Gegen Italien hat die deutsche Mannschaft weder bei einer Welt- noch bei einer Europameisterschaft bisher einen Sieg erringen können.

Danzig. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trifft im Halbfinale der Europameisterschaft am Donnerstag in Warschau auf ihren Angstgegner. Gegen Italien hat die deutsche Mannschaft weder bei einer Welt- noch bei einer Europameisterschaft bisher einen Sieg erringen können. Zuletzt hatten die Italiener vor sechs Jahren bei der WM in Deutschland dem DFB-Team den Weg in das Endspiel durch ein 0:2 nach Verlängerung im Halbfinale in Dortmund versperrt. Ein anderes Beispiel ist das 3:4 im legendären Halbfinale bei der WM 1970 in Mexiko. Das WM-Endspiel 1982 in Madrid wurde mit 1:3 verloren. Insgesamt blieben sieben Versuche der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes, ein Turnierspiel gegen den viermaligen Weltmeister zu gewinnen, erfolglos.

Zuletzt besiegte die deutsche Nationalelf die Italiener bei einem Testturnier in der Schweiz am 21. Juni 1995 mit 2:0. Bei der Europameisterschaft 1996 in England trennten sich die beiden Teams in einem Gruppenspiel in Manchester mit 0:0, mit 1:1 endete ein Gruppenspiel bei der EM 1988 in Düsseldorf. 1962 und 1978 trennte man sich bei der WM jeweils 0:0. Die letzte Begegnung im Februar 2011 in Dortmund endete ebenfalls mit einem 1:1. Italien gehört zu den wenigen Ländern, gegen die die Bilanz des DFB insgesamt negativ ist. 14 Niederlagen stehen nur sieben Siege entgegen, neun Partien endeten Unentschieden.

Italien war Weltmeister 1934, 1938, 1982 und 2006, Deutschland gewann den WM-Titel 1954, 1974 und 1990. Damit sind die beiden Mannschaften die erfolgreichsten hinter dem fünfmaligen Titelträger Brasilien. Bei Europameisterschaften aber ist das DFB-Team deutlich erfolgreicher: Es gewann den Wettbewerb als einzige Mannschaft dreimal, 1972, 1980 und 1996 und zog zudem drei Mal (1976, 1992 und 2008) in das Endspiel ein. Italien konnte die EM nur einmal im Jahr 1968 gewinnen.

So tickt Italien - das Team im Überblick


An schillernden Spielerpersönlichkeiten hat es den Italienern nie gemangelt. Spieler wie Gattuso, Totti oder Del Piero waren die Nachfahren der Baggios, Altobellis, Rossis oder Rivas. Heute dominieren Exzentriker wie Mario Balotelli, für den die Beschreibung als Paradiesvogel eine glatte Untertreibung wäre, die Schlagzeilen - mit Besuchen bei Prostituierten, Handgreiflichkeiten und Feuerwerksexperimenten auf der Toilette. Balotelli und Sturmpartner Antonio Cassano sind mit ihren steten Fehltritten und verbalen Entgleisungen die Kontrapunkte zum veränderten Selbstverständnis im Lager der "Squadra Azzurra". Seit dem sieglosen WM-Debakel 2010 hat Demut Einzug gehalten. Die Mannschaft befindet sich im Umbruch, Hierarchie und System sind noch nicht gefunden. Als auch der Schlusstest gegen Russland mit 0:3 verloren ging, sanken die Erwartungen auf ein Minimum. Zumal der Calcio am Boden liegt. Der Liga laufen die Zuschauer davon, die Klubs sind hoch verschuldet und Spieler wie Schiedsrichter manipulierbar.

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Doch die Unruhe während der Vorbereitung, gipfelnd in einer Razzia im Teamhotel, einte die Mannschaft. Und so präsentierte sich Italien bislang als glanzloses, aber funktionierendes Kollektiv solider Fußballarbeiter, dessen Leistungen mit der Qualität des Gegners steigen und fallen. Dem Titelverteidiger Spanien wurde dank einer beeindruckend mutigen wie disziplinierten Vorstellung zum Auftakt ein 1:1 abgetrotzt. Zu mehr reichte es aber auch gegen Kroatien nicht, und der 2:0-Sieg gegen zehn überforderte Iren war eines der schwächsten Spiele dieser Endrunde. Das Abendblatt analysiert die einzelnen Mannschaftsteile.

Tor: Kapitän, Nationalheld, eine lebende Legende: Mit seinen 118 Länderspielen ist Gianluigi Buffon auf dem besten Weg, Rekordnationalspieler Fabio Cannavaro (136) abzulösen. Sportlich zeigte der 34-jährige unumstrittene Anführer der Mannschaft ebenfalls seine Bedeutung und präsentierte sich als stabilisierende Komponente, obwohl auch er längst ins Visier der Ermittler geraten ist. Buffon steht damit beispielhaft für die Situation im gesamten Team.

Abwehr: Die taktischen Variationen und Personalrochaden blieben ohne negative Folgen. Trainer Cesare Prandelli schickte seine Verteidiger im Dreier- oder Viererverbund auf den Platz, setzte Mittelfeldspieler Daniele de Rossi im Abwehrzentrum ein und hat nach der Verletzung von Giorgio Chiellini keinen Abwehrspieler, der alle EM-Spiele absolvierte. Experimente mit Erfolg, der die Ankündigung, häufiger mal 3:2 als 1:0 zu gewinnen, bislang verhindert. Tatsächlich hat die Spielweise mit dem Catenaccio vergangener Jahrzehnte nicht mehr viel gemein, doch die Defensivstärke zeichnet die flexiblen Italiener auch bei diesem Turnier aus.

Mittelfeld: Claudio Marchisio und Thiago Motta sowie de Rossi - wenn er nicht in der Abwehr aushilft - sind die Satelliten, die sich um Andrea Pirlo herum bewegen. Der 33-Jährige von Juventus Turin ist der entscheidende Spieler im Prandelli-System. Der Vertraute des Trainers lenkt Offensiv- und Defensivspiel von seiner Position vor der Abwehr, zieht alle Strippen und beweist seine Genialität regelmäßig bei Standardsituationen.

Sturm: Balotelli und Cassano sindtickende Zeitbomben, selbst Mannschaftskollegen beschreiben sie als unberechenbar. Auf dem Platz bedeutet das ein Glücksspiel, das abhängig von Lust und Laune der selbstverliebten Charaktere über Sieg und Niederlage entscheidet. Im Negativfall steht - wie gegen Irland - Antonio Di Natale bereit.

Trainer: Als Spieler ein Titelsammler - als Trainer bislang nicht. Cesare Prandelli, der mit Verona und Venedig in die Serie A aufstieg, ist der richtige Mann für den vom Verband gewollten Umbruch. Der 54-Jährige, der sich bei seiner Spielerauswahl nicht um Namen, Status oder vergangene Erfolge schert, ist ein akribischer Tüftler. Allein in den EM-Qualifikationsspielen setzte er insgesamt 35 Profis ein. Dass er es dennoch schaffte, Mario Balotelli und Antonio Cassano so geräuschlos wie möglich als Teile einer funktionierenden Mannschaft zu integrieren, ist seine größte Leistung.

Mit Material von dapd