Änis Ben-Hatira dachte nach Rückschlägen schon ans Karriereende. Jetzt darf der Offensivspieler auf einen langfristigen HSV-Vertrag hoffen.

Hamburg. Guten Gewissens hätte sich Änis Ben-Hatira, 22, gestern einen freien Tag gönnen können - Trainer Michael Oenning hatte ihn schließlich verordnet. Stattdessen drehte er freiwillig seine Runden und wird auch heute wieder trainieren, während die Kollegen erneut freimachen dürfen. Ausruhen? Keine Spur. Nach seiner eindrucksvollen Leistung beim 6:2-Sieg gegen den 1. FC Köln, die er mit einem Tor und einer Tor-Vorlage krönte, will der Mittelfeldspieler weiter angreifen.

"Änis weiß, wo seine Stärken sind und bringt sie super ein. Er kämpft für seine Chance", lobt der neue Cheftrainer Michael Oenning. So gut, dass er sogar den deutschen A-Nationalspieler Piotr Trochowski verdrängte.

Dabei war Ben-Hatira im Sommer nach einem insgesamt missglückten Intermezzo auf Leihbasis beim MSV Duisburg eigentlich schon so gut wie weg. Den Fußballer mit tunesischen Wurzeln zog es zum FSV Mainz. Nach dreiwöchiger Vorbereitung schien der Vertrag praktisch perfekt: "Ich hatte den Medizintest gemacht und bestanden. Anschließend habe ich mittrainiert und saß im Hotel, wo ich von einem Tag auf den nächsten vertröstet wurde. Dabei hatte mir deren Manager Christian Heidel bereits signalisiert, dass alles gut aussähe. Es war ja auch kein Probetraining, wie es hier in Hamburg hieß. Trainer Thomas Tuchel kannte mich ja sogar schon aus meiner A-Jugend-Zeit. Alles war klar." Trotzdem platzte der Transfer - genau wie ein Wechsel zu Sheffield United nach England.

Es waren die Momente, in denen Ben-Hatira einfach nicht mehr konnte, zumal er in seiner Berliner Heimat auch noch erfuhr, dass der neue Trainer Armin Veh nicht auf ihn setzen wollte: "Da war Schluss für mich. Da konnte ich nicht mehr. Ich hatte einfach keinen Bock mehr und bin einfach in Berlin bei meiner Familie geblieben - obwohl der HSV mir damals drohte, mich dann zu den Amateuren zu schicken." Allein sein Vertragsverhältnis bis 2012 bewog ihn letztlich doch zu einer Rückkehr.

"Zum Glück", freut sich Ben-Hatira heute. Denn er brauchte nur wenige Wochen, um sich bei Veh in den Vordergrund zu spielen: "Er kam damals auf mich zu und sagte, dass er sich wohl geirrt habe und mich gern dabei hätte." Eine Ehrlichkeit, die bei Ben-Hatira so gut ankam, dass er sie seinem Trainer mit konstant starken Leistungen zurückzahlte. Weil er fleißiger ist als andere. "Ich weiß jetzt, dass ich mehr machen muss. Talent allein reicht nicht", sagt Ben-Hatira selbstkritisch: "Damals war ich zu schnell zufrieden."

Es war ja auch ein kometenhafter Aufstieg. Erster Vertrag mit dem HSV mit 17, mit 18 das Debüt in der Bundesliga. Mehr noch. Ben-Hatira, der zusammen mit Deutschlands aktuell wohl bestem Fußballer Mesut Özil in der Juniorennationalelf spielte, galt als eines der größten Talente Deutschlands. Die HSV-Sturmlegende Horst Hrubesch hat sie in seiner Zeit als U-21-Nationaltrainer beide erlebt. Heute sagt er: "Der eine brauchte eben etwas länger, um zu erkennen, dass trotz des Talents nichts von allein kommt. Aber Änis hat den Schalter jetzt noch rechtzeitig umgelegt. Er musste nur verstehen, was er eigentlich schon wusste." Hrubesch ist überzeugt, dass Ben-Hatira seine Lektion gelernt hat: "Wenn er so weitermacht, stehen ihm alle Türen offen."

Worte, die Ben-Hatira freuen. Er hat verstanden - und gibt sich trotz der guten Kritiken demütig: "Ich habe noch nichts, will aber noch viel. Dafür muss ich arbeiten. Und zwar jeden Tag etwas mehr." Das macht er - und er wird dafür belohnt. Der Klub hat ihm bereits signalisiert, das Talent vorzeitig um zwei weitere Jahre bis 2014 binden zu wollen. Und auch Ben-Hatira scheint nicht abgeneigt. Zumindest sucht er aktuell eine eigene Wohnung in Hamburg, nachdem er zuletzt bei Freunden wohnte. "Ich wusste ja nicht, was passiert. Jetzt weiß ich zumindest, dass ich mein Glück selbst in der Hand habe."