HSV-Torwart Frank Rost führt vor dem Comeback gegen Stuttgart wieder das Machtwort

Hamburg. Paolo Guerrero wollte alles hören. Er lief sogar hinterher, lächelte verlegen und versuchte für einen kurzen Moment, sich zu rechtfertigen. Erfolglos. Gegen die resolute Art seines Torwarts war er machtlos. "Paolo, du bist doch auch zu dumm", hatte Frank Rost, der gegen den VfB Stuttgart (Sa, 15.30 Uhr, Imtech-Arena) wieder als Nummer eins im Tor stehen wird, geschimpft. Und Rost legte nach. "Du weißt, dass dich die Leute provozieren wollen, und gehst denen auch noch auf den Leim." Als der zuletzt durch Disziplinlosigkeiten stark in die öffentliche Kritik geratene Guerrero per Handzeichen Widerspruch anmelden wollte, lederte ihn Rost ab: "Paolo, du musst mir hier nichts erzählen. Das weißt du doch alles selbst. Also verhalte dich auch endlich so." Punkt. Guerrero lächelte verlegen und nahm die Schelte an.

Ein Bild mit Symbolcharakter. Denn niemand im HSV-Team genießt uneingeschränkteres Sprachrecht als Frank Rost. Was der 37-Jährige sagt, ist Gesetz. Und genau das hat zuletzt gefehlt. "Wir haben nicht viele, die laut sind auf dem Platz", sagt Kapitän Heiko Westermann, "sogar weniger, als ich es bisher gewohnt war. Deshalb ist es ganz wichtig, dass Frank wieder dabei ist." Immerhin konnte der HSV ohne die Nummer eins nur einen Sieg (bei vier Niederlagen) in den letzten fünf Pflichtspielen einfahren.

Auch deshalb gilt Rost, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, gegen die Schwaben als neuer Hoffnungsträger. Obwohl er sich mit seiner bedingungslosen Art nicht nur Freunde in der Mannschaft gemacht hat. Im Gegenteil, während der Vorstand Rost für dessen loses Mundwerk vor der Saison rügte, zählt der Stammtorwart in der Kabine ungebremst zu den lauteren Profis. "Anders geht es auch nicht", sagt Rost, "auf dem Platz geht es nicht um Befindlichkeiten, da geht es darum, zu gewinnen." Wie jetzt. "Gegen Stuttgart wird es ganz sicher kein fußballerischer Kracher", prognostiziert Rost, "da geht es nur ums Ergebnis. Schließlich gilt es für uns, den Abstand nach unten zu vergrößern. Wer was anderes denkt, hat es nicht verstanden."

Und obwohl gerade seine Ansagen extrem wichtig sind, kann der in Chemnitz geborene Keeper die Siegesschwüre seiner Kollegen nicht mehr hören. "Ein Sieg ist effektiver als 20 Wochen Gesabbel", so Rost klar, "wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren, endlich einfach nur ein Tor mehr machen als der Gegner."

Zudem müsse der HSV aufhören, die falschen Schlüsse aus den Spielen zu ziehen. "Ja", sagt Rost, "wir müssen gewinnen und anschließend nur an das eine nächste Spiel denken. Ein Sieg darf nicht immer gleich die Forderung nach einer Siegesserie nach sich ziehen. Genauso wenig wie eine Niederlage die totale Krise bedeuten darf. Wir müssen realistisch sein und sagen: Die Tabelle lügt nicht. Alles andere ist Augenwischerei und bringt nichts." Ob er glaubt, dass alle seiner Mitspieler das auch verstanden haben? "Das dauert bei dem einen sicher länger als bei dem anderen. Aber die Situation, in die wir uns selbst gebracht haben, erfordert nichts Glamouröses. Das hat etwas mit harter Arbeit zu tun."

Schon deshalb sei es existenziell, gegen Stuttgart zu gewinnen. "Das Wie ist völlig egal. Und wenn es der hässlichste je eingespielte Sieg wird. Wir sind nicht in der Situation, uns über die Kür Gedanken machen zu können." Obgleich die Erwartungen der eigenen Anhängen größer sind? "Klar. Wir müssen uns als Mannschaft darauf einstellen, dass nicht alle zufrieden sein werden, dass es vielleicht sogar Pfiffe geben kann, wenn wir uns auf das Arbeiten von Fußball konzentrieren." Entsprechend klare Worte wird Rost auch im Vorfeld an seine Kollegen richten. "Bei uns muss keiner behaupten, er sei aus Zuckerwatte. Lustig wird das Spiel ganz sicher nicht. Da kann es während der Partie unzufriedene Fans geben - die allerdings alle mitjubeln, wenn wir das Spiel gewonnen haben. Das ist Fußball."

Ob auch Ruud van Nistelrooy damit als Ersatzspieler leben könnte, ist allerdings fraglich. Beim Abschlusstraining am Freitag musste der ehemalige Welttorjäger Tunay Torun den Vortritt im A-Team lassen. Van Nistelrooy hatte zuletzt bemängelt, nicht "hundertprozentig frisch" zu sein, und im Training einen eher müden Eindruck hinterlassen. Dennoch erscheint die Variante mit Torun eher unwahrscheinlich, zumal neben van Nistelrooy auch Guerrero nur im B-Team trainieren durfte. Ziemlich sicher ist dagegen, dass Robert Tesche erstmals in dieser Saison auf der Rechtsverteidigerposition beginnen wird. Noch einmal Rost: "Die Aufstellung ist bei unserem Kader eher zweitrangig. Der Wille entscheidet über gut und schlecht."

HSV: Rost - Tesche, Demel, Westermann, Zé Roberto - Pitroipa, Trochowski, Jarolim, Son - Petric, van Nistelrooy. VfB: Ulreich - Degen, Niedermeier, Delpierre, Molinaro - Träsch, Gentner - Gebhart, Boka - Marica, Cacau.