Nach dem 3:2 gegen Dortmund will der HSV heute nachlegen. Zwei Siege in Folge gelangen zuletzt vor 19 Monaten. Einer der Gegner damals: Gladbach

Hamburg. Aberglaube ist im Profifußball ein weit verbreitetes Laster. Es gibt Spieler, die den Rasen dreimal auf einem Bein hüpfend betreten (der Ex-Wolfsburger Grafite) oder sich nach einem Treffer nicht mehr rasieren (Leverkusens Stefan Kießling). Es gibt Trainer, die auf ihren Glückspullover (Joachim Löw) oder die Macht der während einer Siegesserie ungekürzten Mähne (Peter Neururer) setzen. Und beim HSV gibt es Mediendirektor Jörn Wolf, der auf die Kraft von Heung Min Sons Aussagen vor einem Spiel vertraut. Zuletzt schickte Wolf den Koreaner Son am Freitag vor der Partie gegen Dortmund in die obligatorische Journalistenrunde. Und weil der 20-Jährige einen Tag später beim überraschenden 3:2-Sieg doppelt traf, wurde er auch gestern wieder in die Gesprächsrunde vor dem Abflug des Teams zum Auswärtsspiel in Gladbach gebeten. Wirkliche Neuigkeiten hatte Son zwar nicht zu verkünden, aber die Sache mit dem Aberglauben konnte auch er bestens nachvollziehen: "Ich ziehe immer die gleichen Schuhe an, wenn ich ein Tor geschossen habe", sagte der stolze Besitzer von silber-orangenen Tretern, die also auch heute Abend (20 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) in Gladbach zum Einsatz kommen.

Nun kann sich jeder selbst seine Gedanken über solcherlei Gepflogenheiten machen. Beim HSV - und das ist statistisch bewiesen - müssen derartige Gebräuche in den vergangenen 19 Monaten eindeutig zu kurz gekommen sein. So lange ist es bereits her, dass die Hamburger das Kunststück der kleinsten aller Serien vollbracht haben und tatsächlich zwei Spiele in Folge gewinnen konnten. Das gelang weder Trainer Thorsten Fink noch Vorgänger Michael Oenning und viel zu lange auch Vorvorgänger Armin Veh nicht. Zwei Bundesligapartien in Folge gewann der HSV zuletzt im Januar 2011, als ein Kopfballtor von Ruud van Nistelrooy gegen Schalke für den zweiten Erfolg in Serie sorgte. Der erste Sieg, so will es der Zufall, gelang damals gegen: Gladbach.

"Jeder hat im Spiel gegen Dortmund gesehen, dass wir super gekämpft und auch gut gespielt haben", sagte nun gestern Son, "das müssen wir auch gegen Gladbach schaffen." Neben den neonfarbigen Glücksschuhen sorgt vor allem Rafael van der Vaart für Sons festen Glauben an den nächsten Sieg. Bereits zweimal legte der Niederländer seinem koreanischen Kollegen einen Treffer auf, zweimal spielte der HSV mit dem Rückkehrer besser als in den Wochen zuvor - und zweimal in Folge soll nun auch gewonnen werden. "Rafa weiß, wo ich hinlaufe. Er hat perfekte Augen", sagte Son, der zu gerne auch gegen Gladbach wieder doppelt treffen würde.

Aller guten Dinge sind eben zwei.

Der erste Seriensieg seit 19 Monaten dürfte allerdings nur dann möglich sein, wenn Finks Mannschaft nicht nur die Leistung aus dem Heimspiel gegen Dortmund bestätigt, sondern heute Abend sogar noch einmal überbietet. "Der Erfolg gegen Dortmund war zu diesem Zeitpunkt besonders wichtig, aber wir haben auch noch einige Fehler abzustellen", gibt Fink zu. Denn erst als die Euphorie über den ersten Saisonsieg verflogen war, konnte der Trainer die beängstigend lange Mängelliste in aller Offenheit ansprechen.

Tatsächlich hatte sein Team leidenschaftliches Engagement gezeigt, aber in der Defensive viel zu viele Chancen zugelassen, sich zudem nur drei eigene Möglichkeiten erspielt. "Es hat uns in der Vergangenheit nie an der Einstellung gemangelt, sondern eher am Glauben an uns selbst", sagt Fink, der die Meister-und-Pokalsieger-Besieger heute trotzdem in der gleichen Besetzung aufs Feld schicken will. Never change a winning team, auf Deutsch: Ändere niemals die Aufstellung einer Siegermannschaft, ist so etwas wie das Einmaleins aller abergläubischen Fußballtrainer.

Die von vielen erhoffte Personalrochade, Maximilian Beister im rechten Mittelfeld und Son für den glücklosen Artjoms Rudnevs im Sturm spielen zu lassen, erteilte Fink - aus natürlich zwei Gründen - eine Abfuhr. "Maxi ist noch nicht so weit, er muss die Umstellung von der Zweiten auf die Erste Liga noch verkraften", erklärte der Trainer die andauernde Nichtberücksichtigung Beisters. Und was Rudnevs betrifft, so setzt der 44-Jährige auf den Faktor Zeit: "Sicher erwarte ich von Artjoms auch mehr, aber das wird noch kommen."

Von Tolgay Arslan, der erneut mit Milan Badelj hinter van der Vaart das zentral-defensive Mittelfeld organisieren soll, kann Fink nicht viel mehr als zuletzt erwarten. Der Aushilfs-Abräumer, der auch in Gladbach für den gesperrten Petr Jiracek spielt, überzeugte mit Übersicht, Einsatz, Defensivqualitäten und Genauigkeit. "Beim Dortmund-Spiel haben alle gesehen, dass wir es noch können", sagt Arslan, "jetzt stehen wir gegen Gladbach in der Pflicht, Konstanz nachzuweisen."

Das Beste an einem möglichen zweiten Sieg in Folge: Wie vor 19 Monaten könnte sich gleich auch der dritte Erfolg anschließen.