Der Verein baut direkt am Stadiongelände das Leistungszentrum für Nachwuchs “HSV-Campus“. Die Anhänger sollen das Projekt finanzieren.

Hamburg. Kaum hatte der HSV die "außerordentliche Pressekonferenz" angekündigt, geisterte gestern der Name Rafael van der Vaart wieder durch die Hansestadt. Der Profi von den Tottenham Hotspurs sollte sogar schon am Elysée-Hotel gesehen worden sein, die Präsentation seiner Verpflichtung sei nur noch Formsache. Doch im Bauch der Imtech-Arena fand sich überhaupt kein aktueller Profi ein, dafür aber der gesamte Vorstand des HSV. Und dieser verkündete anlässlich des 125-jährigen Vereinsjubiläums: Am 29. September bringt der Klub tatsächlich eine Fan-Anleihe auf den Markt (das Abendblatt berichtete). Zwischen 125 Euro und einem nach oben offenen Betrag kann jeder Interessierte dem HSV ein Darlehen gewähren. Dieses Geld ist jedoch nicht für neue Stars wie van der Vaart vorgesehen, sondern ausschließlich für das Nachwuchsprojekt "HSV-Campus im Volkspark".

Sechs Prozent Verzinsung jährlich sollen den Anhängern die Investition schmackhaft machen, die Laufzeit beträgt sieben Jahre. Vorerst 12,5 Millionen Euro will der HSV auf diese Weise einnehmen, um die Kosten für den bis zu zwölf Millionen Euro teuren Bau abzudecken. Die Planungen erstellte das Architekturbüro von ECE-Chef Alexander Otto. Die Spendierfreudigkeit des Aufsichtsratschefs sparte dem Klub Anlaufkosten im sechsstelligen Bereich.

+++ So liefen die Fan-Anleihen bei anderen Vereinen +++

Hinter dem Namen "HSV-Campus" verbirgt sich ein Nachwuchsleistungszentrum, welches direkt am Stadion gebaut werden soll, unmittelbar an die Trainingsplätze angrenzend. Das rund 4000 Quadratmeter große Gebäude wird in Form einer Raute angelegt und soll das HSV-Internat für 16 Spieler, Hörsäle, Gastronomie und andere Räume für Veranstaltungen einschließen. Neben dem jetzt schon bestehenden Trainingsgelände muss ein Parkplatz weichen, um am Ende des Ausbaus auf insgesamt fünf Übungsplätze zurückgreifen zu können. Der Baubeginn ist für Frühjahr/Sommer 2013 vorgesehen, innerhalb von 18 Monaten sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Die neuen Trainingsplätze können innerhalb von acht bis zehn Wochen fertiggestellt werden. Von der B-Jugend an soll dann der komplette HSV-Nachwuchs direkt am Stadion zusammenkommen.

"Das vergangene Jahr bestärkte uns in der Überzeugung, den Verein endlich langfristig wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen. Unser Ziel ist es, den HSV wieder national und international als Spitzenmannschaft zu positionieren. Dies gelingt nur durch konsequente Förderung des Nachwuchses", erklärt Vereinsboss Carl Jarchow. Die Ausbildung der Talente sei in den vergangenen Jahren nicht wie erhofft verlaufen.

Doch nicht nur die Hamburger Talente sollen von dieser Investition profitieren, sondern auch die HSV-Fans. Neben den sportlichen Einrichtungen wird der Campus deshalb im Stile eines offenen Marktplatzes auch zahlreiche Elemente für Trainingskiebitze, Spaziergänger, Kinder und Sportler enthalten: Geplant sind eine Sportbar, Klubräume, ein zentrales Forum für Veranstaltungen sowie Einrichtungen für Freizeitsportler wie Umkleiden. "Der Campus soll zum Herzen des HSV werden", erläutert Vorstand Oliver Scheel. "An den Spieltagen wird hier der lang ersehnte Treffpunkt für alle sein, die die Raute im Herzen tragen. Kurzum: ein Ort zum Treffen, Gucken, Feiern, Anfeuern und Mitfiebern."

Einige "Details" sind noch zu lösen. 450 Parkplätze fallen durch den Neubau weg, Ersatz muss her. So könnte vor der Osttribüne eine Tiefgarage oder ein Parkhaus entstehen. Ein Denkmodell ist, auf der oberen Etage zwei weitere Trainingsplätze zu errichten. Und das Gelände rund um das vereinseigene Stadion gehört noch der Stadt - die Verhandlungen für eine Übernahme (zum Beispiel über eine Erbpacht) laufen.

Angst, dass die Millionen durch die Anleihe nicht zusammenkommen könnten, hat beim HSV niemand. "Eine solche Finanzierung ist ein erprobtes und sehr solides Mittel, um ein so langfristiges Projekt wie den HSV-Campus zu finanzieren und dabei die eigene Fan-Basis beteiligen zu können", erklärt Jarchow. "Die Resonanz im Verein und unter den Mitgliedern ist positiv."

Auch Christian Hamann, Wertpapieranalyst bei der Hamburger Sparkasse, kann die Idee nachvollziehen. "Für den HSV ist diese Art der Geldbeschaffung durchaus sinnvoll", bestätigt der Experte. "So hat der Verein sieben Jahre Ruhe, selbst wenn die Bonität nachlassen sollte." Den für Fans auf den ersten Blick attraktiv erscheinenden Zinssatz sieht Hamann jedoch eher nüchtern. "Für ein nicht börsennotiertes Unternehmen wäre ein zweistelliger Zinssatz angemessen. Zum einen hat der Anleger nur durch einen privaten Verkauf die Chance, sein investiertes Geld vor Ablauf der sieben Jahre zurückzubekommen. Zum anderen besteht immer ein Risiko, dass der Verein die Anleihe nicht auslösen kann." Dieses Risiko sieht Marketingchef Joachim Hilke nicht. "Die Rückzahlung ist in jedem Fall garantiert."

Ein weiteres Plus für den HSV: Neben den üblichen Globalurkunden wird es auch Schmuckurkunden geben, die sich die Fans einrahmen und aufhängen können - und vielleicht gar nicht daran denken, sich von diesem "Schmuckstück" nach Ablauf der Zeit wieder zu trennen und das Geld zurückzufordern.

Bei reißendem Absatz denkt der Verein sogar über eine Erhöhung des Anleihebetrages nach. Doch wer sich erhofft hat, dass zumindest ein Teil des zusätzlichen Geldes dann in neue Stars investiert wird, muss enttäuscht werden. Jarchow stellte klar, dass auch dann "nur in zukünftige Beine investiert wird, nicht in aktuelle." Somit bleibt van der Vaart zumindest vorerst eine geisterhafte Erscheinung in Hamburg und wird ohne Unterstützung eines Gönners wie Klaus-Michael Kühne nicht zu finanzieren sein. Sportchef Frank Arnesen machte zumindest ein wenig Hoffnung auf eine Rückkehr. "Ich habe mit Rafael gesprochen, er will aber erst einmal seine persönliche Situation mit dem neuen Trainer in Tottenham klären." Coach Andre Villas-Boas hatte zuletzt signalisiert, bei Anfragen gesprächsbereit zu sein. Arnesen: "Sollte ich von Tottenham oder Rafael grünes Licht bekommen, werde ich die Gespräche schnell aufnehmen. Aber zuerst brauche ich dieses Zeichen.