Der neue HSV-Torwart René Adler über Lehren aus seiner Verletzung und den Konkurrenzkampf um die Nummer eins

Hamburg. Er ist der größte Hoffnungsträger des HSV für die kommende Saison. Mit René Adler, 27, kommt ein ehemaliger Nationaltorhüter nach Hamburg. Mit dem Abendblatt sprach er über seine Zwangspause und seine Hoffnungen mit dem HSV.

Hamburger Abendblatt:

Herr Adler, wie fit sind Sie?

René Adler:

Ich fühle mich sehr gut. Ich habe mir zwar zehn Tage Urlaub gegönnt, mehr allerdings nicht. Ich wollte nach meiner langen Ruhezeit bis zum März topfit bleiben und habe mein Trainingsprogramm seither komplett durchgezogen. Die Verletzungspause war lang und schwierig, und ich bin sehr froh, wieder ins Mannschaftstraining einsteigen zu können. Deshalb stand bei mir das Athletiktraining im Vordergrund. Ich bin voll im Plan.

Haben Sie Ihre acht Monate Zwangspause schon verarbeitet?

Adler:

Ja. Auch wenn es eine schwierige Zeit war. Ich war des Öfteren unausgeglichen, ungeduldig und unzufrieden. Viele von denen, die mir in der Zeit am meisten geholfen haben, haben ab und zu meinen Frust zu spüren bekommen. Vor allem auch die, die täglich mit mir zu tun haben. Es gab immer wieder Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob der ganze Aufwand noch Sinn hat. Gerade angesichts der Tragweite meiner Verletzung habe ich manchmal gezweifelt, habe mich dann zu meiner Familie und meiner Freundin zurückgezogen. Sie waren es, die mich durch die kleinen Täler getragen haben. Sie haben mir die nötige Kraft gegeben, sie haben mich durchgehend unterstützt. Und ich habe gelernt, dass meine Zeit als Fußballer begrenzt ist.

Welchen Schluss ziehen Sie daraus? Bereiten Sie Ihre Zeit nach der Karriere schon vor?

Adler:

Nein, darum geht es nicht. Ich habe aber gemerkt, dass ich vielleicht teilweise zu ehrgeizig bin, dass mir etwas mehr Gelassenheit guttun würde. Ich habe eine neue Gewichtung in meinem Leben. Das ist auf verschiedenen Säulen aufgebaut. Eine davon ist meine Fußballkarriere, der ich jetzt 100 Prozent meiner Aufmerksamkeit widme. Allerdings weiß ich, dass ich meinen Job besser mache, wenn ich einen Ausgleich zum täglichen Stress habe. Ich habe das oft bei frischgebackenen Vätern miterlebt, dass sie plötzlich vernünftiger, konzentrierter und ausgeglichener waren. Playstation, Cafés und stumpfes Fernsehen nach dem Training sind nicht mein Ding, deshalb werde ich ein Studium beginnen, dafür abends in meiner Freizeit auch Vorlesungen an der Fachhochschule besuchen. Ich will lernen. Und ich brauche das normale Leben außerhalb des Showbusiness, vor allem normale Leute, die mich stinknormal behandeln.

Wie wichtig ist Ihnen die Rückkehr in die Nationalelf?

Adler:

Auf lange Sicht ist das natürlich mein Ziel. Wenn man einmal da war, will man immer da sein. Gerade wenn man sieht, welch begeisternden Fußball wir heutzutage spielen. Es ist die größte Ehre, für mein eigenes Land zu spielen, aber ich bin auch Realist. Ich war ein Jahr weg. Jetzt muss und will ich erst einmal beim HSV ein Teil des Ganzen sein, hier mit der Mannschaft Erfolge feiern und mit der ganzen Stadt sportlich wieder einen positiven Trend einleiten. Das ist mein größtes Ziel. Und zwar alles ernsthaft - aber mit dem nötigen Spaß.

Sie haben gleich für fünf Jahre unterschrieben. Warum so lang?

Adler:

Ich war zwölf Jahre bei Leverkusen, ich wechsele nicht alle zwei Jahre den Klub. Das bin ich nicht. Ich werde nie Nie sagen, aber ich bin tendenziell der Typ, der weiß, was er hat und das schätzt. Ich bin vereinstreu. Und die fünf Jahre sind auch vom HSV ein großer Vertrauensbeweis. Es bestätigt das Gefühl, das mir Frank Arnesen vom ersten Gespräch an gegeben hat. Seine Art und Weise hat mir imponiert. Er hat mich heißgemacht. Ich sehe mich als Teil eines Neuaufbaus. Darauf bin ich heiß, das finde ich spannend.

Noch haben Sie mit Jaroslav Drobny eine Nummer eins als Konkurrenten. Wie sehen Sie die Situation?

Adler:

Die Konkurrenz belebt mich. Ich mache mir da keine Gedanken. Ich achte zwar erst einmal auf mich, bin aber sehr kollegial. Ich spiele kein falsches Spiel und äußere mich nicht öffentlich über meine Kollegen. Ich schätze sie - auch als Konkurrenten.

In Leverkusen haben Sie einst Jörg Butt die Nummer eins abgenommen.

Adler:

Und ich weiß heute, wie er sich gefühlt haben muss. Er hatte moniert, dass es vorbereitet wirkte. Und es kann sein, dass dieser Umbruch gewollt war. Er war ja nicht lange verletzt, sondern hatte nur eine Rote Karte. Aber ich habe das damals nicht so hinterfragt. Ich war jung und wollte einfach nur spielen. Als das gut lief, war ich glücklich. An Jörg habe ich dabei nicht gedacht. Aber ich werde bei Gelegenheit das Gespräch mit ihm suchen.

Sind Fußballer zu egoistisch?

Adler:

Das kann man so pauschal nicht sagen. Es ist ja auch nicht leicht für einen Fußballer. Er muss sich durchsetzen, demnach zuerst an sich denken. Zudem sind wir für die Klubs doch auch nur Nummern, die ausgetauscht werden, wenn sie nicht mehr funktionieren. Gerade Torhüter haben es nicht leicht. Wir haben nur eine Position, die wir spielen können - und die Konkurrenz wächst. Immer mehr junge und gute Keeper kommen nach. Sie werden immer besser und sind günstiger. Das ist harte Konkurrenz. Da müssen wir unsere Position immer wieder neu beweisen. Ich habe es als junger Keeper erlebt - und ich werde es irgendwann als alter Keeper erleben. Das ist die große Klammer einer Torwartlaufbahn.