Vor dem Heimspiel gegen Dortmund fordert der HSV-Sportchef vom Trainer baldige Erfolge. In der Winterpause will er ein Fazit ziehen.

Hamburg. Nach knapp einer Stunde auf dem Übungsplatz gestern Vormittag hatte Thorsten Fink die drei Trainingsgäste am Spielfeldrand entdeckt. Zielstrebig ging der HSV-Trainer bei herrlichem Herbstwetter auf Sportchef Frank Arnesen, den technischen Direktor Lee Congerton und den dänischen U19-Trainer Thomas Frank zu, lächelte höflich und gab den Dreien die Hand. Ein kurzer Plausch, dann drehte sich Fink wieder um und schaute seinem Team bei der restlichen Trainingseinheit, der vorletzten vor dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund (15.30 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de), zu. "Wir wollen am Sonnabend vor allem Spaß haben", sagte Fink später, wohl wissend, dass aus Spaß im Profifußball auch ganz schnell Ernst werden kann.

Nach dem schwachen Saisonstart mit vier Pflichtspielniederlagen in Folge war es beim HSV, wo bekanntermaßen Trainer eine kürzere Verweildauer als sonst irgendwo in der Bundesliga haben, zuletzt erstaunlich ruhig um Trainer Fink. Bis gestern. Denn nachdem in den vergangenen zwei Wochen vor allem über die ersehnte Heimkehr Rafael van der Vaarts berichtet wurde, hat Sportchef Arnesen zwei Tage vor dem Spiel gegen Dortmund die Prioritäten neu geordnet. "Bis zum 16. Dezember sind es noch 14 Spiele, an denen wir uns messen lassen müssen - das gilt auch für Thorsten", sagte der Däne, der nach der 21 Millionen Euro teuren Woche kurz vor Transferschluss nun baldige Siege einfordert: "Nun müssen wir dem Trainer die Zeit geben, mit dieser Gruppe zu arbeiten." Und natürlich Erfolg zu haben. Denn: "Ein Fazit ziehen wir dann im Winter."

Während der HSV-Vorsitzende Carl Jarchow am Rande der Pressekonferenz zur geplanten HSV-Anleihe vor zwei Tagen noch betont hatte, dass es für eine Trainer-Diskussion "kein Zeitfenster" gebe, hat Arnesen dieses Zeitfenster zumindest mal auf Kipp gestellt. Der Trainer werde nicht an den beiden Spielen gegen Dortmund und Gladbach gemessen, bekräftigte der Skandinaver, der die Arbeit des Coaches aber nach der Feier zum 125. Geburtstag am nächsten Sonnabend genau überprüfen will.

Nachdem seit Saisonbeginn immer wieder Arnesen selbst in der Kritik stand, tritt der 55-Jährige nun also die Flucht nach vorne an. Dabei verwundert es wenig, dass der zweite Vorstandsvorsitzende Trainer Fink unter Erfolgsdruck setzt. Denn obwohl sie sich öffentlich immer wieder mit gegenseitigen Lobpreisungen überhäuften, sind die beiden zuletzt gleich mehrfach aneinandergeraten. Intern soll Fink vermehrt die zögerliche Transferpolitik Arnesens kritisiert haben, die er nun auszubaden hat. So soll der 44-Jährige eine ganze Reihe von möglichen Verstärkungen vorgeschlagen haben, die Arnesen größtenteils abgelehnt hat. Neben der bekannten Großbaustelle im zentralen Mittelfeld mahnte Fink besonders in der Innenverteidigung frühzeitig Handlungsbedarf an, schlug mehrere Kandidaten, darunter auch Dortmunds Felipe Santana, vor. Arnesen konterte, dass er mit Jeffrey Bruma, Michael Mancienne und Slobodan Rajkovic gleich drei Innenverteidiger im vergangenen Sommer verpflichtet habe, die Fink allerdings als begrenzt bundesligatauglich eingeschätzt haben soll. Die Verpflichtung Paul Scharners war letztendlich eine Kompromisslösung.

Im Vorstand und auch im Aufsichtsrat, dessen Mitglieder am Dienstag viereinhalb Stunden lang die sportliche Lage erörterten, sind die Differenzen der leitenden Angestellten bekannt. "Es gibt bei uns keine Trainerdiskussion - auch intern nicht. Wir sind von Fink überzeugt", bekräftigt Jarchow glaubwürdig, dem ein ähnlicher Vertrauensbeweis gegenüber Arnesen derzeit nur schwer über die Lippen kommen dürfte. Die Enttäuschung über die abgelaufene Transferperiode, die den Verein auf der Zielgeraden zu einem finanziellen Kraftakt sondergleichen zwang, sitzt bei den Verantwortlichen tief. Besonders der Umstand, dass es Arnesen nicht gelingen wollte, die verabredete Streichliste (Drobny, Tesche, Skjelbred, Rajkovic) abzuarbeiten, wird kritisiert. Zudem wurde innerhalb des Vorstands auch eine klare Leitlinie, für die Arnesen vor anderthalb Jahren aus England geholt wurde, vermisst.

Und obwohl die Skepsis gegenüber Arnesen auch im Kontrollgremium zunimmt, tun sich die Aufsichtsräte mit einer klar formulierten Kritik dennoch schwer. Ein tatsächliches Scheitern Arnesens, so die Sorge, würde öffentlich mit einem Scheitern des Aufsichtsrats gleichgesetzt werden. Immerhin konnte der Däne, das behauptet er jedenfalls, die Vorwürfe ausräumen, dass nun sogar die Fifa seine Transfers überprüfen würde. "Ich glaube, die müssen dem nachgehen, wenn jemand nur einen Verdacht äußert", sagte Arnesen, der beteuert, das beim unter Verdacht stehenden Transfer Milan Badeljs alles mit rechten Dingen zugegangen sei: "Dabei waren drei Agenten, die einer Firma angehören. Nur der Chef der Firma hat keine Lizenz, die anderen schon."

Eines haben Fink und Arnesen dann aber doch gemein: Lediglich bessere Ergebnisse dürften die aufkommenden Diskussionen eindämmen. Ob er denn der Meinung sei, dass Arnesen noch immer gute Arbeit abliefert, wurde Fink gestern auf der offiziellen Pressekonferenz gefragt. "Natürlich", antwortete Fink - und lächelte erneut.