Gerüchte um Herthas ehemaligen Manager Dieter Hoeneß. Die Entscheidung des Aufsichtsrats wurde vertagt.

Hamburg. Im Vorfeld der Sitzung war erwartet worden, dass am Dienstag endlich ein neuer Sportchef für den HSV vorgestellt werden kann. Horst Heldt (Stuttgart) war der Favorit. Doch als um 21.08 Uhr Aufsichtsratsvorsitzender Horst Becker an die Öffentlichkeit trat, konnte er nur vermelden, dass der Verein weiter auf Zeit spielt: "Es gab im Aufsichtsrat große Zustimmung über die Ausführungen des Personalausschusses. Wir sind uns alle einig, zeitnah im Winter eine Lösung zu präsentieren. Aber ein Winter dauert bekanntermaßen bis zum Februar ..." Dazu gab es Gerüchte um Dieter Hoeneß, den ehemaligen Macher von Hertha BSC.

Aber der Reihe nach: Knapp vier Stunden zuvor, um exakt 17.20 Uhr, war Aufsichtsratsmitglied Ian Karan standesgemäß von seinen Kollegen begrüßt worden. Als der Container-König das Restaurant der Nordbank-Arena betrat, schmetterten die versammelten Räte spontan die deutsche Nationalhymne - schließlich hatte Karan am Abend zuvor die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Dann begutachteten die Mitglieder des höchsten Kontrollorgans des Vereins die neuen schicken Ausgehanzüge.

Wenig später, als sich die Türen schlossen, wurde es dann aber ernst. Bei deftigem Grünkohl und Kochwurst diskutierten die Räte - es fehlte nur Sergej Barbarez - mit dem Vorstand über ein Thema, das den HSV seit Monaten beschäftigt: Wer soll die Nachfolge von Dietmar Beiersdorfer antreten? Der erste Versuch der Neubesetzung war Anfang September gescheitert - dem Münchner Spielervermittler Roman Grill blieb die Nominierung durch den Aufsichtsrat versagt, nachdem sein Konkurrent Oliver Kreuzer die Kandidatur kurzfristig per SMS abgesagt hatte.

Gestern also das nächste Kapitel in der Sportchef-Suche. Als Favorit galt im Vorfeld Stuttgarts Sportdirektor Horst Heldt. Nach Abendblatt-Informationen gab es bereits vor Monaten erste Gespräche. Auch über Heldts (sehr hohe) Gehaltswünsche wurde schon gesprochen. Heldts Vorteil: Er kennt HSV-Trainer Bruno Labbadia gut - in der Saison 94/95 haben sie sogar gemeinsam für den 1. FC Köln gespielt. Seine Wertschätzung in der Branche ist hoch. Meister-Trainer Felix Magath wollte ihn sowohl nach Wolfsburg als auch jetzt zum FC Schalke 04 holen.

In den letzten Tagen hat die Personalie Heldt an Brisanz gewonnen. Denn der ehemalige Nationalspieler, der den VfB Stuttgart gleich in seinem ersten Jahr als Sportdirektor 2007 zur Meisterschaft führte, steht derzeit in seiner Heimat massiv unter Druck. Nach der Talfahrt der Stuttgarter in die Abstiegszone steht Heldt auch intern massiv unter Beschuss, ihm wird die zuletzt misslungene Transferpolitik angelastet. Zudem ließ Heldt Beck und Weis nach Hoffenheim ziehen, wo sie Nationalspieler wurden. Derzeit hat der VfB vor allem ein massives Problem im Sturm, und auch die neuen Stars Hleb und Pogrebnjak sind noch nicht wie gewünscht integriert.

Als sein größter Kritiker gilt Aufsichtsratschef und Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt. Sonnabend vor dem Spiel gegen Hoffenheim muss sich Heldt nun dem Aufsichtsrat in Stuttgart stellen. Er ist gefordert, ein überzeugendes Konzept zu präsentieren, wie es weitergehen soll. Auch die jüngste Vergangenheit mit der Entlassung von Trainer Markus Babbel soll ausführlich analysiert werden.

"Intern werden Fragen gestellt werden müssen", kündigte Hundt in der "Stuttgarter Zeitung" an. "Wir werden uns nach den Ereignissen der letzten Wochen sehr intensiv über interne Themen unterhalten." Kein Wunder, dass sich Heldt gestern öffentlich zum Thema HSV sehr bedeckt hielt: "Wir haben zurzeit wirklich andere Probleme. Das ist für mich absolut kein Thema."

Will Heldt jetzt doch einen Rückzieher machen? Auch das ist denkbar. Er scheint zu zögern. Schließlich müsste der stets loyale Sportchef ausgerechnet in einer schweren Krise mit dem Vorwurf leben, er habe seinen VfB im Stich gelassen.Ein enger Vertrauter sagt: "Der Horst wird frühestens dann den Verein verlassen, wenn es beim VfB einigermaßen wieder läuft."

Andererseits könnte genau diese Krise dem HSV in die Karten spielen. Bislang war man davon ausgegangen, eine Art Ablöse an den VfB zahlen zu müssen - schließlich hat Heldt in Stuttgart noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2013. Zumindest dieses Problem wäre bei einer vorzeitigen Trennung erledigt.

Am Abend wurde zudem spekuliert, dass für mehrere Aufsichtsräte auch Dieter Hoeneß ein geeigneter Kandidat sei - offenbar auch, um ein Gegengewicht zu Hoffmann im Vorstand zu schaffen. Eine Alternativlösung soll auch Nürnbergs Manager Martin Bader sein, der allerdings derzeit andere Sorgen hat. Nach dem 0:4 gegen den HSV bekam er anonyme Morddrohungen.