Der Nationalspieler des HSV zählt sich zu den “Auserwählten“ und spürt die Pflicht, für Deutschland alles zu geben.

Abendblatt: Herr Trochowski, sind Sie abergläubisch?

Piotr Trochowski: Ich? So was wie immer erst den rechten und dann den linken Schuh anziehen? Nein.

Abendblatt: Schade. Jeder Fußballer soll doch einen kleinen Tick haben.

Trochowski : Hmmh. Ich esse immer das Gleiche.

Abendblatt: Was denn?

Trochowski: Nudeln (lacht).

Abendblatt: Sie sind seit Montagabend bei der Nationalmannschaft. Wie baut sich die Spannung vor einem K.-o.-Spiel wie jetzt in Russland auf?

Trochowski: Die Spannung ist in jedem Training dein ständiger Begleiter, weil man sich in jeder Übung konzentriert. Das berühmte Kribbeln kommt in der Regel erst einen Tag vor dem Spiel.

Abendblatt: Zwischen den Einheiten ist ja eine Menge Zeit. Ist es nicht manchmal langweilig?

Trochowski: Überhaupt nicht. Ich lese Bücher, derzeit eine Billion Dollar von Andreas Eschbach, mache ein bisschen Gehirnjogging auf meinem Nintendo DS, surfe im Internet. Wobei es nicht so ist, dass ich abklappere, was über mich geschrieben wird. Außerdem haben wir eine Players Lounge. Oder man ruht sich einfach aus. Ich bin der Ansicht, dass man sehr fokussiert auf Fußball sein muss.

Abendblatt: Sie haben sich seit 2008 beim DFB etabliert. Werden Sie inzwischen anders wahrgenommen, zum Beispiel wenn Sie mit Ihrer Freundin ins Restaurant gehen?

Trochowski: Man steht eher unter Beobachtung. Dieser Umstand ist aber nicht nur eingetreten, weil ich Nationalspieler wurde, sondern auch, weil ich länger in Hamburg spiele und oft in der Öffentlichkeit stehe.

Abendblatt: Nervt es Sie, wenn Sie ständig erkannt werden?

Trochowski: Ich habe schon meine Ecken in Hamburg, wo ich mich zurückziehen kann, das ist nicht das Problem. Meistens gebe ich gerne Autogramme oder mache Fotos, aber manchmal bin ich auch privat, zum Beispiel wenn ich mit Freunden oder meinen Brüdern unterwegs bin, die ich länger nicht gesehen habe.

Abendblatt: Man hatte zuletzt den Eindruck, dass Sie sich häufiger mal zurücknehmen.

Trochowski: Man muss als öffentliche Person die Balance halten und sich zurückziehen, wenn es zu viel wird und man seine Ruhe braucht. Das stimmt schon. Aber extrem war es bisher noch nie. Ich bin ja nicht Cristiano Ronaldo.

Abendblatt: Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie auf dem Platz stehen und die Nationalhymne erklingt?

Trochowski: Ich bete ja immer. Man ist stark fokussiert, freut sich, dass es endlich losgeht, hakt alles andere ab. Man versucht, auch den letzten Gedanken aufs Spiel zu richten. Mit dem Anpfiff ist dann sowieso alles andere weg.

Abendblatt: Denken Sie noch manchmal daran, dass Sie auch das polnische Trikot hätten tragen können?

Trochowski: Das ist abgehakt, nein. Ich bin ja jetzt 20 Jahre in Deutschland. Wobei ich gerne an die Vergangenheit zurückdenke.

Abendblatt: Was bedeutet es für Sie, deutscher Nationalspieler zu sein?

Trochowski: Zu den Auserwählten zu gehören, einer von wenigen zu sein, die es geschafft haben. Diese Ehre ist zugleich eine große Verantwortung, eine Verpflichtung, alles für den Erfolg zu geben.

Abendblatt. Das klingt nach großem Druck.

Trochowski: Solche Spiele wie gegen Russland sind schon außergewöhnlich. Aber es ist ja nicht so, dass wir beim HSV keinen Druck hätten, ob in der Bundesliga oder der Europa League. Das sind im Grunde auch alles Endspiele.

Abendblatt: Was macht den Unterschied aus, zu den Auserwählten zu gehören? Sind das nur Kleinigkeiten, wenige Prozente?

Trochowski: Es gehört schon ein bisschen mehr dazu als einige Prozente oder Glück. Voraussetzung ist neben dem Talent, an sich zu glauben und nicht aufzugeben, wenn es mal nicht so gut läuft, und trotzdem alles zu geben. Irgendwann werden das Glück und die Stärke dann wieder zurückkommen. Außerdem muss man, wie schon angedeutet, sehr professionell leben, zielgerichtet auf die Aufgabe sein und all das verlockende Beiwerk zur Seite schieben. Man muss Opfer bringen.

Abendblatt: Das klingt wie das Leben eines Asketen.

Trochowski: So nun auch wieder nicht. Ich bin aber keiner, der nächtelang unterwegs ist oder auf Partys geht.

Abendblatt: Sondern?

Trochowski: Ich habe einen kleinen Kreis von Freunden und der Familie. Das ist mir wichtig und heilig, dort hole ich meine Kraft. Mit allem anderen, ob Sponsorentreffs oder Interviews, darf man es - so wichtig sie sind - nicht übertreiben, damit es dich nicht ablenkt.

Abendblatt: Ist es mittlerweile schwer geworden, neue Freunde kennenzulernen?

Trochowski: Das geht schon. Man entwickelt so ein Gespür dafür, ob einem die Leute was Gutes wollen oder nicht ...

Abendblatt: ... und sich nur mit Ihrer Bekanntschaft schmücken wollen ...

Trochowski: ... das gibt es auch. Aber von solchen Leuten lasse ich mich nicht irritieren.

Abendblatt: Welche kleinen Sünden erlauben Sie sich ab und zu, womit belohnen Sie sich für gute Leistungen?

Trochowski: Wenn wir im Verein mal erst am Nachmittag trainieren, kann es vorkommen, dass ich später schlafen gehe. Ich mag die Nächte.

Abendblatt: Aus Ihren Worten klingt immer wieder ein großer Ehrgeiz durch. Wie behält man sich diesen Ehrgeiz, obwohl man es schon weit gebracht hat?

Trochowski: Man darf nicht die Träume und Ziele vergessen, die man weiterhin hat. Es ist ja noch nicht zu Ende. Man will einen Pokal gewinnen, Meister werden, mehr Tore schießen. Der Ehrgeiz ist immer da, besser zu werden, das spornt mich jeden Tag an.

Abendblatt: Während Ihrer Karriere gab es oft Zweifler und Zweifel. Wie haben Sie es geschafft, immer an sich zu glauben?

Trochowski: Ich wusste immer: Irgendwann kommt das Hoch wieder. Wie Sylvester Stallone als Rocky das in einem seiner Filme mal gesagt hat: Es ist egal, wie viele Schläge du eingesteckt hast oder wie oft du auf dem Boden liegst, es ist wichtig, dass du immer wieder aufstehst. Ich wusste, dass ich durch harte Arbeit und meine Qualitäten positiv aus allen Situationen komme.

Abendblatt: Rocky ist eine im Film geschaffene Kunstfigur. Gibt es einen echten Sportler, den Sie bewundern?

Trochowski: Einige, zum Beispiel Roger Federer, der gehört zu den Besten. Und zwar nicht nur, weil er der beste Tennisspieler aller Zeiten, sondern so stark im Kopf ist. Wie schnell er verlorene Spiele oder Fehler abhakt, daraus kann man lernen. Solche Fähigkeiten haben nur wenige Sportler, wie auch Tiger Woods.

Abendblatt: Gibt es eigentlich Übungen, bei denen Sie sich quälen müssen?

Trochowski: Nein. Mein Hobby ist mein Beruf. Das sagt doch alles.

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