Titelverteidiger Spanien steht im Semifinale, trifft dort auf Portugal. Glanzlos schlugen die Iberer Frankreich mit 2:0. Alonso traf doppelt.

Donezk. Titelverteidiger Spanien hat mit spielerischer Leichtigkeit Frankreich aus allen EM-Träumen gerissen und ist dank Jubilar Xabi Alonso ins Halbfinale gegen Portugal eingezogen. Der 30-Jährige von Real Madrid erzielte in seinem 100. Länderspiel beide Treffer zum 2:0 (1:0) gegen vollkommen chancenlose Franzosen, die vier Tage nach dem peinlichen 0:2 gegen Schweden erneut bitter enttäuschten.

Die gnadenlos effizienten Spanier sind dagegen nach ihrem 18. Pflichtspiel in Folge ohne Niederlage nur noch zwei Siege vom historischen Triple entfernt: Zwei EM-Titel in Folge und ein WM-Triumph dazwischen sind bislang noch keinem Team gelungen. Alonsos Treffer in der 19. Minute per Kopf und in der Nachspielzeit per Foulelfmeter (90.+1) brachten die spanische Überlegenheit nur unzureichend zum Ausdruck.

Die Spanier dominierten das Spiel mit der „Null-Stürmer-Taktik“ aus dem ersten Gruppenspiel gegen Italien (1:1) und traumwandlerisch sicherem Passspiel dermaßen deutlich, dass sich unter den 47.000 Zuschauern in der Donbass-Arena gepflegte Langeweile breitmachte. Bayern-Star Franck Ribery, noch einer der Bemühteren bei Les Bleus, stand dem Treiben ebenso machtlos gegenüber wie seine Mitspieler.

Nach einer zerfahrenen Anfangsphase mit vielen Fehlpässen auf beiden Seiten rissen die Spanier die Begegnung schnell an sich, zunächst jedoch ohne Erfolg. Die Bemühungen der „Furia Roja“, die ihr typisches Passspiel aufzog, endeten meist vor dem Strafraum der Franzosen. Die Equipe Tricolore ließ jedoch ihrerseits in der Offensive jegliches Konzept vermissen, Stürmer Karim Benzema sah nahezu keinen Ball.

Die erste gute Gelegenheit führte dann prompt zum Tor. Nach einer Flanke des aufgerückten Linksverteidigers Jordi Alba stand Xabi Alonso völlig frei im Strafraum und hatte keine Mühe, den Ball mit einem Kopfball-Aufsetzer aus 14 Metern zu versenken. Für den Routinier war es im 100. Länderspiel das 14. Tor, in der Nachspielzeit ließ er gleich noch Nummer 15 folgen.

Die Franzosen erhöhten nach dem 0:1 etwas das Tempo, blieben jedoch das hoffnungslos unterlegene Team. Auch Flügelflitzer Ribery fand gegen den bissigen Alvaro Arbeloa kein Durchkommen und tauchte weitgehend ab. Die einzige Chance vor der Pause bot sich Yohan Cabaye, dessen Freistoß in der 32. Minute Iker Casillas parierte. Aus dem Spiel heraus blieb Frankreich in der Halbzeit ohne eine einzige Torchance.

Spaniens Trainer Vicente del Bosque entschied sich erneut für seine „Null-Stürmer-Taktik“, für Torjäger Fernando Torres begann Cesc Fabregas. Frankreichs Laurent Blanc ließ nach dem Kabinen-Zoff die Streithähne Hatem Ben Arfa und Samir Nasri auf der Bank, auch Alou Diarra und der gesperrte Philippe Mexes fehlten. Dafür rückten Laurent Koscielny, Cabaye, Florent Malouda und Gael Clichy in die Anfangsformation.

Auch nach der Pause blieb das erhoffte Fußball-Fest aus. Während Spanien das Geschehen im Griff hatte, fehlten den Franzosen sowohl Ideen als auch spielerische Mittel. Erst nach einer Stunde nahm die Partie ein klein wenig Fahrt auf: Nach Flanke von Ribery köpfte Mathieu Debuchy bei Frankreichs erster Chance aus dem Spiel heraus über die Latte (60.). Im Gegenzug kam Fabregas nach Traumpass von Andres Iniesta einen Schritt zu spät (62.).

Wenig später machte Fabregas für Fernando Torres Platz, doch auch der Starstürmer von Champions-League-Sieger FC Chelsea blieb wirkunglos. Während Spanien vergeblich auf den vorentscheidenden Konter lauerte, warfen die Franzosen, angetrieben vom nun etwas stärker aufspielenden Ribery, alles nach vorne. Mehr als ein gefährliches, am Ende aber erfolgloses Tempo-Dribbling des Bayern-Profis (71.) sprang dabei aber nicht heraus.

Bei Spanien verdienten sich Xabi Alonso und Gerard Pique Bestnoten, bei den Franzosen überzeugte einzig Yohan Cabaye.

+++ Das Spiel im Liveticker +++

Vor dem Spiel: Die Hoffnungen der "Grande Nation" ruhen auf Zinedine Zidane. Wieder einmal. Der geniale Mittelfeldmann hat seien Fußballschuhe freilich bereits seit sechs Jahren an den Nagel gehängt. Dennoch: Das Idol der Franzosen, vielleicht ihr bester Fußballer aller Zeiten, feiert am Sonnabend seinen 40. Geburtstag. Welchen besseren Anlass könnte es da geben, dass seine Nachfolger ins Halbfinale der Europameisterschaft einziehen.

Der Weg dorthin beinhaltet allerdings die größtmögliche Hürde. Denn der Gegner ist kein geringerer als der amtierende Welt- und Europameister Spanien. Jenes Team also, dass seit vier Jahren den "circus maximus" in die Stadien der Welt zaubert. Neben warmen Worten Zidanes kann den Franzosen in ihrer Rolle als Underdog vor allem eines Hoffnung machen: Ein Blick auf die Statistik. Denn die letzten vier Spiele bei Welt- und Europameisterschaften gewann allesamt die "équipe tricolore.

Weniger hilfreich waren die Negativschlagzeilen, die das Team in den vergangenen Tagen wieder einmal en masse produzierte. Der Kabinenzoff nach dem extrem schwachen 0:2 gegen Schweden erinnerten an vergangene, dunkle Tage in Südafrika. Zwar bemühte sich Nationaltrainer Laurent Blanc, der das Ruder nach der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren übernommen hate, die Vorfälle vom Montag herunterzuspielen. Sie seien inzwischen vollständig ausgeräumt: "Das ist gut, weil wir das auch gegen Spanien brauchen." Auch Kapitän Hugo Lloris beschwichtigte: "Jeder kann in der Kabine sagen, was er will.".

Dabei gab es doch auch durchaus positive Nachrichten. Zum Beispiel diejenige, dass sowohl Franck Ribéry als auch Samir Nasri ihre Blessuren auskuriert und am Abend einsetzbar sein werden. Nasri bleibt allerdings vorerst nur die Ersatzbank. Blanc ändert seine Mannschaft nach dem 0:2 gegen Schweden auf vier Positionen. Aus der offensiven Mittelfeldreihe steht nur Franck Ribery vom FC Bayern München in der Startelf. Nasri und Hatem Ben Arfa werden von den defensiveren Florent Malouda und Yohan Cabaye ersetzt. Für Alou Diarra kommt Rechtsverteidiger Anthony Reveillere ins Team, Mathieu Debuchy rückt ins Mittelfeld. In der Innenverteidigung ersetzt EM-Debütant Laurent Koscielny den gelbgesperrten Philippe Mexes.

Die Franzosen werden als Einheit, als Team auftreten müssen, wenn sie den Spaniern beikommen wollen - gepaar mit genialen Momenten, wie sie zum Beispiel Ribéry immer mal wieder aus seinem Fuß zaubert. Einer, der das auch gut konnte, wird heute 40 - und würde sich über eine französische Überraschung sicher mächtig freuen.

Der spanische Nationaltrainer Vicente del Bosque verzichtet in Donezk zunächst auf Stürmer Fernando Torres. Für den 28-Jährigen rückt wie schon beim Turnierauftakt gegen Italien (1:1) Cesc Fabregas in die Anfangself. Gegenüber dem 1:0 zum Vorrundenabschluss gegen Kroatien ist es die einzige Veränderung in der Startformation des Welt- und Europameisters. Im Mittelfeld kommt Xabi Alonso zu seinem 100. Länderspiel. (sid/dapd/lge/abendblatt.de)

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Die Aufstellungen

Spanien: 1 Casillas – 17 Arbeloa, 3 Piqué, 15 Sergio Ramos, 18 Alba – 16 Busquets – 8 Xavi, 14 Xabi Alonso – 21 Dav. Silva (65. Pedro Rodriguez), 6 Iniesta (84. Carzola) – 10 Fabregas (67. Torres)

Frankreich: 1 Lloris – 13 Réveillère, 4 Rami, 21 Koscielny, 22 Clichy – 17 M’Vila (79. Giroud) – 6 Cabaye, 15 Malouda (64. Nasri) – 2 Debuchy (64- Ménez), 7 Ribery – 10 Benzema

Schiedsrichter: Nicola Rizzoli (Italien)

Zuschauer: 45.000

Tore: 1:0 Xabi Alonso (19.), 2:0 Alonso (90., FE)