Beim Auswärtsspiel in der Hauptstadt sollen Mladen Petric und Ivo Ilicevic für neuen Schwung beim HSV sorgen. Vorausgesetzt, ihre Waden halten.

Hamburg. Mit dem Musculus gastrocnemius, auf Hochdeutsch: Wade, ist das so eine Sache. Über Nasenbeinbrüche, Kreuzbandrisse und Sprunggelenksverletzungen wird beinahe nach jedem Spieltag detailliert aufgeklärt, bei einer Reizung oder Prellung des Skelettmuskels am Schienbein wird dagegen oberflächlich nur von "Wadenproblemen" berichtet. Ernst zu nehmende Hinweise auf die "kroatische Wade", von der in den vergangenen Tagen vermehrt beim HSV die Rede war, sind nicht mal in der Fachliteratur zu finden.

So gesehen darf man es wohl als Laune des Schicksals beschreiben, dass ausgerechnet die beiden Kroaten Mladen Petric und Ivo Ilicevic zuletzt vermehrt wegen "Wadenproblemen" pausieren mussten. Als Glücksfall muss man dagegen bezeichnen, dass sich beide rechtzeitig vor der Partie des HSV gegen Hertha BSC wieder fit gemeldet haben. In Berlin (Sa., 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) sollen sie für den gegen Dortmund so schmerzlich vermissten Schwung in der Offensive sorgen - Petric an der Seite Paolo Guerreros im Sturm, Ilicevic für den zuletzt enttäuschenden Zhi Gin Lam auf dem rechten Mittelfeldflügel.

Während Petric, der seine Schmerzen als Wadenprellung infolge eines Muskelfaserriss spezifizierte, noch vor der Abfahrt nach Berlin von Trainer Thorsten Fink eine Einsatzgarantie erhielt, muss Ilicevic den tadellosen Zustand seiner Wade im heutigen Abschlusstraining zunächst noch unter Beweis stellen. "Ich kann wieder auf Ivo zurückgreifen, aber er hat bislang erst zweimal trainiert", sagt Fink, "ich weiß noch nicht, ob das zu wenig ist."

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Finks zurückhaltender Optimismus ist aufgrund von Ilicevics Krankenakte verständlich. Der für vier Millionen Euro verpflichtete Nachfolger Eljero Elias hat seit seinem Wechsel vom 1. FC Kaiserslautern im vergangenen August erst ein einziges Spiel über 90 Minuten bestritten, zudem nur ein Tor beim 2:1-Sieg in Freiburg erzielt. Mal zwickte der Oberschenkel, mal waren es die Adduktoren oder eben die Wade. Dabei gehörte Ilicevic nach dem Ausfall Gökhan Töres, der nach seiner Knie-OP sechs Wochen pausieren muss, auf dem rechten Flügel fest zum geplanten Finkschen Offensivsystem. Macht die Wade nach dem Abschlusstraining erneut zu, wie es Lothar Matthäus formulieren würde, muss erneut Lam ran.

Jegliches Risiko vermeiden will Fink im Fall von Petric, den er vor dem plötzlich aufgetretenen Wadenzipperlein als "Geheimwaffe für die Rückrunde" bezeichnet hatte. "Vielleicht werde ich ihn bis zum Anpfiff in Watte packen", sagt Fink, der sich von dem neuen alten Angriffsduo Guerrero/Petric in Berlin sehr viel mehr Durchschlagskraft als zuletzt gegen Dortmund erhofft. Der Versuch mit Guerrero als einzige Spitze soll einmalig bleiben.

Das freut natürlich auch Petric, der "keine Zeit mit der Aufarbeitung des Dortmund-Debakels verplempern" will. Gegen Berlin habe er ein gutes Gefühl, die Mannschaft habe die Niederlage bestens verarbeitet, alle schauten jetzt nur nach vorne. Fußballfloskeln eben. Sehr viel konkreter soll und will der 31-jährige Ausnahmestürmer auf dem Platz gegen Hertha auftreten. Immerhin sechsmal hat er schon gegen Berlin getroffen, mindestens ein Tor darf am Sonnabend hinzukommen.

Neben Wiedergutmachung für die Pleite gegen den BVB und das Verhindern eines weiteren Abrutschens in der Tabelle hoffen Petric und Ilicevic auch aus egoistischen Motiven auf einen baldigen Umschwung beim HSV. Die beiden kroatischen Offensivspieler dürfen sich große Hoffnungen machen, für die EM im Sommer nominiert zu werden - vorausgesetzt die Leistungen im Verein stimmen und die Waden halten. "Ich habe mir sehr viel vorgenommen für die Rückrunde, es wird vielleicht das wichtigste Halbjahr meiner bisherigen Karriere", sagt Ilicevic, der bislang noch nie für ein großes Turnier nominiert wurde. Nationaltrainer Slaven Bilic scheint jedenfalls große Stücke auf den quirligen Flügelflitzer zu halten. Im vergangenen September bat Bilic den gebürtigen Aschaffenburger sogar zur Nationalmannschaft, obwohl Ilicevic verletzt nicht spielen konnte. "Ich merke, dass er mir großes Vertrauen schenkt", sagt Ilicevic, der sich ähnliches Vertrauen auch von Fink erarbeiten will. Ein überzeugendes Spiel ohne neue Wehwehchen in Berlin könnte ein Anfang sein.