Nach seiner Wutrede steht Bruno Labbadia am Sonntag gegen seinen Ex-Klub HSV unter Erfolgszwang. Die Schwaben belegen aktuell Platz 15.

Stuttgart. Wie zu Stein erstarrt wirkte Bruno Labbadia am Abend des 7. Oktober beim 2:2 gegen seinen Ex-Klub Bayer Leverkusen. Mit verschränkten Armen stand er an der Seitenlinie und hörte die "Bruno raus!"-Rufe von den Rängen der Mercedes-Benz-Arena. Es folgte seine berühmte Wutrede, in der er sagte: "Trainer sind nicht die Mülleimer von allen Leuten" und "Entweder man geht als Trainer den schweren Weg eines Vereins mit oder sagt: Am Arsch geleckt". Vor kaum zwei Jahren sah man in Stuttgart noch andere Bilder. Labbadia wurde als Retter gefeiert, der einen leblosen Klub mit nur zwölf Punkten vor dem Abstieg rettete und in die Europa League führte.

Viel ist vom Retterimage heute nicht mehr übrig. Genau genommen nichts mehr. Die Stuttgarter schweben nach nur einem Sieg aus sieben Spielen in Abstiegsgefahr und stehen in der Europa League nach zwei Spielen mit nur einem Punkt da. Wiederholt sich nun auch in Stuttgart, was Labbadia bei seinen letzten Stationen in Leverkusen und Hamburg vorgeworfen wurde?

Es gibt erstaunliche Parallelen, die kaum glaubhaft erscheinen lassen, Labbadia ergehe es diesmal anders. Wieder legte er sich mit der Führung seines Klubs an, wieder attackierte er Fans und Medien. Vor dem Duell am Sonntag beim HSV (17.30 Uhr) jedenfalls ist die Lage dramatisch - nicht nur weil Torjäger Cacau aufgrund eines Innen- und Kreuzbandrisses mindestens drei Monate ausfällt. Im Falle einer deutlichen Niederlage muss Labbadia um seinen Job fürchten. Die Partie ist für ihn zum Endspiel geworden. Wie in Leverkusen und Hamburg ist Labbadia nicht der allein Schuldige, aber er trägt mit seinem Verhalten maßgeblich zur verfahrenen Situation bei. Nach drei Jahren bei Darmstadt 98 hielt es Labbadia jeweils ein Jahr in Fürth und Leverkusen, in Hamburg war nach neun Monaten Schluss, und in Stuttgart ist die Krise nach 22 Monaten da.

Kürzlich meldete sich der einflussreiche Aufsichtsratschef und Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt mit Warnschüssen zu Wort. Aufgabe des Trainers sei, die Mannschaft zu Erfolgen zu führen. Die monatelangen Grabenkämpfe haben mittlerweile dazu geführt, dass das Verhältnis zwischen der Klubführung und Labbadia von grundsätzlichem Misstrauen geprägt ist.

Mancher nimmt an, man mache in Stuttgart mit Labbadia nur weiter, weil die Alternativen fehlten. Dazu kommt das jämmerliche Bild, das der VfB in der Öffentlichkeit abgibt. Er erscheint als führungsloser Klub, dessen Präsident Gerd Mäuser abtaucht und nicht in der Lage zu sein scheint, seinem Cheftrainer die Vereinslinie zu vermitteln, die den verstärkten Einsatz von jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs vorsieht. Dass beide Seiten noch einmal zusammenfinden, halten die meisten für nahezu ausgeschlossen.

Das Misstrauen ist mittlerweile so groß, dass Labbadia sogar verdächtigt wird, nicht ganz unbeteiligt zu sein, wenn es in den lokalen Medien Kritik an Mäuser gibt. So stellte die "Bild"-Zeitung den Vereinschef als "schlechtesten Präsidenten" der Klubgeschichte dar. Ob Labbadia wirklich Einfluss nimmt, kann keiner verlässlich sagen, die Verdächtigungen aber zeichnen das Bild eines zerrütteten Verhältnisses.

In früheren Stationen waren ähnliche Szenarien zu entdecken. In Hamburg hieß es, Labbadia sei beratungsresistent und lege sich ohne Not mit Stützen des Teams an. Torwart Frank Rost wurde für einen unangemeldeten Kinobesuch gerügt. In Leverkusen sorgte Labbadia mit einem Interview unmittelbar vor dem Pokalfinale für Aufruhr.

Aber nicht nur zu den Mandatsträgern ist Labbadias Verhältnis in Stuttgart stark abgekühlt. Auch mit Teilen der lokalen Presse liegt der Trainer über Kreuz. Als die "Stuttgarter Zeitung" berichtete, Labbadias Assistent Eddy Sözer nerve die Spieler mit Besserwisserei, und Labbadia habe einige Nachwuchsspieler des VfB in einer Sitzung mit der Vereinsführung heruntergeputzt, sprachen Labbadia und Sportdirektor Fredi Bobic von "Rufmord".

Seit Monaten tobt ein Meinungskrieg zwischen dem Klub, in dessen Gremien vorwiegend Wirtschaftsfachleute sitzen, und sportlicher Leitung. Die Klubchefs halten das Team für stark genug, um im oberen Drittel mitzuspielen. Labbadia und Bobic warnten angesichts von nur 300 000 Euro Transferinvestitionen (Ausleihe Tim Hoogland aus Schalke) vor einer schwierigen Saison. Eine gemeinsame Linie ist vor der Partie beim HSV nicht zu entdecken. Vielmehr kämpft in Stuttgart jeder für sich. Das Spiel in Hamburg könnte Labbadias letzter Kampf werden.