Der Torwart war in den ersten Spielen Symbol für die Krise. Ex-Trainer Funkel glaubt, dass er gegen Werder zum großen Gewinner werden kann.

Hamburg. Da hatte selbst der Klubchef keine Chance. 50 Euro forderte Jaroslav Drobny, 31, von Carl Edgar Jarchow ein - und er bekam sie. Der HSV-Vorstandschef musste zahlen, weil sein Handy während des Mannschaftsessens geklingelt hatte. "Als Kassenwart ist Jaroslav knallhart. Einen Besseren hätten wir für diesen Job nicht bekommen können", sagt Kapitän Heiko Westermann.

Während die Qualitäten des Kassenwarts Drobny unbestritten sind, wird über die Qualitäten des Torwarts Drobny heftig diskutiert. In Fan-Foren gilt der Tscheche wahlweise als "Flutschfinger" oder "Pannen-Mann", nachdem sich Drobny in den Heimspielen gegen Hertha BSC (2:2) und Köln (3:4) jeweils in der Schlussphase entscheidende Fehler leistete. "Das waren insgesamt drei Punkte, die wir verschenkt haben", sagt Trainer Michael Oenning - und stützt seinen Torwart jedoch sofort im nächsten Satz: "Aber er wird uns genauso noch viele wichtige Punkte retten. Ich denke nicht daran, die Torwartposition zu verändern." Manche Kritiker schreiben dies indes vor allem der mangelnden Alternative zu - schließlich patzte Ersatztorwart Tom Mickel beim letzten Test in Luzern (2:2) gleich doppelt.

Der Tscheche selbst mag über seine Fehler öffentlich nicht mehr reden. Er meidet Interviews, erklärt nur: "Ich brauche keine Rücksicht." Ein Mann der lauten Töne war er ohnehin nie. Einer wie Drobny hat immer lieber Taten für sich sprechen lassen.

Und dies ja durchaus mit Erfolg. "Jarolav ist für mich der beste Torwart, mit dem ich in meiner nunmehr 20-jährigen Trainerlaufbahn gearbeitet habe", sagt Friedhelm Funkel, einst Drobnys Coach bei Hertha BSC. Den Abstieg 2010 mit Berlin habe Drobny nicht verschuldet: "Das hatte andere Gründe."

Funkel hält es für denkbar, dass sich Drobny derzeit zu sehr unter Druck setzt. Ihm ist jedenfalls aufgefallen: "Jaroslav hat Fehler beim Rauslaufen gemacht - dabei ist der Sechzehner seine große Stärke. In der Bundesliga beherrscht kaum ein anderer den Strafraum so gut wie er."

Wie übersteigerter Ehrgeiz verkrampfen kann, hat ein anderer HSV-Torwart leidvoll erfahren: Im Derby im März 1997 gegen den FC St. Pauli (2:2) verschuldete Richard Golz mit einem misslungenen Abschlag den Ausgleich in der Schlussminute. Von diesem Fehler erholte sich Golz beim HSV nie wieder, wechselte später zum SC Freiburg. Was der heutige Torwarttrainer der Regionalligamannschaft Drobny rät? "Weitermachen", so Golz, "er muss unbeirrt weitermachen. Er muss die versteckte Schadenfreude, die ihm täglich durch Journalisten, Bekannte oder einfach nur auf der Straße begegnet, ertragen und sein Ding durchziehen." Golz selbst arbeitete seinerzeit mit einem Psychologen privat zusammen. So weit sieht er Drobny allerdings noch lange nicht. "Nur wer so etwas wegsteckt, der bleibt auch im Geschäft. Und Jaroslav ist nicht umsonst seit Jahren dabei, der kennt deutlich schlimmere Drucksituationen." Gerade Torhüter müssten sich dem Wellental der Emotionen stellen. "Als Torwart bist du ganz schnell der Versager - ein Fehler ist fast immer ein Gegentor. Das ist hart. Aber du bist eben auch schnell der Held. So funktioniert das Torwartspiel nun mal."

Bei Drobny kommt indes noch ein anderer Faktor hinzu: Er ist alles andere als der Wunschkandidat des Sportchefs Frank Arnesen. Der Däne hatte mit den belgischen Keepern des RC Genk, Koen Casteels und Thibaut Courtois, beide 19, verhandelt. Courtois wurde für neun Millionen zu Arnesens Ex-Klub FC Chelsea transferiert und dann an Atletico Madrid verliehen, Casteels ging für 760 000 Euro zu 1899 Hoffenheim.

Auf Rückendeckung seines Sportchefs kann sich Drobny also nicht wirklich verlassen. Umso wichtiger für ihn, dass Oenning bedingungslos zu ihm steht. Für Funkel genau die richtige Taktik: "Jaro braucht Vertrauen, dann kommt er auch wieder." Denn eigentlich könne Drobny mit Druck sogar ganz gut umgehen. In Berlin sei der so introvertierte Tscheche sogar ein echter Spaßvogel gewesen.

Und nun also am Sonnabend Werder. Ausgerechnet Bremen, für die meisten HSV-Fans das wichtigste Spiel der Saison. Funkel ist überzeugt, dass sein ehemaliger Schützling ausgerechnet im Weserstadion zum großen Gewinner werden wird: "Dann werden alle den wahren Drobny sehen. Der, dem man blind vertrauen kann."