Der frühere HSV-Torhüter über den Skandal-Schiedsrichter und das bittere Ausscheiden im DFB-Pokal 2004 beim SC Paderborn.

Hamburg. Ein Flachbildfernseher. Ein Gebrauchsgegenstand, den es heute in praktisch jeder Größe und zu jedem Preis gibt. Vor acht Jahren war es der Preis, für den der deutsche Fußball verkauft wurde. Ein Flachbildfernseher und 67.000 Euro, das war der "Lohn", den Robert Hoyzer eingeheimst hat. Weil er die Werte des deutschen Fußballs verraten hatte. Weil er mitgeholfen hatte, Spiele zu manipulieren. Weil er betrogen hatte.

Martin Pieckenhagen muss lachen, wenn er heute hört, wie gering die monetäre Schwelle für den damaligen Schiedsrichter doch gewesen ist. Heute kann er es, auch wenn ihm sicherlich immer noch nicht danach zumute ist. "Er hat Millionen von Menschen betrogen", sagt Pieckenhagen. Damals, vor mehr als acht Jahren, stand er im Tor des HSV.

Es war der 21. August 2004, ein regnerischer Sommertag in Paderborn. Niemand der 7027 Zuschauer im Hermann-Löns-Stadion konnte zu diesem Zeitpunkt auch nur erahnen, dass er gleich Zeuge jenes Spiels werden würde, das inzwischen als Inbegriff für den Wettskandal im deutschen Fußball steht. "Im Spiel selbst hat man das gar nicht so gemerkt", erzählt Pieckenhagen: "Sicher, einige Entscheidungen waren schon komisch, aber das gibt es im Fußball ja immer wieder mal." An diesem Nachmittag, im Erstrundenspiel des DFB-Pokals zwischen dem Regionalligaklub SC Paderborn und dem HSV, waren sie jedoch geplant.

Schnell führt der Favorit nach Toren von Christian Rahn und Emile Mpenza mit 2:0, doch schon bald wurde deutlich, dass irgendetwas nicht stimmte. Klaus Toppmöller, seinerzeit Trainer der Hanseaten, protestierte bereits nach 20 Minuten beim Linienrichter ("Hier ist doch was faul"), weil Hoyzer pfiff, wo es nichts zu pfeifen gab, und das Spiel laufen ließ, wo er hätte pfeifen müssen. Dass es zur Pause 2:2 stand, hatte Paderborn Hoyzer zu verdanken, der einen fragwürdigen Elfmeter pfiff, und Mpenza, der die Nerven verlor und den Schiedsrichter wüst beschimpfte ("Arschloch"), vom Platz stellte. Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Für den HSV, der am Ende 2:4 verloren hatte, und für den deutschen Fußball.

"In der Halbzeit haben wir Kommentare gehört, dass es für Paderborn nicht schiefgehen kann", erinnert sich Pieckenhagen, "dem haben wir jedoch keine Bedeutung beigemessen. Wir haben es überhaupt nicht so wahrgenommen, dass wir verpfiffen werden."

Was er Anfang 2005 verspürt hat, als der Wettskandal an die Öffentlichkeit gelangte? "Wut", sagt Pieckenhagen. Weil viel mehr daranhing als ein verlorenes Spiel. Oder die 780.000 Euro, die Hoyzer mit seinen Fehlentscheidungen den Drahtziehern des Wettskandals, den kroatischen Brüdern Ante und Milan Sapina aus Berlin, eingebracht hatte. "Wir hatten damals keinen guten Lauf", erzählt Pieckenhagen. Tatsächlich stand der HSV vor jenem Pokalspiel in Paderborn am Tabellenende der Bundesliga. Nach dem Pokalaus "stand Toppmöller mehr und mehr in der Kritik, und wir bekamen Probleme mit unseren Fans", verdeutlicht Pieckenhagen die Auswirkungen. Das Ende vom Lied: Toppmöller musste knapp zwei Monate nach dem Skandalspiel gehen. Ein Engagement erhielt er danach in der Bundesliga nicht mehr.

Der deutsche Fußball erholte sich nur mühsam von jenem Schock. Wohl auch um den Staub, der aufgewirbelt wurde, ob der bevorstehenden Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land so gering wie möglich zu halten, "hat man versucht, alles nur dosiert an die Öffentlichkeit zu bringen", sagt Pieckenhagen. Tatsächlich waren die Behörden keineswegs begeistert von der Aufarbeitung des Skandals durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB). In einer Mitteilung des DFB hieß es lapidar, dass betroffene Spiele nicht wiederholt werden könnten. Dem HSV wurden zwei Millionen Euro Entschädigung gezahlt, Hoyzer trat zurück und der Wettskandal beim DFB in den Hintergrund.

Hoyzer selbst habe sich hingegen "schick angezogen und sich als Popstar feiern lassen. Dabei ist er nichts anderes als ein Verbrecher", echauffiert sich Pieckenhagen auch heute noch. In einer Talkshow gab Hoyzer im Februar 2005 den Reumütigen, erzählte, dass er 13.900 der 67.000 Euro zurückgegeben habe und auch den Flachbildfernseher zurückzugeben gedenke.

Die Rolle des Büßers indes nahm ihm niemand ab, auch nicht das Berliner Landgericht. Zu zwei Jahren und sechs Monaten wegen Beihilfe zum Betrug wurde Hoyzer im November 2005 verurteilt. Ante Sapina erhielt zwei Jahre und elf Monate Gefängnis. Über 6000 Ermittlungsseiten wurden gewälzt, 170 Zeugen befragt.

Hoyzer trat seine Gefängnisstrafe in der Justizvollzugsanstalt Hakenfelde am 18. Mai 2007 an und wurde nach 14 Monaten vorzeitig entlassen. Die lebenslange Sperre, die ihm der DFB im April 2005 auferlegt hatte, wurde sechs Jahre später teilweise aufgehoben. Hoyzer darf auf Amateur- und Landesverbandsebene wieder Fußball spielen.

"Ich glaube nicht, dass es so etwas im Bereich der Profiligen in Deutschland noch einmal geben wird", sagt Pieckenhagen. Der Wettskandal von 2004 habe alle "wachgerüttelt", Warnsysteme wurden eingeführt. Doch der ehemalige Profi sagt auch: "Solange man Wetten zulässt, ist es schwierig, Manipulationen auszuschließen." Selbst wenn nur ein Flachbildfernseher dabei herausspringt.