Von Anfang an hatte Sebastian Deisler mit Problemen zu kämpfen. Sport1.de zeichnet seine Karriere nach.

München - Keine neun Jahr ist es her, dass der deutsche Fußball zum ersten Mal in Trümmern lag.

Im Juni 1998 schied die Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Frankreich relativ kläglich im Viertelfinale aus, die Verzweiflung war groß.

Denn die DFB-Auswahl war mit dem ältesten Aufgebot aller Zeiten ins Turnier gegangen, Jens Jeremies war mit 24 Jahren der jüngste Spieler.

Doch nach dem Rücktritt von Stars wie Jürgen Klinsmann, Jürgen Kohler und Andy Köpke waren weit und breit keine Nachfolger in Sicht.

Neue Hoffnungsträger des deutschen Fußballs

Knapp einen Monat später sorgte dann ein Haufen unbekümmerter Jünglinge auf Zypern für neue Hoffnung.

Die deutsche U-18 deklassierte bei der EM-Endrunde zunächst Litauen 7:1 und danach auch Favorit Spanien mit 4:1. Spielmacher des Teams, in dem auch Timo Hildebrand, Fabian Ernst und Sebastian Kehl standen, war Sebastian Deisler.

Zwar unterlag die Elf des damaligen DFB-Trainers Rainer Bonhof nach einem dramatischen Finale unglücklich im Elfmeterschießen gegen Irland. Doch die Beobachter waren sich einig: Die größte Karriere von allen steht dem Jungen mit der Nummer 10 bevor.

"Damals schon gedacht, dass er ein ganz Großer wird"

"Ich habe damals schon gedacht, dass er ein ganz Großer wird, wenn er in seinen Leistungen stabil bleibt. Und das ist ja später auch bestätigt worden", sagt Bonhof im Gespräch mit Sport1.de .

Doch dazu wäre es beinahe nicht gekommen, denn schon am Anfang seiner Karriere musste das "größte Talent des deutschen Fußballs" (Franz Beckenbauer) immer wieder Hürden und Probleme überwinden. Vielleicht ein Vorgeschmack auf das, was bis zum bitteren Ende beim FC Bayern noch folgen sollte.

"Der Junge ist dem Ball nachgelaufen, als er kaum richtig stehen konnte", erinnert sich seine Mutter Gabriele. Doch auf der Wiese hinter dem Wohnhaus im südbadischen Lörrach, wo sich die Nachbarskinder täglich zum mehrstündigen Kicken trafen, war Fußball spielen verboten.

Zerbrochene Scheiben und zerstochene Bälle

Einige Scheiben gingen zu Bruch, so dass ein offenbar nicht am deutschen Fußball-Nachwuchs interessierter Anwohner ständig die Bälle einkassierte und zerstach. Trotzdem sagt Deisler: "Das, was ich auf der Wiese gelernt habe, hat mir sehr geholfen."

Bereits mit fünf Jahren trat er dem FV Tumringen bei, wo sein Vater Trainer war. Kilian Deisler blieb auch danach beim TuS Stetten (1988 bis 1990) und beim lokalen Top-Team FV Lörrach (bis 1995) der große Mentor, zumal er ab 1989 als Frührentner viel Zeit hatte.

Pommes mit Rahmsoße vor dem Spiel

"Samstags hat er mich von der Schule mit dem Fahrrad abgeholt und dann sind wir direkt zum Spiel geradelt. Wir hatten eine 20 Kilometer lange Stammstrecke und einen Traditionsrastplatz im Wald. Dort durfte ich eine Lila Pause essen", erzählte Sebastian Deisler in einem Interview mit "11 Freunde".

"Kurz vor dem Spiel, das darf man eigentlich gar nicht sagen, gab es dann noch Pommes mit Rahmsoße. So kam ich oft zehn Minuten zu spät zum Treffpunkt, aber dafür war ich schon warm."

Neid in Lörrach und Heimweh in Gladbach

Aber auch in der heimischen Idylle wurde sein rasanter Aufstieg mehr mit Argwohn denn mit Begeisterung beobachtet, erinnert er sich: "Es gab viel Neid in meiner Heimatstadt. Das war nicht zuletzt einer der Gründe, warum ich mit 15 zu Borussia Mönchengladbach gegangen bin."

Viel besser wurde es am rund 600 Kilometer entfernten Niederrhein zunächst jedoch nicht für den klein gewachsenen und schüchternen Neuzugang. "Die haben mich teilweise ausgelacht. Ich hatte Heimweh und war kurz davor hinzuschmeißen. Aber Norbert Meier hat gesagt: Du bleibst hier. Beiß dich durch", erinnert sich Deisler.

"Ich hätte ihn sogar schon fast ein Jahr vorher geholt", sagt der damalige Gladbacher Junioren-Coach Meier Sport1.de . "Er war zwar damals sehr klein, aber er hatte riesiges Potenzial. Danach hat er sich zu einem außergewöhnlichen Spieler entwickelt, deshalb tut mir sein Rücktritt wahnsinnig leid."

Bundesliga-Debüt mit 18 Jahren

Die Rückendeckung des Ex-Nationalspielers brachte die Wende: Deisler wurde zum absoluten Führungsspieler, lehnte nach der U-17-WM 1997 in Ägypten sogar ein Angebot von Real Madrid ab und debütierte nur sechs Wochen nach dem EM-Finale der U-18 am 8. September 1998 beim 1:1 gegen Eintracht Frankfurt in der Bundesliga.

Danach wurde er auch bei den Profis zum Stammspieler und schoss nach einem spektakulären Sololauf über 60 Meter im Februar 1999 gegen 1860 München sein erstes Tor. Doch der Aufgabe, anstelle des abgewanderten Stefan Effenberg die "Fohlen" zu führen, war er nicht gewachsen. Die mittlerweile von Bonhof trainierten Borussen stiegen als 18. sang- und klanglos ab.