Eine kleine Weihnachtsgeschichte: Erinnerungen an einen Coach, dessen Methoden Vorbild für den Profifußball sein sollten.

Weihnachten soll ja abseits des ganzen Trubels auch seine besinnlichen Ecken haben. Selbst im Fußball ist nun etwas Ruhe eingekehrt. Stichwort Winterpause. Und wenn in solchen festlichen Stunden so manche Feier in gemütlicher Runde hinter sich gebracht wird, dann zählt das wohl zu glücklichen Momenten, die ein jeder in den Tagen vor Heiligabend erleben kann. Ich hatte viele, auch viele schöne Feiern. Und eine, das bekenne ich an dieser Stelle, bringt mich noch heute ins Grübeln, obwohl sie schon mehr als zwei Wochen zurückliegt.

Da hatten mich die älteren Herren des USC Paloma und des HSV Barmbek-Uhlenhorst zu einer Wiedersehensfeier eingeladen. Beide Klubs standen sich vor fünf Jahrzehnten in einem Aufstiegsspiel zur Verbandsliga (heute Oberliga) gegenüber; dass BU damals 2:1 gewann, war bei diesem Treffen Nebensache. Weißt du noch? Unter diesem Motto stand dieser Vormittag.

Ich denke intensiv an diesen Tag zurück, weil bei dieser Gelegenheit auch über meinen inzwischen verstorbenen Jugendtrainer Gerhard K. gesprochen wurde. Dabei erfuhr ich auch, und das riss mich tatsächlich aus allen vorweihnachtlichen Träumen, dass er als Spieler "ungenießbar" gewesen sei. Ein Ekel, das gelegentlich auch seine Gegenspieler angespuckt haben soll. Das war für mich unvorstellbar. Diesen Mann, meinen Jugendtrainer, hatte ich bis zu diesem Tag im Dezember als netten Menschen in Erinnerung, als den liebsten Kerl, den ich auf Händen getragen und total verehrt habe. Das gilt auch heute noch. Trotz dieser unschönen Nachrichten, die ich Jahrzehnte später erfahren musste.

Warum habe ich diesen Menschen so gemocht? Nun, er hatte etwas, was in der Bundesliga kaum einmal Beachtung fand - leider bis heute. Gerhard K. hat meine Jugendmannschaft von BU allein trainiert. Ohne einen Co-Trainer, ohne zwei oder noch mehr Assistenten. Aber er hatte sich zum Ziel gesetzt, uns Knaben verbessern zu wollen. Und dafür hat er sich zerrissen. Fast bei jeder Trainingseinheit folgte zum Schluss ein Spielchen, A gegen B. Und parallel dazu griff sich Gerhard K. immer einen Spieler von uns, mit dem er am Rande ein Einzeltraining durchführte und so an den Schwächen des Spielers arbeitete. Ich weiß es noch wie heute: Als er mich einmal zu sich holte, schwoll meine Brust: "Mensch, der Trainer hat dich auf dem Zettel, der will, dass du besser wirst - einfach nur toll", dachte ich.

Bei fast jedem Training gab es damals eine zusätzliche "Schicht". Und die tat mir gut. Das Selbstvertrauen wuchs, die fußballerischen Fähigkeiten wurden stetig verbessert. Deswegen lasse ich auf diesen Trainer auch nichts kommen. Egal, wie auch immer er sich als Spieler auf dem Platz verhalten hatte. Wir Jugendlichen haben von dieser Seite unseres Trainers nie etwas gewusst. Für uns war er lediglich ein großartiger Coach, der uns vorangebracht hat. Mit ihm wurden wir, erstmals in der BU-Vereinsgeschichte, Hamburger Pokalsieger (der B-Jugend).

Und damit wäre diese weihnachtliche Geschichte auch beinahe schon zu Ende. Ich möchte aber kurz noch einmal einen Bogen spannen und auf die Bundesliga kommen. Und einen großen Mangel in der Trainerausbildung ansprechen. Fast jeder Erstliga-Coach wird heute von einem halben Dutzend Mitarbeitern umschwärmt. Die leisten meistens die Aufwärmarbeit und sehen danach mit auf dem Rücken verschränkten Armen tatenlos dem Geschehen zu.

Wie hätte es Gerhard K. wohl heute in der Bundesliga gemacht? Er hätte sich jeden Tag mindestens einen Spieler herausgegriffen, um mit ihm an seinen Schwächen zu arbeiten und ihn zu stärken. Das vermisse ich im Trainings-Einheitsbrei des deutschen Fußball-Oberhauses schon seit Jahrzehnten. Offenbar stehen solche Details nicht auf dem Lehrplan eines Fußballlehrers.

Auch wenn es, das sei noch bemerkt, beim HSV unter Thorsten Fink zuletzt durchaus den einen oder anderen Lichtblick zu verzeichnen gab: Immerhin trainierte ein Assistent gelegentlich mit Stürmer Artjoms Rudnevs (nach der Einheit für alle), um an den technischen Schwächen des Letten zu arbeiten. Wenn ich das gesehen habe, musste ich an Gerhard K. denken. So ein Training dürfte ganz in seinem Sinne sein. Weil es im Sinne des Fußballs ist.

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab