Bruno Labbadia setzt weiter auf Geduld und der Aufsichtsrat schiebt Jol den Schwarzen Peter zu - es gilt, zwei Wochen Vorbereitung aufzuholen.

Hamburg. Das triste Wetter passte ins Bild. Als Bruno Labbadia seine Spiel- und Problemanalysen begann, ergoss sich ein Regen seltener Stärke rund um die Nordbank-Arena. Mittendrin - und allein - der HSV-Coach. Der mühte sich, die schwachen Auftritte in Düsseldorf (7:4-Sieg im DFB-Pokal), gegen Randers (0:1-Niederlage in der Europa League) und jetzt beim SC Freiburg (1:1 in der Bundesliga) zu erläutern. Das für viele schwer erklärbare körperliche Tief seiner Spieler sei einkalkuliert gewesen, sagte der Trainer, "obwohl wir alle mit unserem spielerischen Auftritt in Freiburg nicht zufrieden sein können. Wir hatten aber einfach keine normale Vorbereitung", so Labbadia, "deshalb kommt für mich unsere derzeitige Verfassung nicht überraschend. Die ist für mich auch nicht beängstigend."

Was nach außen wie ein Fehlstart wirkt, war beim HSV intern eingeplant. Und für Aufsichtsratsboss Horst Becker die Schuld von Labbadias Vorgänger. "Wir haben als letzter Verein mit der Vorbereitung begonnen", so der Aufsichtsratsboss, "das spielt ganz sicher eine Rolle. Aber das war nicht die Planung unseres aktuellen Trainers, sondern die des vorigen." Gemeint ist Martin Jol, der nach Ende der vergangenen Saison trotz Vertrages beim HSV bei Ajax Amsterdam anheuerte. Ausgerechnet der ehemalige Hamburger Publikumsliebling avanciert nun zum Buhmann für die ersten Fehlleistungen der neuen Saison. Er hatte die Saisonplanung auf den Weg gebracht, Labbadia hatte sie übernommen. Ob es ein Fehler war, die Spieler nicht früher aus dem Urlaub zu holen? "Der Plan stand, und auch die Spieler brauchen Planungssicherheit."

Stattdessen intensivierte Labbadia die Trainingseinheiten, komprimierte das Programm auf fünf statt der gewünschten sieben Wochen Vorbereitung. "Ich suche keine Entschuldigung. Wir sind alle nicht zufrieden", so der Trainer, "aber ich möchte die Leute ein Stück weit aufklären. Die kurze Vorbereitungszeit ist der ausschlaggebende Punkt, zumal wir neben dem körperlichen auch den spielerischen Teil verändern wollen. Das braucht seine Zeit."

Und die hat der HSV. Das sagt zumindest Horst Becker. "In drei, vier Wochen läuft hier alles rund", so der Chefkontrolleur, der "zeitnah den neuen Sportchef präsentieren" will. Das wiederum frühestens nächste Woche. Bis dahin ist Labbadia samt Trainerteam allein, da der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann mit seiner Familie noch bis zum Freitag im Urlaub weilt. Ob er sich auch alleingelassen fühlt? "Nein", sagt Labbadia, "wir haben das hier bislang sehr gut hinbekommen. Wir sind in der Europa League und im DFB-Pokal weiter und haben auswärts einen Punkt geholt", so seine Rechnung.

Das Bemühen beim Bundesliga-Gründungsmitglied, sich nach den unrühmlichen Querelen in der Sommerpause wieder einheitlich zu präsentieren, ist deutlich. Der Aufsichtsrat steht hinter dem Vorstand, dem Trainer und der Mannschaft, der Trainer hinter seinen Vorgesetzten und zu seiner Mannschaft. "Wenn wir gegen Dortmund gewinnen, sind wir wieder im Soll", sagt Torwart Frank Rost, der ansonsten eher für schonungslose Analysen bekannt ist.

Beim HSV herrscht heile Welt. Selbst die beiden in Freiburg komplett mit untergegangenen Angreifer Paolo Guerrero und Mladen Petric zählen weiter als gesetzte Stützen. Dabei hat Guerrero weiter mit seiner persönlichen Situation (Vertrag läuft zum Saisonende aus, und ein Verkauf vor Ende der Transferfrist am 31. August ist nicht ausgeschlossen) zu kämpfen. Ebenso wie Mladen Petric, der die Sommerpause zu einem heftigen Flirt mit dem Meister VfL Wolfsburg nutzte, nur bedingt gewillt in Hamburg blieb und jetzt auf eine Anhebung seiner Bezüge pocht. Dazu kommt, und das lässt das sportliche Erscheinungsbild schief hängen, dass im Mittelfeld der designierte und bestimmte Chef Zé Roberto den Mund nicht mehr als nötig aufmacht, Kommandos eher selten zu hören sind. "Ich weiß selbst nicht, wie das in Freiburg passieren konnte", so der schüchtern wirkende Neuzugang vom FC Bayern München, "aber es ist für mich eine persönliche Enttäuschung gewesen."

Um das eher enttäuschende Gesamtbild zu vervollständigen, wackelt seit einigen Wochen selbst die Defensive. Gegentreffer gegen unterklassige Teams wie Fortuna Düsseldorf (3:3 nach 120 Minuten) und Randers FC (0:1) wurden sehr wohl auch intern kritisiert, sollten aber "nicht überbewertet" werden, wie Spieler und Trainer betonen. Auch jetzt nach dem glücklichen Punktgewinn beim Aufsteiger aus dem Breisgau setzt Labbadia auf Geduld. Zwei Wochen fehlende Vorbereitungszeit seien schließlich aufzuholen.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich der HSV am nächsten Spieltag, am Sonnabend in der Nordbank-Arena gegen Borussia Dortmund, sportlich von der Qualität des vorhergesagten Wetters abhebt. Schließlich soll es bei vereinzelten Sonnenstrahlen und schwülen 25 Grad Celsius den Tag über regnen.

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