Teil zwei des Abendblatt-Gesprächs: Rafael van der Vaart über Sehnsucht nach Hamburg, Klaus-Michael Kühne über Hilfe für den Heimkehrer.

Hamburg. Während des großen Abendblatt-Interviews mit Klaus-Michael Kühne und Rafael van der Vaart stößt kurzfristig auch van der Vaarts Gattin Sylvie dazu, die sich von den beiden Herren verabschieden will. Sie wolle nicht stören, sondern nur Tschüs sagen, sagt die RTL-Moderatorin, die zuvor mit den beiden im Nebenraum zu Mittag gegessen hatte. Für Rafael gibt's einen Kuss auf den Mund, für Kühne ein Bussi auf die Wange.

Hamburger Abendblatt: Herr van der Vaart, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass der HSV für Ihre Verpflichtung einen wohl einmaligen finanziellen Kraftakt vollziehen musste?

Rafael van der Vaart: Das ist mir schon bewusst, ganz klar. Und natürlich will ich so gut wie möglich sein, damit die Fans irgendwann wissen, dass sich das ganze Geld auch bezahlt gemacht hat.

Herr Kühne, wie sind Sie so als Fan?

Klaus-Michael Kühne: Ich kann schon sehr laut werden. Als Uwe Seeler noch spielte, war ich häufiger am Rothenbaum auf den Stehrängen. Heute bin ich leider nur noch selten im Stadion, schaue mir aber alle Spiele gemeinsam mit meiner Frau im Fernsehen an.

Hat Ihre Gattin Ahnung von Fußball?

Kühne: Sie kennt sich sogar ganz gut aus. Das Einzige, was ich ihr immer erklären muss, ist, wer von rechts nach links und umgekehrt spielt.

Van der Vaart: Das brauche ich Sylvie natürlich nicht mehr zu erklären.

Kühne: Ich muss aber zugeben, dass bei all den neuen Trikots das manchmal auch verwirrend sein kann.

Noch vor Rafaels erstem Spiel, das der HSV leider 2:3 in Frankfurt verloren hat, wurden bereits 5000 Trikots von ihm verkauft. Haben Sie sich auch eines besorgt?

Kühne: Ich durfte mich über das Privileg freuen, dass mir eines überreicht worden ist. Das wird in meinem Haus auf Mallorca einen Ehrenplatz bekommen.

Herr van der Vaart, einen Ehrenplatz in den Herzen der Fans haben Sie schon lange. Was ist das Besondere am HSV?

Van der Vaart: Ich kann das nur schwer in Worte fassen, aber der HSV ist etwas ganz Besonderes. Das Stadion, die Fans und die Stadt - das alles ist einmalig, nicht nur in Deutschland. Sie müssen sich mal vorstellen: Da bin ich vor vier Jahren gerade vom HSV zu Real Madrid gewechselt, also zum größten Fußballverein der Welt. Und das erste halbe Jahr in Madrid haben Sylvie und ich jeden Tag nur an Eppendorf gedacht.

In Madrid gibt es eben keine Marsbar. (van der Vaarts Lieblingscafé in Eppendorf, die Red.)

Van der Vaart: Das klingt lustig, aber das stimmt. Sylvie und ich haben uns nirgendwo so heimisch wie in Hamburg gefühlt. Mein Sohn ist hier geboren, ich kenne mich hier aus und fühle mich hier wohl. Ich habe auch in Madrid und in London noch viel Kontakt nach Hamburg gehabt. Und wenn man sich so richtig heimisch fühlt, erkennt man das dann auch an der Leistung.

Kühne: Rafael und auch Sylvie faszinieren mich immer wieder. Beides sind ganz normale Leute, denen auch dieser ganze Rummel überhaupt nicht über den Kopf wächst. Sie sind unglaublich sympathisch.

Und was erwarten Sie von Rafael auf dem Platz?

Kühne: Man kann von einem einzelnen Spieler nicht erwarten, dass er Wunder bewirkt. Ich bin mir sicher, dass er als neuer Kopf der Mannschaft einen großen Unterschied ausmacht. Aber damit der HSV eine echte Spitzenmannschaft wird, braucht er bestimmt noch ein bis zwei weitere Klassespieler.

Würden Sie finanziell weiterhelfen?

Kühne: Man soll niemals nie sagen. Die Entwicklung des Vereins werde ich natürlich ganz genau verfolgen. Aber aktuell habe ich keine weiteren Absichten, da ich mit der Rückholaktion van der Vaarts ein sehr großes finanzielles Engagement eingegangen bin. Fürs Erste reicht das.

Sie haben dem HSV acht Millionen Euro für die Verpflichtung van der Vaarts geliehen. Muss der Verein das Geld möglicherweise gar nicht zurückgeben, wie zuletzt mehrfach berichtet wurde?

Kühne: Ich kann Ihnen versichern, dass ich mit meinem Engagement keinen großen Gewinn machen werde. Es ist ein Modell, das mir damals vorgeschlagen wurde, ich habe mir das nicht ausgedacht. Aktuell gibt es Absprachen, dass ich beteiligt werde, wenn der HSV tatsächlich mal Meister wird oder in die Champions League einzieht. Aber auch dann könnte ich mir gut vorstellen, das Geld gleich wieder zu investieren, so wie ich es bei meinen Anteilen beim Transfer von Paolo Guerrero getan hab. Meine kommerziellen Interessen stehen deutlich hinten an. Was die Rückzahlung betrifft, will und kann ich mich da aber nicht festlegen.

Hatten Sie mal mit Herrn Hopp in Hoffenheim Kontakt?

Kühne: Nein. Ich war immer sehr beeindruckt aber auch überrascht darüber, dass er einen Verein in Eigenregie so groß machen kann. Mir wurde immer gesagt, dass derartiges in Deutschland gar nicht möglich sei. Dass es aber doch geht, zeigen auch Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg, die von Firmen finanziert werden. Der HSV will sich da aber offenbar anders positionieren.

Wären Sie denn zu einem größeren finanziellen Engagement bereit, wenn eine derartige Unterstützung in Deutschland ähnlich wie in England einfacher wäre?

Kühne: Da hätte ich schon Interesse dran. Ich würde vielleicht kein zweiter Abramowitsch werden, aber ich würde es begrüßen, wenn es zumindest mal Chancengleichheit in der Bundesliga geben würde. Es wäre nur gerecht, dass ein Individuum wie ich den HSV unterstützt, wenn Leverkusen oder Wolfsburg von Firmen gesponsert werden.

Van der Vaart: In England ist es normal, dass sich vermögende Privatleute im Fußball finanziell engagieren. Wobei ich auch der Meinung bin, dass die Bundesliga sogar ohne diese Mäzen zu den stärksten Ligen der Welt zählt.

Kühne: Mit den aktuellen Regeln hätte ich ohnehin keine Lust, mich finanziell weiter zu engagieren. Man stößt immer an irgendwelche Grenzen, nach denen man keinerlei Mitspracherecht hat. Es heißt ja immer, dass man gerne Geld geben darf, aber sonst keine Stimme hat.

Sie meinen die 50+1-Regel?

Kühne: Mag sein, dass diese Regel so heißt. Sie verschreckt jedenfalls Investoren. Es geht doch gar nicht darum, die Mannschaft aufzustellen. Das sollen schon die Profis machen. Aber wenn man als Geldgeber auftritt, dann sollte man auch ein wenig mitreden dürfen. Und bevor Sie mich falsch verstehen: Natürlich soll kein Unternehmer ins sportliche Tagesgeschäft eingreifen, sondern nur im strukturellen Bereich. Die Strukturen beim HSV halte ich jedenfalls für wenig erfolgversprechend.

Sie sprechen vom zwölfköpfigen Aufsichtsrat?

Kühne: Ja. Ein kleinerer Aufsichtsrat, der an einem Strang ziehen würde, dürfte dem Verein sehr viel besser zu Gesicht stehen. Denn der Aufsichtsrat hat eine sehr wichtige Funktion: Er muss das Management ernennen. Und da ist beim HSV in der Vergangenheit auch nicht immer alles richtig gelaufen.

Wen meinen Sie?

Kühne: Ich will hier gar keine einzelnen Personen kritisieren. Aber ein gutes und professionelles Management ist nun mal das Wichtigste in einem Verein. Ich will da über niemanden den Stab zu früh brechen. Aber klar ist auch, dass die Entscheidungen der Sportdirektion im vergangenen Jahr nicht alle glücklich waren. Jetzt muss man mal abwarten, wie die neu verpflichteten Spieler einschlagen.

Van der Vaart: Ich bin da sehr optimistisch. Unsere Mannschaft hat viel Talent, das meine ich ganz ernst. In Ansätzen hat man das auch schon in Frankfurt gesehen. Aber diese Talente brauchen nun mal Zeit, sich zu entwickeln. Ich bin jedenfalls fest entschlossen, diese Jungs zu führen.

Sie haben einen Dreijahresvertrag unterzeichnet. Könnten Sie sich auch ein Leben lang HSV vorstellen?

Van der Vaart: Warum nicht? Solange mich die Leute hier gerne haben, möchte ich bleiben. Ich würde auch gerne eine wichtige Rolle beim HSV nach meiner Karriere spielen.

Welche Rolle könnte das sein?

Van der Vaart: Ich bin zwar noch jung und will mir nicht zu viele Gedanken um die ferne Zukunft machen. Aber nach meiner Karriere könnte ich mir schon gut vorstellen, als Trainer zu arbeiten. Es würde mich auch reizen, zunächst mal im Nachwuchsbereich anzufangen. In den Niederlanden sind wir es gewöhnt, dass im Jugendbereich sehr gute Trainer ihr Wissen weiter geben. Das würde ich auch gerne tun.

Haben Sie dafür die nötige Geduld?

Van der Vaart: Ich bin generell ein sehr geduldiger Mensch. Ziel für jeden Verein sollte es doch sein, dass man pro Jahr ein bis zwei Talente an die Profis heranführt. Es wird jedenfalls nicht klappen, wahllos ein paar Spieler zu kaufen und darauf zu hoffen, mit denen die Champions League zu gewinnen. Man braucht einen Plan.

Kühne: Das sehe ich genauso. Und ich betone dabei noch einmal, dass es auf die handelnden Personen ankommt. Der HSV hatte viele gute Präsidenten, aber auch ein paar weniger gute.

Van der Vaart: Entscheidend ist, dass der Verein eine grundlegende Philosophie hat. In Deutschland wird beispielsweise sehr häufig der Trainer entlassen, wenn die Mannschaft ein paar mal verloren hat. Das ist in England ganz anders. Arsene Wenger ist schon eine Ewigkeit bei Arsenal London. Auch Alex Ferguson ist seit Langem in Manchester. Und auch wenn die beiden Vereine mal nicht die Meisterschaft holen, wird an den beiden festgehalten. Die Vereine haben eben einen Plan, eine Philosophie.

Kühne: Die braucht auch der HSV. Es ist doch kein festgeschriebenes Gesetz, dass immer nur Bayern München Erfolg haben darf. Wobei ich mir sicher bin, dass der HSV mit Rafael einen ersten wichtigen Schritt in eine bessere Zukunft gemacht hat.