Nach dem 1:1 in Nürnberg fehlt dem HSV noch immer ein Punkt zum Klassenerhalt. Drobny droht gegen Mainz auszufallen, Kacar fehlt vier Monate.

Nürnberg/Hamburg. Medizinisch scheint die Sachlage nicht wirklich kompliziert. Das Becken (lat.: Pelvis), so steht es zumindest im Internetlexikon geschrieben, ist der Körperabschnitt unterhalb des Bauchs und oberhalb der Beine. Und eine Prellung jenes Körperabschnitts, so sagt es zumindest HSV-Mannschaftsarzt Philip Catala-Lehnen am Tag nach dem 1:1 in Nürnberg , sorgt im Normalfall für eine zweiwöchige Zwangspause. Nun ist Becken aber nicht Becken und Jaroslav Drobny alles andere als ein Normalfall. Und die Sachlage nach dem Spiel bei den Franken, bei dem der Torhüter nach 22 Minuten mit einer schweren Beckenprellung ausgewechselt und umgehend ins Klinikum Süd gebracht werden musste, scheint damit sehr wohl kompliziert. "Jaro ist ein harter Typ, er will unbedingt am nächsten Wochenende wieder spielen", sagt Catala-Lehnen, der sich aber noch unsicher ist, ob er das als Arzt auch guten Gewissens zulassen kann: "Irgendwann reicht es auch mal. Ich würde mich mit so einer Verletzung 14 Tage lang krankschreiben."

Zwei Wochen, da ist sich Sportchef Frank Arnesen sicher, dürfte die Genesung Drobnys aber kaum dauern. Der Däne suchte noch vor dem Rückflug mit seinem unverwüstlichen Torhüter am späten Sonnabend in einer Münchner Flughafenbar das Gespräch, das ihn nach dem enttäuschenden Auftritt in Nürnberg wieder etwas versöhnlicher stimmte: "Nach dem ersten Bier ging es Drobo schon besser, nach dem zweiten noch viel besser." Arnesen wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn Drobny sich fit quälen und tatsächlich schon wieder am Sonnabend im Spiel gegen Mainz 05 im Tor stehen würde: "Wir müssen einfach alles dafür tun, damit er wieder einsatzbereit ist."

Die Anekdote von Drobnys Blitzheilung im proportionalen Verhältnis zum Bierverzehr war so ziemlich die einzig gute Nachricht, die Arnesen nach dem ernüchternden Sonnabend aus Nürnberg mitbringen konnte. Weniger freuen durfte sich der Sportchef darüber, dass der HSV beim Club zwar kämpferisch überzeugen konnte, spielerisch aber auf ganzer Linie enttäuschte. Lediglich das Pingpong-Tor von Heung-Min Son zur zwischenzeitlichen Führung darf positiv herausgehoben werden. Das Ziel, den vorzeitigen Klassenerhalt zu feiern, musste der frühere Chelsea-Manager aber spätestens nach dem unglücklichen Ausgleich durch David Didavi um mindestens eine Woche verschieben. Am meisten bedrückte Arnesen aber die schwere Verletzung, die sich Gojko Kacar kurz vor Schluss bei einem unglücklichen Zweikampf mit Nürnbergs Torschützen zugezogen hatte: Knöchelbruch, Innenband- und Syndesmosebandriss. Im Gegensatz zu Drobny, der das Nürnberger Krankenhaus nach kurzer Untersuchung verlassen durfte, musste der Serbe noch am Sonnabend am linken Fuß operiert werden. Mindestens vier Monate wird der Mittelfeldmann, der bislang als möglicher Abgang im Sommer galt, fehlen. Ein Transfer dürfte durch die Verletzung ausgeschlossen sein.

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Dass der HSV auch nach Kacars prognostizierter Rückkehr im August noch in der Bundesliga spielen wird, daran hat Trainer Thorsten Fink trotz des mageren Auftritts in Nürnberg kaum noch Zweifel. "Wir haben keinen tollen Fußball gespielt, aber immerhin gekämpft", sagte Fink, der im Falle eines Ausfalls von Drobny keine Probleme damit hätte, beim möglicherweise entscheidenden Spiel gegen Mainz erneut dem Bundesligadebütanten Sven Neuhaus das Vertrauen im Tor zu schenken: "Sven hat seine Sache sehr ordentlich gemacht, er ist ja auch nicht nur zum Trainieren bei uns."

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Neuhaus selbst gab nach seinem unverhofften Bundesligadebüt zu, bei seiner Einwechslung trotz seiner 34 Jahre "ein gesundes Kribbeln" gespürt zu haben. Der gebürtige Essener, dem Arnesen eine Vertragsverlängerung in Aussicht stellt, erwischte einen guten Start, hielt einen Schuss von Pekhard sicher (29.) und wurde im restlichen Verlauf der Partie kaum noch geprüft. Bei Didavis Gegentreffer blieb der 153-malige Zweitligakeeper ohne Abwehrchance, auch wenn Neuhaus selbstkritisch einräumte, dass es seiner Meinung nach keine unhaltbaren Bälle gebe. Sollte Drobny gegen Mainz tatsächlich ausfallen, wäre er jedenfalls bereit: "Es ist ja keine Strafe, vor 57 000 Zuschauern in unserem Stadion zu spielen. Und natürlich wäre es umso schöner, wenn wir dann den Klassenerhalt endlich perfekt machen könnten."

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Die Ausgangslage vor dem letzten Heimspiel der Saison gegen die bereits gesicherten Mainzer scheint trotz der angespannten Personallage günstig. Direkt kann der HSV durch die Niederlage von Hertha gegen Lautern ohnehin nicht mehr absteigen, ein Abrutschen auf den Relegationsplatz 16 ist unwahrscheinlich. Aufgrund der um neun Tore besseren Tordifferenz im Vergleich zum 1. FC Köln dürfte Finks Mannschaft schon ein Unentschieden aus den letzten beiden Spielen gegen Mainz und Augsburg für den endgültigen Klassenerhalt reichen. "Wir sind in dieser Saison gegen so viele Ströme geschwommen, da werden wir das jetzt auch noch schaffen", sagte Kapitän Heiko Westermann, der sich für den Klassenerhalt noch zweimal quälen will.

Das Restprogramm der Abstiegskandidaten: HSV (14. Platz/35 Punkte/minus 21 Tore): Mainz (H), Augsburg (A); Augsburg (15./34/minus 14): Gladbach (A), HSV (H); Köln (16./30/minus 30): Freiburg (A), Bayern (H); Hertha (17./28/minus 24): Schalke (A), Hoffenheim (H).