konsequent, als Fink bei seiner ersten Trainerstation in Deutschland beim FC Ingolstadt seinen Kumpel für die frei gewordene Stelle als U23-Trainer vorschlug. "Thorsten hat mir damals nach dem Ende meiner Spielerkarriere zugeraten, als U23-Trainer nach Ingolstadt zu gehen. Das war mein Sprungbrett. Man kann sagen, dass er mir den entscheidenden Impuls gegeben hat", sagt Wiesinger, der damals keineswegs sicher war, ob er überhaupt eine Trainerkarriere forcieren sollte: "Ohne Thorsten wäre ich vielleicht nie Trainer geworden."

Fink, der laut Wiesinger schon als Spieler immer "wie ein Trainer getickt" habe, ist jedenfalls froh, dass sein einstiger Mannschaftskollege in seine Fußstapfen getreten ist. "Michael und ich hatten immer eine ähnliche Philosophie von Fußball. Er denkt sehr offensiv. Ich bin mir sicher, dass er ein sehr guter Bundesligatrainer sein wird", sagt Fink, der, so will es der Zufall, natürlich am Sonntag gleich der erste Gegner von seinem einstigen Mannschaftskollegen sein wird. Wichtiger als das Treffen mit Wiesinger ist für Fink allerdings, ob auch der zuletzt angeschlagene Rafael van der Vaart am Sonntag in Nürnberg dabei sein kann. "Es sieht ganz gut aus, aber ich muss bis zum Anpfiff entscheiden ob er wirklich zu 100 Prozent fit ist und dann für 60 Minuten Vollgas geben kann", sagt Fink.

So richtig Gas geben will Fink-Freund Wiesinger in seiner neuen Rolle beim Club. Gemeinsam mit dem früheren HSV-Co-Trainer Armin Reutershahn ("Wir sind zwei Trainer auf Augenhöhe") soll der 40-Jährige für Erfolge sorgen. Er und Fink hätten die eine oder andere SMS in den vergangenen Tagen schon ausgetauscht, aber so richtig unterhalten wollen sich die beiden Kumpel erst nach dem Spiel. "Thorsten hat mir zum Trainerjob in Nürnberg gratuliert. Er hat mir gesagt, dass ich die Chance am Schopfe packen soll", sagt Wiesinger, der gemeinsam mit Fink am Montag zur Trainertagung nach Düsseldorf reisen will.

Natürlich werden sich die beiden Kumpel dann über das Duell vom Vortag austauschen, vielleicht wird Wiesinger auch noch mal erzählen, wie er vor knapp 20 Jahren als Fußballer - natürlich gegen den HSV - sein Debüt feierte. Wahrscheinlich werden die beiden Trainer im Flieger aber vor allem über Themen außerhalb des Fußballgeschäfts plaudern. "Thorsten hat immer über den Tellerrand hinausgeschaut", sagt Wiesinger, der über Fink nur Gutes zu berichten weiß. Aber eines brauche am Sonntag beim Rückrundenauftakt niemand zu befürchten: ein Freundschaftsspiel.