Einen Tag nach dem Einzug ins Viertelfinale lässt es die deutsche Elf ruhig angehen. Bundestrainer Löw lobt die neue Reife seines Teams.

Danzig/Lwiw. In 10.000 Meter Höhe gab Lukas Podolski irgendwo zwischen Lwiw und Danzig das neue Reiseziel vor. Noch einmal soll es in die Ukraine gehen – zum EM-Finale am 1. Juli in Kiew. Über das Bordmikrofon des DFB-Sonderfliegers heizte Jubilar Podolski die vor dem Viertelfinal-Duell gegen Griechenland ohnehin gute, aber nicht überschwängliche Stimmung im deutschen Tross weiter an. „Ja, so ist es richtig, zückt alle die Handys und Kameras“, scherzte der Kölner, der seine 100 Länderspiele als „Wahnsinn“ bezeichnete und rief: „Danke an alle – und ab ins Finale!“

Schnell wurde der deutsche Vorrunden-Rekord von drei Siegen abgehakt, vergessen war das kurzzeitige Zittern um das Viertelfinale – ab jetzt geht es für die schwarz-rot-goldenen Gipfelstürmer nur noch um Griechenland. „Wir wollen bis zum Ende im Spiel bleiben, aber das ist kein Selbstläufer“, sagte Kapitän Philipp Lahm zum Glücksfall in der ersten K.o.-Runde am Freitag in Danzig.

Mit einer Trainingseinheit auf dem Mountainbike und einem Familienabend pflegte Löw am Regenerations-Montag den Teamgeist. Er gab seinem Personal nach dem 2:1-Sieg gegen Dänemark nicht komplett frei, verzichtete aber auf eine Übungsstunde auf dem Fußballplatz. Stattdessen war für die Akteure eine Radtour angesetzt. Für den Abend gestattete der Bundestrainer den Familien und Freundinnen der Spieler einen Besuch im Hotel – passend dazu schien endlich auch die Sonne.

+++ DAS SPIEL IM LIVETICKER +++

„Mit Griechenland hatte niemand so richtig gerechnet“, gab Löw zu, warnte aber gleich vor dem „Meister der Effizienz“. Unter Otto Rehhagel hatten die Hellenen bei der EM 2004 das Titel-Wunder geschafft. „Aus vergangenen Turnieren ist ja schon bekannt, dass sie wahnsinnig gut verteidigen können. Sie werfen sich in alles, sind hartnäckig“, sagte Löw beeindruckt von den Überlebenskünstlern. Nach dem Neun-Punkte-Durchmarsch sehen sich die deutschen Titelaspiranten bestens gewappnet. „Wir sind auch reifer geworden“, hob der Cheftrainer als zentrale Erkenntnis des Dänemark-Sieges hervor.

14 Pflichtspiele hat das Löw-Team nacheinander gewonnen. Obwohl die Vorbereitung auf das EM-Turnier teilweise „zerrüttet“ (Löw) war und es bei vielen Spielern noch immer Steigerungspotenzial gibt, beendete das DFB-Team erstmals in der Geschichte überhaupt eine EM-Gruppenphase mit drei Siegen. „Ihr seid ein fantastisches Team, und ihr sollt wissen, dass ganz Deutschland hinter euch steht“, betonte Verbandspräsident Wolfgangs Niersbach, der für seine Ansprache ebenfalls das Bordmikrofon im Flieger wählte.

Die Erleichterung über den knappen Sieg war bei allen Protagonisten vom DFB-Chef bis zum Bundestrainer zu spüren. Denn mit dem ersten Platz in der selbst ausgerufenen „Todesgruppe“ B kann nicht nur das kurzfristige Ziel EM-Titel weiter verfolgt werden. Auch das langfristige Projekt Löw läuft nun ohne Zweifel und Störungen weiter – vorerst bis zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.

„Jogi, du hast dich nicht beklagt über manche Schwierigkeiten bei der EM-Vorbereitung. Du hast es mit deiner Art, mit deinem Trainerteam, mit Oliver Bierhoff im Management, durchgezogen. Das ist allererste Klasse“, betonte Niersbach, obwohl bisher in Polen und der Ukraine nur die Pflicht mit dem Viertelfinale erfüllt wurde.

Die Presse jubelt: "Deutschland schreitet triumphal voran"

Lahm und Co. sehen schon den Weg zum Kiewer Endspiel geebnet. Mit dem Gruppensieg ist das gewünschte Heimspiel nahe dem EM-Quartier wahr geworden. Keine Reisestrapazen, dafür eine Topvorbereitung. „Und ich denke, dass auch viele deutsche Fans nach Danzig kommen werden“, sagte Torwart Manuel Neuer. „Wenn wir so spielen wie die ersten drei Spiele, werden wir auch gegen die Griechen weiterkommen“, erklärte der erstmals ohne eigenen Treffer gebliebene Torjäger Mario Gomez.

Für die Erlösung gegen die neben Holland ausgeschiedenen Dänen hatte Lars Bender gesorgt, der rechts hinten den gesperrten Jérome Boateng ersetzte, und vorn zum entscheidenden Mann avancierte. „Das Tor ist das schönste Geschenk für mich“, erklärte der Leverkusener Matchwinner, der in der 80. Minute die bösen Geister des möglichen Ausscheidens vertrieb. Löw hatte auch mit dieser Entscheidung erneut richtig gelegen, wie schon zuvor bei den brisanten Personalien Gomez und Hummels. Und die Joker André Schürrle, der erstmals kam, Mario Götze und Marco Reus hat der 52-Jährige weiter in der Hinterhand.

Lars Bender freut sich über "das größte Geschenk"

Ein perfekter Tag war es für Podolski, der das 1:0 erzielt hatte (19.). „Toll, wenn einem so etwas im 100. Länderspiel gelingt“, sagte der gebürtige Pole. Der Jubel nach dem dritten Vorrundensieg fiel bei ihm und seinen Kollegen dennoch insgesamt dezent aus. Nicht nur beim Kopfball-Gegentor von Michael Krohn-Dehli (24.) wurde deutlich, dass Löws Boy Group noch einiges zulegen muss.

„Zu große Lücken“ in Mittelfeld und Abwehr, dazu eine diesmal schwache Chancenverwertung hatte Löw als größte Mängel gegen die Dänen ausgemacht. „Vom Spielerischen ist noch Luft nach oben“, unterstrich Neuer. „Es wird sicher ein unbequemes Spiel. Da müssen wir uns einiges einfallen lassen, um das Abwehrbollwerk auseinander zu spielen“, sagte Matchwinner Bender zu den unbequemen Griechen. (dpa/HA)