Nächtliche Vergnügungstour des Verteidigers verärgert den Bundestrainer - Bender als Alternative in der Abwehr - Achse Mertesacker-Schweinsteiger-Klose läuft nicht rund

Danzig. Die größeren Sorgen wurden weggelächelt, aber einmal kehrte Joachim Löw seine strenge Seite heraus. Der sonst immer freundliche Trainer ließ keinen Zweifel daran, dass er die Vergnügungsnacht von Jerome Boateng unmittelbar vor der Abreise der deutschen Nationalmannschaft zur Fußball-Europameisterschaft in Berlin inakzeptabel sei. Der 23-Jährige wurde öffentlich abgewatscht. Der Vorfall lag zwar Tage zurück, aber Löw wollte am Donnerstag bei seinem ersten Auftritt im DFB-Medienzentrum in Danzig unmissverständlich klarstellen, was er von der Verfehlung des gebürtigen Berliners hielt.

„Dass mir das nicht gefallen hat, was er am Wochenende gemacht, ist klar. Es war seine freie Zeit, aber das von Sonntag auf Montag zu machen, war nicht in Ordnung“, sagte Löw. Boateng hatte sich wenige Stunden vor dem Abflug nach Polen noch mit dem Nacktmodell Gina-Lisa Lohfink in einem Hotel in Berlin amüsiert. Löw drohte Boateng damit, seinen Platz als rechter Außenverteidiger in der Nationalelf gegen Portugal am Samstag zu verlieren.

Als ernsthafte Alternative nannte der Bundestrainer Lars Bender, den er wiederholt schon im Training auf dieser Position testete, obwohl er diese Aufgabe bei Bayer Leverkusen noch nie erfüllt hat. „Jerome hat jetzt eine Bringschuld“, sagte Löw: „Er muss in der Lage sein, sich zu zerreißen.“ Während Bastian Schweinsteigers Ausflug nach Capri mit Freundin vom DFB erlaubt worden war, empfand Löw das nicht genehmigte Nightlife-Vergnügen des gebürtigen Berliners als extrem störend. Volle Konzentration sei gefordert, sagte Löw, um die Portugiesen mit ihren Weltklassespielern zu stoppen und keine One-Man-Show des Superstars Cristiano Ronaldo zuzulassen. Es sei der wichtige erste Schritt in ein sehr schweres Turnier zu vollziehen.

Achse Mertesacker-Schweinsteiger-Klose läuft nicht rund

Es war wohl nur ein Warnschuss für Boateng. Löw wird den Bayern-Verteidiger wohl in der Startelf zu lassen. Die Aufgabe, die er zu lösen hat, ist sehr schwer. Der rechte Verteidiger wird im ersten Gruppenspiel gegen Ronaldo antreten müssen. Der könne Spiele alleine entscheiden, warnte Löw. „Er ist sehr dynamisch, sehr schnell und hat einen sehr guten Torabschluss mit beiden Beinen und dem Kopf“, lobte Philipp Lahm den Torjäger. In den Halbfinalspielen der Champions League gegen Real Madrid gelang es Lahm für den FC Bayern München, die weltberühmte Nummer 7 weitgehend auszuschalten. Aber in der Nationalelf entschied sich Löw, Lahm nun doch weiter als linken Außenverteidiger aufzustellen.

Das war eine der taktischen Kniffelaufgaben, die Löw lösen musste, aber andere Bedenken bestehen weiter. Die Achse aus Per Mertesacker, dem Abwehrchef, Bastian Schweinsteiger, der Schaltzentrale im defensiven Mittelfeld, und Miroslav Klose, dem einzigen Stürmer, läuft nicht rund. Mertesacker brach am Donnerstag das Training ab und begab sich in die Obhut der Ärzte und Physiotherapeuten. Schweinsteiger hat selbst noch kleine Zweifel an seiner Fitness nach den Verletzungsproblemen des vergangenen halben Jahres. „Es geht mir gut. Ich taste mich langsam wieder an die Spritzigkeit heran“, sagte der 27-Jährige. „Ich bin immer noch in Behandlung, kann aber ohne Probleme trainieren.“ Und das neue, aber gleichzeitig alte Bulletin von Löw zu Klose lautete: „Er hatte die letzten ein, zwei Tage ein paar Probleme mit dem Rücken.“

Die Ungewissheit, wie die Mannschaft nach der Anreise an diesem Freitag nach Lwiw einen Tag später in das Turnier startet, ist auch bei den Beteiligten groß. „Es ist ein großes Ziel, den Euopameistertitel zu holen. Aber ob es klappt, wissen wir nicht“, sagte Lahm. Dass er mit den Bayern dreimal „Vize“ wurde in dieser Saison, spiele gar keine Rolle mehr. „Das hier ist die Nationalmannschaft. Sie hat noch seit 2010 einen Schritt nach vorne gemacht“, sagte Lahm. Sicherheit für diese These kann nur ein Sieg über Portugal bringen.

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